Abwasser und Baukosten ums Herzogenauracher Schloss

30.11.2018, 12:00 Uhr
Abwasser und Baukosten ums Herzogenauracher Schloss

© Fotos: Eduard Weigert

Bei ihren Sondierungsgrabungen am und um das Schloss haben die Archäologen um Marco Goldhausen auch zusammen mit Irene Lederer und den städtischen Archivaren schon jetzt interessante Erkenntnisse über die Stadtgeschichte gewonnen. So interessante, dass nach dem Abriss des Rathaus-Trakts aus den 60er Jahren auf die Sondierungen noch eine Hauptuntersuchung folgen wird. Die Altertumsforscher wollen ihr Bild von der hochmittelalterlichen Herzogenauracher Burg und ihren Nachfolgebauten abrunden.

Vom zwölften Jahrhundert bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts war eine unscheinbare Rinne in Betrieb, die man eher zufällig beim Sondieren auf der westlichen Schloss-Terrasse freigelegt hat. Ein Abwasser- oder Regenwasser-Abflusskanal aus dem Inneren, der von einer Ringmauer geschützten Burganlage bis zur Stützmauer des westlichen Schlossgrabens führt.

Die Stützmauer ist heute zwar ein historisierendes Bauwerk aus der Neuzeit, steht aber nach Goldhausens Meinung an der Stelle, an der schon immer eine solche Stützmauer bestanden hat. Die Steine, die die Rinne begrenzen, sind mit gelblichem Kalkmörtel verbunden — ein typischer Baustoff des Hochmittelalters. Allerdings haben die Archäologen auch entdeckt, dass diese Rinne zugeschüttet wurde — und zwar mit modernen Materialien wie einem Kalksandstein. Sogar Plastik fand sich laut Goldhausen.

Schlussfolgerung: Die Rinne war offen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Die Verfüllung hängt somit wohl mit dem Bau des heutigen Sitzungssaal-Trakts zusammen, der bald abgerissen wird.

Ermittelt haben die Archäologen auch den historischen Horizont der Berne, so nennt man die Terrasse zwischen der Ringmauer und der äußeren Stützmauer, und das Niveau, auf dem der Fußboden im Innern des Befestigungsrings gelegen hat.

Abwasser und Baukosten ums Herzogenauracher Schloss

Reste der Ringmauer — eine doppelwandige, dazwischen verfüllte, Sandsteinmauer von 2,20 Metern Dicke — hat man über dem westlichen Schlossgraben auch freigelegt. Diese Reste, der verwendete, satt kalkhaltige, weiße Mörtel weist es aus, stammen wohl aus dem 15. Jahrhundert, also dem ausgehenden Mittelalter, meint Goldhausen. Damals wurde die Burg großzügig ausgebaut — unter anderem mit dem Palas, dem heutigen Südflügel des Schlosses und mit einer neuen Ringmauer. Goldhausen ist sich freilich sicher, dass diese Mauer auf dem noch erhaltenen Fundament ihrer hochmittelalterlichen Vorgängerin steht. Genau dies haben die Archäologen nämlich gegenüber, am östlichen Schlossgraben, schon gefunden.

Im Westen der Anlage soll freilich die Baustraße für die Arbeiten am Rathaus-Neubau angelegt werden. Deshalb muss, nach Dokumentation des Funds, der Kanal unter Geo-Vlies und Sand vorübergehend verschwinden.

Auch über die Brücke, deren Reste kürzlich am Steinweg zutage gefördert worden sind (wir haben berichtet), hat man überraschende Erkenntnisse. Diese allerdings nicht nur aus den Grabungen. Auch Irene Lederer, Leiterin des Stadtarchivs und des Museums, hat gegraben, nämlich in den städtischen Ratsprotokollen, die im Rathaus von heute bis zurück ins Jahr 1409 vollständig vorhanden sind.

Archäologe Marco Goldhausen hatte aus den Resten der Steinbrücke, vor allem aus der Beschaffenheit des Mörtels, geschlossen, dass die Brücke im frühen 17. Jahrhundert hätte erbaut werden müssen. Damals war Kalk teuer und deshalb kalkarmer Mörtel üblich.

Auftrag von 1728

Mit der Vorgabe "frühes 17. Jahrhundert" ging Irene Lederer an ihre historischen Akten. Und blätterte wahrscheinlich gut 100 Jahrgänge Sitzungsprotokoll durch, bis sie den entscheidenden Fund machte: Im April 1728 stimmte der Stadtrat einer Auftragsvergabe zu. Der Maurer Konrad Winkelmann sollte über den Schlossgraben eine Brücke aus Stein errichten.

Der Mann hatte ein erstaunlich preiswertes Angebot gemacht, vermutlich unter Spardruck. Lediglich 45 Goldgulden sollte der Bau die Stadt kosten, den Winkelmann laut Marco Goldhausen freilich auch reichlich überdimensioniert darstellte. Vier Bögen, die der Maurer angab, wären völlig unnötig gewesen, man kam mit zwei Bögen klar. Und die von Goldhausen aus den damaligen Maßeinheiten errechneten rund 70 Meter Länge des Bauwerks konnten auch nicht so stimmen.

Veralteter Mörtel

Gleichwohl baute Winkelmann diesen ersten steinernen Übergang — die Vorgänger-Brücken waren alle aus Holz — unter extremem Kostendruck und folglich mit Mörtel veralteter, aber billiger Zusammensetzung.

Auch an den Steinen hat der Maurer gespart. Er erhielt Genehmigung, sich aus dem Abbruchmaterial des damaligen Schloss-Umbaus zu bedienen. In der Barockisierung des Komplexes hatte man den Ostflügel und den Bergfried abgerissen, so Goldhausen. Der Brückenbauer transportierte Steine mit seinem Fuhrwerk an die Brückenbaustelle und verarbeitete sie, um Kosten zu sparen.

Beim Freilegen des noch stehenden Rests der alten Ringmauer vom Efeu-Bewuchs hat man die dritte Entdeckung gemacht, auf die Marco Goldhausen aufmerksam machen will. Das Bauwerk an der nordöstlichen Ecke — beim Bau des Sitzungssaal-Trakts wurde es gekappt — besteht aus zwei Sorten Sandstein: eine, grau und glatt behauen, ist unten und oben vermauert, dazwischen ein rötlicher Stein in Buckelquadern. Goldhausen sieht darin bewusste Gestaltung: "Bestimmt hat es ästhetische Überlegungen gegeben." Auf jeden Fall regen die Archäologen an, bei den künftigen touristischen Rundgang-Routen diese drei Fundorte am Schloss mit Hör-Info-Säulen zu versehen.

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