110 Jahre SPD: Die Flüchtlingsfrage stellt sich neu

22.11.2014, 09:00 Uhr
110 Jahre SPD: Die Flüchtlingsfrage stellt sich neu

© F.: Kern-Miereisz

In diesem Spannungsfeld und vor diesem Hintergrund feierte die SPD ihr 110-Jähriges Gründungsjubiläum, traditionsgemäß im Saal der Kastanie. Just in diesem Teil Herzogenaurachs, wo der Flüchtling Karl Prokop, später aktiv in der SPD, nach 1945 auf elf Quadratmetern am Rahmberg wohnen musste.

Dieser Teil der SPD-Geschichte sorgte auch für einen kritischen Akzent mit aktuellem Bezug des Historikers Gotthard Lohmaier. Der augenblickliche Flüchtlingskomplex sollte nicht nur auf den Schultern der engagierten SPDler Konrad Eitel und Rita Dankers lasten: „Ich vermisse die führende Rolle der SPD bei der gegenwärtigen Flüchtlingsproblematik“.

Akribisch und lebendig zeichnete der „nicht immer ganz linientreue“ (Selbstcharakterisierung) langjährige SPD-Stadtrat, nunmehr ausgeschieden aus dem Ratsgremium, die Geschichte seiner Partei auf lokaler Ebene nach. Material, das in gedruckter Form erhalten bleiben soll, wie Ortsvorsitzender Dieter Breyer in Aussicht stellte.

Gotthard Lohmaier erinnerte an die elenden Zustände der Schuster und Tuchmacher um 1904, rief die soziale Frage, die zur Geburt der Sozialdemokratie führte, ins Gedächtnis: „50 Stunden Wochenarbeitszeit, zehn Personen hausten in einem Raum.“

Die Nachkriegszeit mit katastrophaler Versorgungslage, Flüchtlingsstrom, Hunger und Wassermangel, meisterte SPD-Bürgermeister Hans Maier, der bis 1972 mit Stadtratsmehrheit regierte und mit der Ansiedlung von Schaeffler „weitsichtige Wirtschaftspolitik“ betrieb.

SPD-Kultur und lange Jahre Oppositionsarbeit im Stadtrat, Freibaderhalt und StUB-Forderung, Anti-Neonazi-Demos und die Debatten um Asylbewerber auf der Herzo Base nach Abzug der Amerikaner kennzeichneten hitzige Debatten der Folgejahre. Horst Reinecke, Peter Prokop, Konrad Eitel und seit 2003 Dieter Breyer lautet die Liste der Ortsvorsitzenden. Bis 1978 hatte die SPD nur die beiden Stadträtinnen Anna Herrmann und Elisabeth Engert in ihren Reihen. 2014 sind es nun fünf Frauen.

SPD-Politiker verschiedener Ebenen hatte Dieter Breyer willkommen geheißen: Bürgermeister German Hacker, seine Stellvertreterin Renate Schroff, Landtagsabgeordnete Alexandra Hiersemann, stellvertretenden Landrat Christian Pech, Fritz Müller und Jutta Ledertheil vom Kreisvorstand, Stadträte und ehemalige Ratsmitglieder. Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich stand im Stau.

Wort ergreifen

Ein Grußwort sprach Uschi Schmidt vom Ortsvorstand der Grünen und überreichte ein Tuch, bestickt mit einem Wort von Ferdinand Lassalle, Gründer des Deutschen Arbeitervereins, der als SPD-Vorläufer gilt. Es lautet: „Das Wort ergreifen heißt immer auch handeln“.

Die lange Reise der SPD in Deutschland, von der Revolution 1848, über die Zeiten von Wilhelm Liebknecht und August Bebel, durch die Jahre von Verfolgung und Ermordung der Genossen während der Nazi-Zeit zeichnete Heide Mattischeck nach.

Sie erinnerte an den Wiederaufbau mit Kurt Schumacher, die sozialistische Zwangsheirat zur SED bis hin zu Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“, an Gerhard Schröder und nunmehr die große Koalition mit Sigmar Gabriel. Als langjährige Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Erlangen rückte sie auch den Kampf um Frauenwahlrecht und Emanzipation in den Fokus und nannte die Namen der Vorkämpferinnen wie Sophie von Hatzfeldt, Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und Marie Juchacz.

Ihre Quintessenz aus dem historischen Abriss, der 2013 vorläufig endete: „Die Menschen werden uns nicht aus Dankbarkeit wählen, sondern für die Antworten, die wir geben können.“

Mit „roten Klassikern“ wie Hanns Eislers „Vorwärts und nicht vergessen“ oder Franz Josef Degenhardts „Freiheit, die sie meinen“ unterhielt Pianist und Sänger Martin Lauer die Versammlung .

Drei SPD-Mitglieder, die bei den üblichen Ehrungsterminen nicht dabei sein konnten, wurden am Ende für langjährige Mitgliedschaft ausgezeichnet. Hiltrud Hacker, die Mutter des Bürgermeisters und Angelika Kastl sind seit 25 Jahren SPD-Mitglieder. Georg Hiermann hält der Arbeiterpartei sogar seit 40 Jahren die Treue.

Keine Kommentare