Weißenburger war für "Clowns ohne Grenzen" im Iran

19.2.2017, 07:54 Uhr
Weißenburger war für

© Marianne Natalis

Von außen betrachtet ist der Iran eine sehr abgeschlossene Gesellschaft, die mit Fremden, zumal wenn sie aus dem Westen stammen, nicht allzu viel zu tun haben will. Ein Eindruck, der sich für Andreas Schock in keiner Weise bestätigte. Knapp zwei Wochen zeigten Andreas Schock, Susie Wimmer aus München und Monika Single aus Nürnberg ihre Show in Flüchtlingscamps, Schulen und Krankenhäusern im Iran. Ein Programm, das mit Akrobatik, Gestik und Mimik mehr sagt als tausend Worte, deshalb ganz ohne sie auskommt und in allen Teilen der Welt verständlich ist. Neben den Reaktionen der Kinder und Erwachsenen während des Auftritts waren es vor allem die vielen persönlichen Begegnungen, die den 40-Jährigen nachhaltig beeindruckt haben. Ein Fremder, so seine Erfahrung, wird mit offenen Armen und extrem gastfreundlich begrüßt. Bringt er doch ein Stückchen Welt ins eigene Wohnzimmer.

In den vergangenen Monaten haben Horrorclowns mit Motorsägen und anderem fürchterlichen Beiwerk für sehr negative Schlagzeilen gesorgt. Weit davon entfernt, Angst und Schrecken zu verbreiten, will die Organisation "Clowns ohne Grenzen" Kindern in Krisengebieten vielmehr zu ein paar Augenblicken unbeschwerter Freude verhelfen. "Bevor Ihr kamt, haben die Kinder Krieg gespielt. Jetzt spielen sie Clown." Diese Worte auf der Homepage des Vereins, ausgesprochen von einer Helferin in einem Flüchtlingslager in Jordanien, waren sicher allerhöchster Lohn für die Künstler, die ehrenamtlich dort aufgetreten sind, und bringt die Ziele des Vereins auf den Punkt.

"Clowns vor Ort" gegründet

Seit fünf Jahren ist Andreas Schock Mitglied bei "Clowns ohne Grenzen". Der gelernte Heilerziehungspfleger kam schon während seines anschließenden Studiums mit dem wunderbaren Metier in Berührung, seine Diplomarbeit befasste sich mit Humor für ältere Menschen. Er gründete 2015 den örtlichen Freundeskreis "Clowns vor Ort", dem auch die Gunzenhäuserin Katrin Federschmidt angehört.

Clown zu sein, dass ist für Schock weit mehr als nur ein bloßes Hobby, "es ist Berufung". Der Vater von drei Kindern unterrichtet an der Fachschule für Heilerziehungspflege in Ebenried und in der Altenpflegeschule auf der Weißenburger Wülzburg. Zwischen Job, Familie und der Musik – er spielt seit langem Gitarre in verschiedenen Bands und seit rund zwei Jahren bei "Sutcliffe" —, waren für ihn vor allem Auftritte in der Region machbar. Schließlich gibt es auch hier genügend Brennpunkte. So brachte er beispielsweise die Geflüchteten in der Erstaufnahmeeinrichtung Mackenmühle zum Lachen.

Dennoch, als Mitglied von "Clowns ohne Grenzen" liebäugelt Andreas Schock natürlich schon seit längerem mit einem Auslandseinsatz. Dass sich dieser Wunsch schon so schnell verwirklichen könnte, damit hatte er allerdings nicht gerechnet. Doch als im August die Anfrage kam und sowohl Arbeitgeber als auch Familie das Okay gaben, gab es kein Zögern.

Weißenburger war für

© Clowns ohne Grenzen

Eine Entscheidung, die jede Menge Vorarbeit notwendig machte. Eine solche Reise unternimmt man nicht spontan. Nicht nur die Show muss passen, vor allem auch die Regeln des Landes müssen eingehalten werden. Im Iran heißt das beispielsweise, dass die Frauen Kopftuch tragen müssen, Männer und Frauen sich in der Öffentlichkeit – und damit natürlich auch auf der Bühne – nicht berühren dürfen und keine nackte Haut gezeigt werden darf. Um unnötigen Fauxpas, wie etwa, dass beim Radschlagen aus Versehen doch der Bauch herausschaut, zu vermeiden, wird das Programm deshalb vor Reiseantritt von einem Vereinsmitglied abgenommen.

