Gutachter hält Autobahnschützen für schuldfähig

11.9.2014, 16:59 Uhr
Wie gut schießt der Autobahnschütze wirklich? Die Verteidigung will das bei einer Schießübung klären.

© dpa Wie gut schießt der Autobahnschütze wirklich? Die Verteidigung will das bei einer Schießübung klären.

Ein Gerichtsgutachter hat den wegen Schüssen auf der Autobahn angeklagten Fernfahrer aus der Eifel als schuldfähig eingestuft. Der 58-Jährige habe eine schwierige, wechselvolle Biografie und einige problematische Persönlichkeitszüge, aber keine Persönlichkeitsstörung im diagnostischen Sinne, sagte der Psychiater Henning Saß am Donnerstag im Prozess vor dem Landgericht Würzburg. Auch eine psychische Erkrankung liege nicht vor. Der Mann sei zudem überlegt und planvoll vorgegangen und habe nicht im Affekt gehandelt.

Der Lastwagenfahrer aus der Eifel hatte zugegeben, über Jahre hinweg vom Steuer auf andere Lastwagen geschossen zu haben. Ihm wird unter anderem versuchter Mord in fünf Fällen vorgeworfen. Lediglich ein Freund des Angeklagten hatte etwas von dessen Taten geahnt.

Mit einer Einschätzung der Gefährlichkeit des Mannes für die Zeit nach einer erwarteten Haftstrafe tat Saß sich schwer. "Wenn es zu ungünstigen sozialen Bedingungen kommt, halte ich aufgrund der Persönlichkeit auch erneute Delinquenz für möglich", sagte er. Dass der Mann nach einer Gefängnisstrafe wegen Diebstahls in der DDR mehrere Jahrzehnte lang nicht straffällig geworden sei, spreche aber gegen eine hartnäckige Ausrichtung auf kriminelles Verhalten.

Gutachter: Schütze ist egozentrisch

Der Mann sei egozentrisch, habe eine gewisse Selbstgerechtigkeit und sei sehr kritisch gegenüber seiner Umwelt, sagte der Sachverständige. "Er ist in seinem Denken etwas eingeengt, etwas starr, und er hat die deutliche Meinung, sich von herrschenden Verhältnissen bedrängt und benachteiligt zu sehen." In seiner Jugend in der DDR habe sich ein Ressentiment gegen Staat und Gesellschaft entwickelt sowie die Einstellung, sehen zu müssen, dass man selbst zurecht kommt.

Seinen Frust über Ärger im Verkehr, als willkürlich empfundene Strafen der Polizei und Wut wegen Überfällen auf Rastplätzen habe er mit Schüssen abreagiert - der Fernfahrer hatte von Selbstjustiz gesprochen. "Durchaus bemerkenswert ist, wie intensiv das war, wie hartnäckig, ohne große erkennbare Skrupel oder Besorgtheit, dass etwas passieren könnte", sagte Saß.

Auf Ladung gezielt

Der Angeklagte beteuert, dass er nie jemanden verletzen wollte und stets auf die Ladung oder Aufbauten gezielt habe. Die Schießkünste des Fernfahrers wollen dessen Verteidiger nun an einem Simulator der Bundeswehr überprüfen lassen: Rechtsanwalt Guido Reitz stellte einen entsprechenden Beweisantrag. Am Bundeswehr-Standort im benachbarten Veitshöchheim sei ein Gerät vorhanden, an dem Schüsse auf Fahrzeuge in Bewegung simuliert werden könnten.

Die Staatsanwaltschaft begründet den Vorwurf des versuchten Mordes damit, dass der 58-Jährige Fehlschüsse und damit den möglichen Tod anderer billigend in Kauf genommen habe. Eine Entscheidung des Gerichts über den Antrag steht noch aus. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Noch ist unklar, wie lange das Verfahren dauern könnte - das Gericht hat Termine bis Ende Oktober angesetzt.

Der Artikel wurde am 11. September um 16.59 Uhr aktualisiert.

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