Alligators: Ein lachendes und ein weinendes Auge

3.4.2015, 16:32 Uhr
Alligators: Ein lachendes und ein weinendes Auge

© Foto: Ralf Rödel

So wirkte Präsident Axel Rogner sogar fast ein wenig erleichtert: "Jetzt müssen wir uns keine Gedanken machen, wir wären definitiv nur als Meister nach oben gegangen, sonst haben wir da auch nichts verloren“.

Sein Finanzvorstandskollege Christian Beßler haut in die gleiche Kerbe: "Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Das war eine fantastische Saison, und ich hätte die Mannschaft gerne als Meister gesehen. Aber die Oberliga wäre momentan möglicherweise eine Nummer zu groß für uns“.

Präzisiert wird das Ganze von Gerald Fischer, Geschäftsführer beim Sponsor medwork und Mitglied des HEC-Verwaltungsrats: "Es gibt eigentlich mehr Punkte, die gegen einen Aufstieg gesprochen hätten als dafür“. Er listet vier Aspekte auf: Sportlich wäre man großteils gewappnet gewesen, und auch die vorhandenen Probleme mit der Infrastruktur hätte man in den Griff bekommen können.

Doch schwerer wiegen für ihn die zwei "Sorgenkinder“: Nach dem angekündigten Rücktritt von Axel Rogner gebe es keinen Vorsitzenden und es sei auch keiner in Sicht – und in der Oberliga sei diese Aufgabe noch anspruchsvoller. Und dann schwebe auch noch das Damoklesschwert „Steuerprüfung“ über den Alligators. Daher sei kaum abzusehen, wie sich die Finanzen des Vereins entwickeln würden.

Ähnlich stellt sich die Lage in Lindau dar – und der EVL hat sich für den unpopulären Schritt entschieden, auf den Aufstieg zu verzichten. Vereinspräsident Marc Hindelang erklärt, warum: „Wir sind einfach noch nicht so weit. Uns fehlt der sportliche Unterbau, wir müssen beim Nachwuchs noch einiges tun, und unsere Infrastruktur, angefangen vom recht kleinen Stadion, ist noch nicht oberligatauglich“.

Dennoch sei es natürlich ein „schöner und überraschender Erfolg für uns“ gewesen, so Hindelang. Jetzt "Nein“ zum Aufstieg zu sagen, sei ein schwieriger Schritt, aber man habe auch eine Verpflichtung gegenüber dem Hauptverein und wolle sich nicht überheben.

Fraglich ist ob es heuer überhaupt einen Oberliga-Aufsteiger gibt, denn auch der Baden-Württembergmeister Eisbären Heilbronn hat ein Problem: Mit dem Stadtrivalen Falken Heilbronn gibt es schon einen DEL2-Verein, mit dem man sich die Halle teilen müsste – kaum zu realisieren.

Großes Lob hatte Hindelang, der als stellvertretender Eishockeyobmann des BEV gleichzeitig ein ranghoher Verbandsfunktionär ist, für beide Finalisten übrig: „Das sind zwei großartige Teams, die tolles Eishockey geboten haben und beste Werbung für unsere Sportart betrieben haben. Das Geplänkel am Rande halte ich für überbewertet. Ich habe sehr faire Spiele gesehen“. Den Pokal wollte der BEV-Mann aber nicht selbst überreichen und überließ diese Ehre Frank Butz, dem Obmann für Nordbayern.

Zur sportlichen Bewertung des Finales und der gesamten Serie gab es eigentlich kaum unterschiedliche Meinungen. HEC-Spielertrainer Daniel Jun, in den vergangenen Wochen oft verkrampft wirkend, hatte eine halbe Stunde nach Spielende seine Lockerheit schon wiedergefunden: "Das ist Play-off-Eishockey. Beide Mannschaften sind absolut auf Augenhöhe. Das war eine so enge Serie, da entscheiden am Ende Kleinigkeiten. Das Quäntchen Glück war auf Seiten von Lindau, ein Schuss hat alles entschieden“.

Aber er relativierte das Geschehen auch gleich wieder: "Es passiert auf der Welt so viel Schlimmes - wir reden hier über Sport. Wir brauchen ein paar Tage, dann geht es weiter“. Nach seinem letzten Match als Spielertrainer — 2015/16 wird er als Teammanager und Spieler tätig sein (wir berichteten) – bedankte er sich beim Höchstadter Publikum ("das war eine faszinierende Stimmung heute im Stadion“) und beim gesamten Umfeld: „Ich denke, jeder kann sehen, welche großen Schritte nach vorne der gesamte Verein in den vergangenen vier Jahren gemacht hat“.

Als Erster hatte Kapitän Daniel Sikorski die "Flucht“ angetreten. Während seine Mitspieler sich noch pflichtschuldig von den Fans feiern ließen, verschwand er bereits in der Kabine und ließ auch den Reporter stehen. „Jetzt noch nicht“, rief er im Vorbeilaufen, kam dann aber ebenfalls zurück aufs Eis und gab dann, mit einem Fläschchen Bier in der Hand, eine ähnlich Einschätzung ab wie sein Coach.

"So ist Eishockey: Wir hatten auch unsere Chancen auf den Sieg. Ich sage jetzt bewusst nicht: Der Bessere hat gewonnen. Als Kapitän bin ich trotz dieser Niederlage am Ende einfach nur stolz auf diese Mannschaft. Es war eine super Saison, trotz der vielen personellen Engpässe. Und ab dem Herbst geht es weiter!“, kündigt der wie Jun 37 Jahre alte Verteidiger kampflustig an.

HEC-Sportchef: Jörg Schobert war die Enttäuschung zwar anzusehen, aber auch er zog den Hut vor dem Gegner: "Wer uns drei Mal schlägt, hat es verdient, Meister zu werden. Auch wenn am Ende ein einziger Schuss den Ausschlag nach einer absolut ausgeglichenen Serie gegeben hat“.

Keine Kritik wollte er an Torhüter Philipp Schnierstein üben. Der habe eine "Riesen-Saison“ gespielt. In so einem Alles-oder-nichts-Spiel müsse eine Entscheidung fallen, und es sei schwer zu sehen gewesen, ob die Sicht auf den Puck frei oder dieser gar noch abgefälscht gewesen sei.

Komplett euphorisch waren natürlich die Lindauer. EVL-Kapitän Tobias Fuchs konnte es selbst nicht glauben: "Vor der Saison hat keiner mit uns gerechnet, nicht einmal wir selbst. Jetzt sind wir nach einer Serie auf Augenhöhe tatsächlich Meister – und jetzt wird kräftig gefeiert“.

Was habe den Ausschlag gegeben für den Titelgewinn? Im breitesten Bodensee-Alemannisch (oder Schwäbisch, da streiten sich die Gelehrten) sagt er grinsend: "Mr hennt oi Tor mehr gschosse“. Und dass ausgerechnet der Kapitän und Defensivspezialist selbst der Held war, machte das Grinsen noch breiter.

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