Der Name der Organisation ist für Andreas Schock doppeltes Programm: Es geht nicht nur um die Überwindung von Landesgrenzen, sondern auch um die eigenen Hemmschwellen. "Nur wenn ich offen auf die Menschen zugehe, kann ich auch die Tür aufmachen", weiß der gebürtige Gunzenhäuser. Diese Einstellung sowie ein respektvoller Umgang miteinander sollten die Bausteine der Begegnung zwischen Clown und Publikum sein.

Mit leuchtenden Augen erzählt Andreas Schock von seinen vielfältigen Eindrücken, von der anfänglichem Scheu und dem Staunen der Kinder, das lange vor dem Lachen kommt. Von den Handyfilmen, die sicher noch oft angesehen und noch Wochen später für bunte Glanzlichter im grauen Lageralltag sorgen werden. Er berichtet von knorrigen, verschlossenen Männern, die sich dem Charme ihres Auftritts ebenfalls nicht entziehen konnten. Von dem Auftritt in einer Moschee, wo Männer und Frauen, getrennt durch die Kinder in der Mitte, gebannt ihr Programm verfolgten und selbst Musik – die normalerweise in einem muslimischen Gotteshaus nichts verloren hat – kein Problem war.

Natürlich mussten die Auftritte von den zuständigen Stellen genehmigt werden, hier hat Susie Wimmer mit mehreren Reisen in den vergangenen fünf Jahren bereits wertvolle Vorarbeit geleistet. Das war es dann aber auch schon. Nervige Kontrollen oder bedrohliche Situationen mit der Obrigkeit gab es während der gesamten Reise nicht, sie konnten sich im Land frei bewegen, beziehungsweise wurden von freiwilligen Helfern gefahren. Bei der Einreise sollte man allerdings eine Adresse angeben. Ihre erste Anlaufstelle im Land war Reza, der sich seit Jahren für die Belange von Kindern und Völkerverständigung einsetzt. Sie besuchten auch eine private Gruppe Klinikclowns, die jeden Freitag (dem iranischen Sonntag) als Clowns in einer Teheraner Klinik auftreten. Klar traten die deutschen Kollegen ebenfalls in diesem Krankenhaus auf.

Filmemacher reiste mit

Begleitet wurden die deutschen Clowns von dem Filmemacher Walter Steffen aus Seeshaupt. Der Dokumentarfilmer hatte bereits vor einigen Jahren versucht, im Iran zu drehen, damals aber kein Journalistenvisum erhalten. Nun klappte alles reibungslos. Der Film über die Reise, die Begnungen mit den Flüchlingen und die Arbeit der "Clowns ohne Grenzen" wird auf jeden Fall in Weißenburg zu sehen sein, verspricht Andreas Schock, und bei diesem Anlass werden auch die drei Clowns ihr Programm zeigen.

16 Auftritte vor rund 2200 Zuschauern, ein Workshop für 40 Teilnehmer sowie ein ganzer Koffer voller unglaublicher Eindrücke ist Andreas Schocks Bilanz dieser Reise, die für ihn ein erster Höhepunkt seines Clown-Daseins war. Bewegende Momente gab es viele, bei einem aber sprang ein unbeschreiblicher Funke über: Als Mann musste Andreas Schock ganz besonders darauf achten, den Frauen und Mädchen nicht zu nahe zu treten. Berührungen sind absolut tabu. Nach einem Auftritt zogen sich die Clowns zum Umziehen in einen Büroraum zurück. Das Fenster war ruckzuck von Kindern umlagert. Nach und nach verstreuten die sich wieder, nur ein Mädchen blieb zurück, lehnte mit der Hand an der Scheibe, blickte aber in die andere Richtung. Ganz spontan legte Andreas Schock auf der anderen Seite der Scheibe seine Hand auf die des Mädchens. Als die Kleine das bemerkte, erschrak sie nicht, sondern blickte Schock einen Augenblick ruhig an, bevor sie den anderen Kindern hinterherlief. Ein berührender Moment – ohne jede Berührung.

Eine wichtige Pflichtübung war für die Reisegruppe der tägliche Blog. Er ist laut Schock nicht nur für die Außendarstellung von "Clowns ohne Grenzen" unabdingbar, sondern bietet auch die Möglichkeit der Reflexion, hilft dabei, den Tag mit allen Erlebnissen zu verarbeiten. Zu finden sind die täglichen Berichte aus dem Iran unter www.clownsohnegrenzen.blogspot.de.

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