Von Seelweibern und Spitalwärtern

3.6.2018, 06:25 Uhr
Von Seelweibern und Spitalwärtern

© Stadtarchiv

Spital, Seelhaus, Siechenhaus: Diese drei Anlaufstellen standen den Menschen im Mittelalter in Gunzenhausen zur Verfügung. "Diese Reihenfolge ist durchaus als eine Art Ranking zu verstehen", meint Werner Mühlhäußer. So kann man sich das Spital – in dem Gebäude in direkter Nachbarschaft zur Spitalkriche ist heute das Jugendzentrum untergebracht – als eine Art Wohnstift für gehobene, betuchte Bürger vorstellen, die sich darin "einkauften".

Auf die Gründung des Spitals durch einen mittelfränkischen Adeligen geht das heutige Burkhard-von-Seckendorff-Heim zurück, das mittlerweile in der Reutbergstraße ansässig ist. Ein bereits im 16. Jahrhundert verwendetes Sprichwort bezeichnet die Familie Seckendorff als mitgliederstärkstes Niederadelsgeschlecht in ganz Franken, was unter anderem 13 verschiedene Familienlinien eindrucksvoll dokumentieren.

Burkhard von Seckendorff erwarb 1349 Gunzenhausen, das er vermutlich als Zentrum seines Herrschafts- und Grundbesitzes im Main- und Altmühlgebiet ausbauen wollte, wie der Archivar erläutert. Hier stiftete er 1351 das Spital mit Kirche, in Letzterer wurde er auch bestattet, sein Grabmal besteht bis heute.

Allgemein gilt das 14. Jahrhundert als Blütezeit der Spitalgründungen in den Städten. Ursache dafür war laut Mühlhäußer, dass immer mehr Menschen in Not gerieten, teilweise durch Hungersnöte, aber auch durch epidemische Krankheiten. Ein weiterer wichtiger Faktor war die wachsende Bevölkerungszahl. Dies alles zusammen sorgte für eine Verstärkung der sozialen Probleme. Nach mittelalterlicher Auffassung diente eine derartige Stiftung als so genanntes "Seelgerät" und sollte die Leiden der Seele des Verstorbenen im Fegefeuer verkürzen und einen zügigen Aufzug gen Himmel gewährleisten.

Um die Spitalgründung in Gunzenhausen rankt sich übrigens die rührende Sage vom "Kreuz im Altmühltal", wonach Burkhard von Seckendorff auf einem Jagdausflug versehentlich seine Geliebte, die Fischertochter Hedwig, durch einen Pfeil aus der Armbrust getötet haben soll. Zwei Jahre nach der Stiftung bestätigte der Eichstätter Bischof mit einer Urkunde die Gründung. Darin ist unter anderem die Rede von "mehrung des gottesdienstes und aufnahme von armen und siechen (Kranke)". Ein eigener Spitalgeistlicher (auch Frühmesser und Spitalkaplan) las täglich die Messe und war für die seelsorgerische Betreuung der Spitalbewohner verantwortlich.

Schon ab der Gründung wurde das Spital durch sogenannte Zustiftungen reich mit Grundbesitz ausgestattet. Die gute wirtschaftlich-finanzielle Situation war außerdem auf die Tatsache zurückzuführen, dass sich überwiegend Bürger mit Vermögen in das Spital einkauften (Spitalpfründner), um so ihre Altersversorgung zu sichern, gerade, wenn keine Familienangehörigen mehr in der Stadt wohnten. Das Reichssteuerregister von 1497 nennt erstmals zehn Bewohner des Spitals namentlich. Sie wurden von Spitalmeister Hans Kistner und seinem Personal — es gab beispielsweise eine eigene Spitalköchin — versorgt.

Wohl schon sehr bald nach der Spitalgründung wurde dem Stadtrat die Verwaltung der Einrichtung und ihres Vermögens übertragen. Dafür gab es ein eigenes Spitalamt, das jeweils von zwei Ratsherren, den Spitalpflegern, ausgeübt wird. Bis zum heutigen Tag ist die Stadt Gunzenhausen Verwalterin der Stiftung.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Spital samt einer dazugehörenden Scheune von Soldaten niedergebrannt. Die Einnahmen sanken auf ein Minimum. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts erholten sich die Finanzen wieder, wie aus den Unterlagen im Stadtarchiv hervorgeht. 1761 wurde der Spitalneubau nach Plänen des bekannten markgräflichen Baumeisters Johann David Steingruber realisiert. Das neue Spital beherbergte sechs bis acht Wohnungen für die Bewohner.

