Wegen der Tellersülze nach Wolframs-Eschenbach

29.9.2016, 18:01 Uhr
Wegen der Tellersülze nach Wolframs-Eschenbach

© Wolfgang Dressler

Warum radle ich nach Wolframs-Eschenbach? Die einen tun es der Kultur wegen, andere ergötzen sich an der mittelalterlichen Charakteristik der Stadt. Beide Gründe lasse ich gelten, aber der entscheidende Grund für mich ist die Tellersülze, jedenfalls die beste innerhalb der Stadtmauer. Ich nehme gleich zwei mit, denn ich weiß, dass meinem Freund Dieter schon das Wasser im Munde zusammenläuft, wenn er nur an die Sülze denkt, die nichts anderes enthält als Rüsseli, Backenfleisch und eben den einmalig guten Sud (also nix mit Aspik). Nun mag der geneigte Leser denken, der Max ist ja ganz schön verfressen, wie man bei uns in Franken sagt. Ich überlasse das Urteil den Lesern und will mich an dieser Stelle nicht weiter auslassen, respektiere aber auch die Produkte der vielen anderen Metzger.

Ich bin an einem Dienstag unterwegs. Der Tag verspricht warm zu werden. So starte ich schon in der Früh um neun. Schließlich will ich vor der großen Mittagshitze wieder daheim sein. Nachdem ich mit den Radwegen schon allerlei Erfahrungen gesammelt habe, nehme ich zur Kenntnis, dass der 9er in beide Richtungen markiert ist. Generell ist das gut, aber es hat auch seine Tücken, wie ich bald feststellen muss. Die Karte des Zweckverbands rät, in Wolframs-Eschenbach einzusteigen, aber ich nähere mich der Route 9 über den Altmühlsee und Muhr am See. In Stadeln sehe ich zwar allerhand Täfelchen, nur nicht das 9er-Schildchen. Ein Blick auf die Karte sagt mir, dass ich erst einmal auf dem Radweg der B 13 entlangstrampeln muss. Auf der angenehmen Waldstrecke höre ich zwar das Rauschen des morgendlichen Straßenverkehrs, fühle mich aber dennoch in einer anderen, einer heilen und ruhigen Welt.

Als ich einen Moment nicht aufpasse, bin ich schon auf der „falschen Fährte“, der 9a, die auf der Karte alternativ als gestrichelt eingezeichnet ist. Im biblischen Sinne fühle ich mich nicht mehr „sicher geführet“. Aber schon wartet im Wald mein erster Einsatz als Schilderputzer. Es sollen an diesem Vormittag noch viele andere dazukommen. Die grünen länglichen Hinweisschilder und die quadratischen Nummerntäfelchen sind vielfach vermost und deshalb schlecht zu lesen. Manchmal komme ich mit meinen 1,72 gar nicht hoch genug, um auch die obersten Schildchen zu reinigen, aber vermutlich hat „die beste Ehefrau von allen“ doch recht, die mich stets auf 1,70 reduziert.

Ein Läufer im Wald

Wann wird einem Radler schon der Teppich ausgerollt? Hier in Gottes freier Natur komme ich in diesen Genuss. Tatsächlich: Auf dem Weg liegt quer ein Läufer, gar nicht einmal das hässlichste Stück von Webkunst. Aber wie kommt der hierher? Vielleicht ist er eine Hommage an die Rehe und Füchse, die hier einen ehrenvollen Auftritt haben sollen. Weil ich wegen des Wegverlaufs irritiert bin, kehre ich um und bin an der Heglauer Kreuzung froh, den 9er zu sehen. Wieder einmal habe ich die alte Regel missachtet, dass es im Zweifelsfall immer geradeaus geht, wenn es an der hilfreichen Markierung mangelt.

Genau so geht es an der Kläranlage vorbei nach Merkendorf, wo ich links den Kindergarten „Pusteblume“ liegen lasse. Ich lobe Bürgermeister Hans Popp und seine Mitstreiter, die im Außenbereich viele Rastplätze und Ruhebänke geschaffen haben. Im Stadtgebiet vermisse ich den 9er, dafür gibt es genügend andere Schildchen. Weil ich die Altstadt liebe, strample ich bis zum Oberen Tor hoch. Dort halte ich mich intuitiv nach rechts und werde durch einen Blick auf die Karte bestätigt.

Auf dem schönen Radweg nach Wolframs-Eschenbach begegnet mir die moderne Landtechnik in Gestalt von zwei Riesenschleppern mit noch mächtigeren Anhängern, die einem Lkw leicht Konkurrenz machen. Am Oberen Tor in der Wolframsstadt lädt mich ein Täfelchen zur „Lauschtour“ ein. Ich könnte mir also im Rathaus einen elektronischen Taschenguide ausleihen und damit durch das mittelalterliche Kleinod ziehen. Viele Touristen machen das gern, aber ich kenne das Städtchen gut genug, fast möchte ich sagen: „Ich bin auch ein Eschenbacher!“ – vor allem der Liebe zur weltbesten Tellersülze wegen. Den neuen Biergarten Gary lasse ich links liegen. Es ist noch zu früh für einen Frühschoppen, aber ich sehe, dass die Chefin schon die Bänke säubert für die Gäste, die mittags erwartet werden.

Der langsame Streifzug durch die Hauptstraße macht mich glücklich. Wie gesagt: es ist werktags, vormittags und der touristische Betrieb ist so gut wie vorüber. Ich erlebe das Flair eines liebevollen Landstädtchens, dessen Fachwerkanteil höher ist als andernorts. An diesem Vormittag wirkt es auf mich verschlafen, unheimlich stimmungsvoll. Als ich daheim „der besten Ehefrau von allen“ davon vorschwärme, quittiert sie das mit dem bemerkenswerten Satz: „Hier hat die Romantik noch ihren Platz“. Derzeit wird das frühere Lamms-Gasthaus (es ist seit langer Zeit nur mehr wohnlich genutzt) mit hohem denkmalpflegerischen Aufwand restauriert und fast direkt an der Stadtmauer wird ein neuer Wohnkomplex hochgezogen.

Der Putzer ist am Parkplatz „Drei Buchen“ gefragt. Dort haben die Schilder und Tafeln schon eine starke Patina angelegt. Aus Liebe zur Mönchswaldregion putze ich die Tafel der Altmühl-Mönchswald-Region blank und natürlich auch noch die anderen, die uns raten, auf die Wildtiere Rücksicht zu nehmen. Gottlob radle ich im kühlen Wald, da fällt es mir gar nicht auf, dass der neue Tag wieder sehr warm wird. Ich passiere das breite Nesselbachtal und erblicke das Franziskus-Kirchlein hoch über Stadeln. Am Parkplatz Forsthaus lasse ich die Tour ausklingen. Gern hätte ich dort meinen gesammelten Plastikmüll entsorgt, aber vor mir haben schon andere einen Abfallkorb vermisst. Die haben ihren Unrat an Ort und Stelle hinterlegt, ich aber entleere als selbsternannter Umweltapostel meinen Sammelmüll am nächsten Abfallkorb.

Keine Kommentare