Alle Vögel sind schon da? Von wegen!

24.1.2017, 06:00 Uhr
Alle Vögel sind schon da? Von wegen!

© Röhrle

Vor allem Meisenarten schwächeln, zeigen die bisherigen Zahlen. Im Schnitt erfasste man heuer pro Garten in einer Stunde 34 anstatt wie bisher 42 Vögel – dem Mittel der Vorjahresaktionen. Ein Rückgang also von knapp 20 Prozent.

Alle Vögel sind schon da? Von wegen!

© Ingrid Jungfer

Liegt es daran, dass die Winterbestände mancher Vogelarten stark vom Zuzug aus dem kälteren Norden und Osten abhängen? Denn bis zum Beginn der Zählung herrschten relativ milde Temperaturen.

Oder war der nasskalte Frühling 2016 schuld, der der Meisenbrut und Waldvögeln geschadet hat? Auch Futtermangel in den Sommermonaten oder fehlende Bruthöhlen könnten es gewesen sein. Die Experten sind sich noch nicht einig.

Josef Röhrle und Christian Wosegien schon. Neben der Klimaveränderung sei es vor allem der Futtermangel. Noch vor zehn Jahren habe es deutlich mehr Insekten für Amseln, Sperlinge, Meisen gegeben. Grund seien die industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen anstatt klein gegliederter Felder, der Einsatz von Pestiziden, der Flächenfraß, sterile Gärten, die Lichtverschmutzung durch Straßenlaternen, an denen nachts viele Insekten sterben. Auch 50 Prozent der Nachtfalter sind bedroht.

Die Bienen bedrängt feuchte Witterung während der Obstblüte, auch eine späte Grünaussaat im Herbst, die sie nicht zur Winterruhe kommen lässt. Die Nahrungskette ist zusehends gestört, stellen beide Naturschützer fest. Insekten wie Bienen, die unverzichtbare Bestäuber von Obst- und Zierblüten sind, werden weniger. Die Nahrungssuche werde für die Vögel schwieriger, die Brut leide.

Mit der Kritik am zunehmenden Eingriff in die Lebensräume wolle man die Bevölkerung nicht reglementieren, versichern beide, eher sensibilisieren und den Respekt vor der Natur wieder stärken. Denn der Rückgang der Artenvielfalt geschieht schleichend. Werde er endlich bemerkt, sei es meist zu spät. Auch Wirtschaft und Industrie trügen dazu bei.

Wildkräuter im Getreide, Fütterung der Kühe wie früher? Keine Chance für die Landwirte, Markt und Dumpingpreise gäben die Richtung an. Dennoch, Wosegien und Röhrle sind sich sicher. Jeder könne einen kleinen Beitrag zur Kehrtwende leisten, selbst eigene Weichen stellen, sei es auf dem Acker, im Garten oder auf dem Balkon.

Dazu hat die NN bei Doris Erhardt von der Staudengärtnerei Erhardt nachgefragt. Für Balkonkästen gibt es viele einjährige Blühpflanzen, auch winterharte. Als Hecke und Fluchtort für Vögel bieten sich Buchs, Bambus, Eibe an. Blühhecken wie Kornelkirsche, Schlehen, Holunder, Weigelie bedienen mit Blüte wie Frucht Insekten und Vögel. Gleiches gilt im Sommer dann für den einfach blühenden Eibisch, für Mispel, Spirea und Schmetterlingsflieder.

Sicher als Rückzugsort für Vögel sind Wilder Wein, Kletterhortensien und -rosen, Efeu, den Insekten genügt auch ein Insektenhotel. Eine wichtige Rolle im Garten spielen zudem die Stauden. Im Frühjahr alles, was zum traditionellen Steingarten gehört – nicht jenem aus Kies. Also Hängearten und Polster bis Gemswurz und Wilder Akelei. Für die Sommerblüte empfiehlt Doris Erhardt Lavendel, Malven, Ehrenpreis. Ganz wichtig ist der haarige Wollziest, auch Eselsohr genannt. Er liefert den Vögeln für den Nestbau Material, Bienen holen sich ebenfalls von ihm Haare. Im Herbst gehören die Blüten von Schafgarbe, Astern, Sonnenhut zur Nahrung.

Übrigens: Das Insektensterben an Straßenlampen dürfte bald der Vergangenheit angehören. Nur alte, große Wärme abstrahlende Leuchtmittel töten die Insekten, bei den neuen kaltstrahlenden LED-Lampen ist das nicht der Fall, war von der Firma Neumüller zu erfahren. Und noch etwas Positives war schon Sommer 2016 am Flurweg nach Sauerheim zu entdecken: zwei blühende hoch stehende Wiesen, in denen sich unendlich viele Insekten, Bienen und auch Kleintier tummelten.

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