"Wir kommen gut zurecht“

12.5.2015, 12:00 Uhr

© Leykamm

"Wir dürfen und wollen uns in Weißenburg nicht vor der humanitären Verantwortung drücken, sondern uns zu ihr bekennen,“ stellte dort gleich zu Beginn Oberbürgermeister Jürgen Schröppel vor rund 80 Besuchern klar. Eine eigene Zuständigkeit habe die Stadt allerdings in dieser Frage nicht. Vor Monaten bereits mietete nach Absprache mit der Regierung von Mittelfranken diese ein Gebäude am Richterfeld an. Just am Tag der Veranstaltung im Wildbadsaal war der Stadt dann ein Bauantrag bezüglich eines Hauses in der Nürnberger Straße in den Briefkasten geflattert. Allerdings nicht überraschend – Vorgespräche habe es da freilich schon gegeben, so der OB.

Insgesamt hätten im vergangenen Jahr knapp 203 000 Personen Asyl in Deutschland beantragt, führte seitens des Landratsamts der zuständige Sachbearbeiter Artur Berk aus. Zu Zeiten des Balkankonflikts in den 1990er-Jahren seien es aber auch schon mehr als doppelt so viele gewesen. Vor Jahren haben man einen Tiefstand im niederen fünfstelligen Bereich verbuchen können. Seither lassen die Kriege und Konflikte auf dem Globus die Zahl wieder nach oben tendieren.

In Mittelfranken fänden die Flüchtlinge zunächst in der zentralen Notaufnahmeeinrichtung in Zirndorf sowie deren Außenstellen Platz – etwa auch in der Mackenmühle bei Pleinfeld. Derzeit seien es 454 Personen, die in unserem Landkreis Hilfe und Schutz nach beschwerlicher Flucht suchen. Meist handle es sich um Familien, das Gros von ihnen stamme aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan.

Kritisches Nachhaken

Berks Amtskollege Sebastian Münch von der Abteilung kommunale und soziale Angelegenheiten des Landratsamts verwies darauf, dass die genannte Zahl gerade einmal 0,75 Prozent der in Bayern ankommenden Flüchtlinge bilde. Ziel sei es überdies, pro Regierungsbezirk eine zentrale Notaufnahmeeinrichtung zu installieren, sodass dezentrale Einrichtungen dann nicht mehr nötig seien. Von Zirndorf und den anderen Stellen würden die Hilfesuchenden an die Unterkünfte in den Landkreisen weitergeleitet, wovon es in unserem derzeit elf gibt.

Bei der vom Geschäftsführer der katholischen Erwachsenenbildung im hiesigen Dekanat, Andreas Weiß, moderierten Publikumsrunde gab es neben allgemeinen Fragen wie etwa dem Impfschutz (dessen Standardversion jedem ausnahmslos gewährt wird) nach den Referaten der drei Herren auch kritisches Nachhaken aus verschiedenen Richtungen.

Einem Besucher etwa stieß es auf, dass freiwillig zurückkehrende Flüchtlinge Beihilfen vom Staat erhalten. Das könnte einem „Asyltourismus“ Vorschub leisten, so der junge Mann, während ein Raunen den Saal durchzog. Seitens der Redner wurde hier auf die Entscheidungshoheit der Regierung verwiesen.
Auf Unmut stieß auch die bevorzugte Unterbringung in zentralen Unterkünften, was zwangsläufig zu Schwierigkeiten führen müsse, führte ein Herr unter Beifallsbekundungen aus. Bedenken, die aber zumindest in Bezug auf unseren Landkreis zerstreut werden konnten. In Weißenburg etwa entstünden innerhalb der Gebäude kleine Wohneinheiten, es werde „keine großen Schlafsäle“ geben, erklärte Schröppel.

Abgeschlossene Wohnbereiche gäbe es bereits im Heidenheim, wo ein vielbeachtetes Pilotprojekt der evangelischen Landeskirche den Weg in die Zukunft weisen könnte. Flüchtlingskinder bekommen hier deutsche Paten, die ihnen Sprachkenntnisse und Wertschätzung vermitteln.

Ghettos nur in den Köpfen

Anfängliche Befürchtungen der einheimischen Bevölkerung hätten sich nicht bewahrheitet, Spannungen gäbe es lediglich gelegentlich innerhalb der Asylbewerber-Gruppen. Wenn ein Vierteljahr zur Arbeitslosigkeit gezwungene Erwachsene zusammenlebten, gäbe es natürlich Reibereien, warb ein Besucher diesbezüglich um Verständnis.

Mit jenen die da sind, „kommen wir gut zurecht“, betonte Dekan Klaus Kuhn, der auch einräumte, dass es schwieriger werden würde, wenn noch weitere 50 Personen in Heidenheim hinzukämen. Ghettos aber gäbe es, wenn überhaupt, in den Köpfen. Und dort könnten sie durch Begegnung überwunden werden. Derzeit gäbe es im Rahmen des Projekts zahlreiche Begegnungsmöglichkeiten, die sich großer Resonanz erfreuten, erklärten Dekanin Annette Kuhn und Projektleiterin Gabriele Himmler einmütig.

Entschärft werden konnte bei der Veranstaltung auch die These von den in der Asylfrage angeblich „alleingelassenen Landkreise und Kommunen“ – sie hätten nämlich nur die personellen Mehraufwandskosten zu tragen und keine weiteren Belastungen. So sei ein Infoabend wie dieser gut, damit man „gewissen Parolen nicht widerspruchslos gegenüberstehe“, betonte Schröppel ergänzend.

In diesem Zusammenhang warnten auch die beiden Asylsozialarbeiter des Diakonischen Werks, Rainer Schröppel und Wolfgang Knapp, vor „gefährlichen Begriffen“ wie etwa „Flüchtlingswelle“. Das sei maßlos überzogen, schließlich würden die Krisenregionen seit Jahrzehnten 85 Prozent der Flüchtlinge selbst aufnehmen.

Die Veranstaltungsreihe wird am morgigen Dienstag, 12. Mai, im evangelischen Gemeindehaus fortgeführt, wo sich die auf der Wülzburg untergebrachten, unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge vorstellen. Am Montag, 18. Mai, soll sich dann um 19 Uhr ein Unterstützerkreis für Asylbewerber im Söller des Alten Rathauses bilden.

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