Als Herzogenaurach noch im Fußballhimmel weilte

9.5.2014, 17:10 Uhr
Als Herzogenaurach noch im Fußballhimmel weilte

© NN

Elke Sowa, seit 2000 Vorsitzende dieses inzwischen in den untersten Klassen angesiedelten Traditionsvereins (heuer steht der Abstieg aus der A-Klasse in die B-Klasse so gut wie fest), erinnert sich, wie sie als 16-Jährige am 5. Mai 1974 die Zitterpartie gegen den ESV Ingolstadt miterlebte, der am vorletzten Spieltag der Saison im Weihersbach bereits mit 2:0 führte, sich dann aber am Ende der dramatischen 90 Minuten mit 3:4 geschlagen geben musste.

Nach Bruno Kroningers Siegtor kurz vor dem Abpfiff brachen alle Dämme, da man nun vom Zweitplatzierten Wacker München nicht mehr verdrängt werden konnte. Obwohl noch ein Match bei Würzburg 04 zu absolvieren war, überreichte Bayernliga-Spielleiter Herbert Bär bereits den Meisterschaftswimpel. Danach fuhren Fans, Funktionäre und Spieler im Auto-Korso durch Herzogenaurach, um die Bevölkerung mit Hupen und Fahnen an dem außergewöhnlichen Ereignis teilhaben zu lassen.

Erfolg dank Sponsor adidas

Ohne die großartige Nachwuchs- und Aufbauarbeit des ASV Herzogenaurach schmälern zu wollen, muss man einräumen, dass erst die kräftige Hilfe der Firma adidas diese Erfolgsgeschichte des Vereins möglich machte. Der finanzielle und personelle Einstieg des „feindlichen“ Puma-Bruders beim Konkurrenten 1.FCH beschleunigte die engen Beziehungen zu Adi Dassler und dessen Schwiegersohn Alf Bente, weshalb kräftig auf dem Spielermarkt investiert wurde, um Talente, aber vor allem altgediente Profis aus Nürnberg bzw. Fürth ins Aurachstädtchen zu locken.

War dem Spielertrainer Joe Zenger der Aufstieg in die Landesliga 1968 noch weitgehend mithilfe einheimischer Kicker gelungen, so bildeten beim Einzug in die höchste Amateurliga Bayerns 1972 schon ehemalige Vertrags- bzw. Auswahlspieler wie Perras, Plischke, Paulus oder Schrettenbrunner das Korsett der ASV-Mannschaft.

Und im Bayernliga-Team der Saison 1973/74 finden sich bekannte Namen wie Paulick, Leupold, Stolle, Müller, Popp, Kroninger oder Perras, ergänzt von begabten Eigengewächsen, z. B. Franz Ertl, Hansi Peetz, Gerhard Welker, Heinz Güßregen und Horst Zink. Als wichtiges Bindeglied zwischen Verein und dem Unternehmen adidas fungierte Manager Herbert Haas, ein „Fußballverrückter“, der wie sein Pendant „Sepp“ Dittrich vom Herzogenauracher „Club“ viel Energie in diese Aufgabe steckte, sich dabei aber keineswegs nur Freunde machte.

Nicht unterschätzen – und darauf legen ASV-Urgesteine und Intimkenner wie Hans Heinrich Weber oder Willi Mehler besonderen Wert – sollte man den Anteil von Coach Manfred Vollath am Erfolg der damaligen Meisterelf. Der leider früh verstorbene Sportdozent der Universität Erlangen-Nürnberg habe die Gabe besessen, Jung und Alt zu faszinieren. Auch die Profis hätten seine natürliche Autorität und das Fachwissen akzeptiert, dazu das taktische Geschick, obwohl Herzogenaurach seine erste offizielle Trainerstation gewesen sei.

Ein Titel ohne Aufstieg

Weil der DFB ausgerechnet ab der Spielzeit 1974/75 die 2. Bundesliga einführen und deshalb umstrukturieren wollte, durfte der Erste der Bayernliga nicht aufsteigen, sondern sich nur an der Runde zur Deutschen Amateurmeisterschaft beteiligen. Sportlich natürlich eine herbe Enttäuschung, finanziell aber mit Sicherheit eine göttliche Fügung, denn bereits im Juni 1973 hatte die Generalversammlung des Vereins mit großen Sorgen die roten Zahlen zur Kenntnis nehmen müssen, die vor allem der Höhenflug des Bayernliga-Kaders mit sich brachte.

Nur überschaubare Beträge spülte der Kampf um die Deutsche Amateurmeisterschaft in die Vereinskasse, weil man schon im Viertelfinale am SSV Reutlingen scheiterte, nachdem noch in der ersten Runde der SV Leiwen, Meister von Rheinland-Pfalz, mit 1:0 bzw. 4:1 aus dem Rennen geworfen worden hatte.

Doch durfte sich der Allgemeine Sportverein rühmen, überregional auf sein fränkisches Städtchen aufmerksam gemacht zu haben, denn allein das Spiel gegen Leiwen im Trierer Moselstation verfolgten über 5000 Zuschauer, außerdem wurden die Begegnungen (auch gegen Reutlingen) im 2. Programm des Bayerischen Rundfunks und ausschnittsweise sogar in der Montagabendschau des Fernsehens übertragen.

Mehr als 7000 Fans drängten sich am 29. Juli 1974 auf dem Weihersbachgelände, um das von adidas arrangierte Freundschaftsspiel gegen den Deutschen Meister und Europacup-Sieger Bayern München zu erleben, der die Weltmeister Beckenbauer, Maier, Schwarzenbeck, Müller, Breitner und Hoeneß aufbot und sich trotzdem mit einem 2:2 gegen den hoch motivierten Bayernligisten zufrieden geben musste, wobei Welker und Paulus für den ASV ins Tor trafen.

Beim Festakt zum Gewinn des Meistertitels der Bayernliga im Herzogenauracher Rathaus, an dem auch der legendäre Altbundestrainer Sepp Herberger teilnahm, wurden Mannschaft und Trainer von Bürgermeister Hans Ort mit Bronze-Medaillen beschenkt.

Vereinsvorsitzender Waldemar Enders sprach damals die denkwürdigen Worte: „Durch diese Meisterehrung könne die Kapazität der Dankeserstattung nicht erschöpft sein.“ Er mahnte mehr Unterstützung an, weil man ja „den Namen (der Kommune) bis ins letzte Fußballdorf trage“.

Die Diskussion um die Frage, ob sich Herzogenaurach „Stadt des Sports“ nennen dürfe, wurde im Grunde schon damals eröffnet.

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