Wegen Liderlichkeit entlassen

1743 vermachte der Stadtarzt Wilhelm Förster dem Spital 3000 Gulden. Das Kapital sollte für kostenfreie Behandlung der Spitalpfründner herangezogen werden. Zur Versorgung der Bewohner wurde stets eigenes Personal angestellt, wie beispielsweise in den 1680er-Jahren, als der "Schwarze Michel, ist in dem Hospital zur Wartung der armen Leuthe und zur Uffsicht angenommen worden".

Etwa ab 1708 gab es einen eigenen Spitalwärter. Zusammen mit seiner Ehefrau pflegte und versorgte er die Bewohner, auch wenn dies offensichtlich nicht immer zur vollsten Zufriedenheit des Aufsichtsorgans (Spitalpflegeamt) ablief. So wurde zum Beispiel der Spitalwärter Nikolaus Baumeister 1759 wegen "Liderlichkeit" entlassen. Neben der Pflege der Kranken im Spital war der jeweilige Spitalwärter auch für Aufsicht und Verwahrung der Spitalkirche, das Läuten der Glocke, Klingelbeuteltragen während des Gottesdiensts und das Abmessen des Getreides verantwortlich.

Dieses Amt wurde über die Jahre hinweg von Mitgliedern verschiedener Bürgerfamilien ausgeübt, 1923 übernahmen dann Diakonissen des Mutterhauses Neuendettelsau die Hausmutterstelle im Spital. 1966 begannen die Bauarbeiten für das Burkhard-von-Seckendorff-Heim an der Reutbergstraße, im März 1969 zogen die ersten Bewohner dort ein. Das historische Spitalgebäude wird seit 1981 als Jugendzentrum genutzt.

Von Seelweibern und Spitalwärtern

© Stadtarchiv

Wer nicht genügend Geld hatte, um sich ins Spital einzukaufen, dem blieb das Seelhaus als Anlaufstelle. Seelhäuser waren Unterkünfte für alte, kranke, verarmte und alleinstehende beziehungsweise verwitwete Einwohner. In Gunzenhausen befand sich das Seelhaus auf dem Areal des heutigen Anwesens Kirchenstraße 8. Die erste schriftliche Nachricht darüber stammt aus dem Jahr 1508. Damals wurden diverse Reparaturen durchgeführt, die vom städtischen Bauamt bezahlt wurden.

Hier lebten überwiegend Bürger der Mittelschicht, zeitweise fanden im Seelhaus auch kranke, durchziehende Personen wie etwa Soldaten eine Unterkunft und konnten sich dort pflegen lassen. Die Krankenpflege übernahmen die sogenannten Seelweiber, ledige oder verwitwete Gunzenhäuserinnen. Bei einer Heirat mussten die Frauen das Seelhaus aber wieder verlassen.

1808 entschloss sich die Kirchenverwaltung, das Gebäude zu veräußern. Das Seelhaus scheint zu diesem Zeitpunkt bereits in einem sehr baufälligen Zustand gewesen zu sein, da der neue Eigentümer, Schneidermeister Johann Balthasar Brunner lediglich 90 Gulden (etwa 3600 Euro) dafür bezahlen musste. Er ließ das Gebäude noch im selben Jahr abreißen und nutzte die Freifläche als Garten.

Ganz am Ende der Einrichtungen der kommunalen Sozialfürsorge stand das Siechenhaus. Hier lebten diejenigen Einwohner der Altmühlstadt, die über keinerlei Vermögen verfügten, aber auch Sieche, also unheilbar Kranke. Vermutlich wegen dieser Personengruppe lag das Siechenhaus außerhalb der Stadtmauer und damit deutlich außerhalb der Kernstadt. Es ist laut Mühlhäußer davon auszugehen, dass es nah des Hochgerichts in Richtung Unterwurmbach stand. 1364 wurde das Gunzenhäuser Siechenhaus in den Ellwanger Lehenbüchern genannt.

Auch in den Bürgermeisteramtsrechnungen finden sich immer wieder Ausgaben, die sich auf das Siechenhaus beziehen. Zum Beispiel erhielt der "Badmendlein" 1545 Geld, um Brennholz ins Siechenhaus zu bringen und "abermalen ain armen man ins Siechhauß zu führen". 1585 hat man, wohl um die hygienischen Verhältnisse zu verbessern, "ein Badstüblein im Siechhaus gemauert und einen Ofen darin zu machen". 1590 wurde erstmals ein Bewohner namentlich genannt: "Leonhard Puckel aus Stopfenheim, ein siecher, so alhier im Siechhaus zur Herberge eingezogen gewesen".

Vermutlich ist das Siechenhaus während des Dreißigjährigen Kriegs zerstört und nicht mehr aufgebaut worden.

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