Angekommen mit so wenig Leid wie möglich

6.9.2018, 17:42 Uhr
Angekommen mit so wenig Leid wie möglich

© Foto: Petra Sticker

Die limitierten Startplätze werden aufgrund der hohen Nachfrage von 14 000 Meldungen im Frühjahr verlost. Volker Weisbach zog nach zwei vergeblichen Versuchen in den Vorjahren diesmal ein heißbegehrtes Ticket. Blasch hatte Glück und brauchte nur einen Anlauf.

Man hätte sich aber durchaus schöneres Wetter gewünscht als Kälte und Nieselregen auf der 238 Kilometer langen Strecke, gespickt mit vier steilen Alpenpässen. Einen Rundkurs mit 5500 Höhenmeter von der Gletscherwelt Sölden über das Tiroler Mittelgebirge bis in die Weinberge fahren die Radsportler und durchschreiten dabei drei Klimazonen – theoretisch, aber nicht an diesem Tag.

Für Weisbach und Blasch klingelte der Wecker um 4.15 Uhr. Schnell ein paar Semmeln mit Marmelade gefrühstückt und schon ging es ab in die morgendliche Kälte bei sechs Grad zum Einreihen im Startblock. Obwohl die beiden sich bereits eine Stunde vor dem offiziellen Start einreihten, standen sie einen halben Kilometer vom Startbogen entfernt. Zum Glück blieb zumindest beim Start der Regen aus.

Pünktlich setzte sich um 6.45 Uhr das Teilnehmerfeld in Richtung Ötz in Bewegung. Im Anstieg nach Kühtai musste erst mal im Massenstrom der Radfahrer jeder seinen eigenen Tritt finden. Der 18 Kilometer lange Anstieg mit maximaler Steigung von 18 Prozent half dabei, den Körper schnell auf Betriebstemperatur zu bringen. Die Strecke war komplett für den Autoverkehr gesperrt.

Für Volker Weisbach stand das Ziel "Ankommen mit so wenig Leid wie möglich" im Vordergrund. Ein Radsturz im Frühjahr kostete viele Trainingswochen, die Form war nicht gut. Jochen Blasch wusste aufgrund seiner Teilnahme 2011, was auf ihn zukommen würde und hatte sich daher gut vorbereitet.

Durch Innsbruck führte eine Polizeieskorte die Rennradler. Blasch konnte mit kurzem Zwischensprint auf eine 30 Mann große Gruppe aufschließen und somit kräfteschonend den Windschatten hinauf zum Brenner nutzen. Jedoch sorgte der einsetzende Nieselregen nicht nur von oben für Nässe, sondern von allen Richtungen durch das Hochspritzen der Hinterräder.

Dann, beim Aufstieg über den Jaufenpass, zeigte sich, wer seine Kräfte gut eingeteilt und sich ausreichend ernährt hatte. Denn 6000 Kalorien werden an so einem Tag problemlos verbrannt. Blasch hatte seine Verpflegungstaktik gut eingehalten und machte bergauf einige Plätze gut. Immerhin hatte der Regen kurz Pause, dafür erschwerte bergab Nebel mit Sichtweite von unter 50 Metern eine schnelle Abfahrt.

Als krönender Abschluss ist das Timmelsjoch mit 30 Kilometer Länge und einer maximalen Steigung von 14 Prozent zu bewältigen. Die Radler haben bis dahin bereits 185 Kilometer in den Beinen. Ermüdung ist zu diesem Zeitpunkt normal, doch mit Blick in die ausgezehrten Gesichter der anderen Teilnehmer sieht man bald, dass man nicht alleine ist. Blasch behielt seinen Tritt bei und schraubte sich Meter für Meter dem schneebedeckten Gipfel auf 2500 Meter Höhe entgegen.

Wie schon normal an diesem Tag, setzte der Regen mit starkem Gegenwind zur Talabfahrt nach Sölden wieder ein. Aber die Vorfreude auf warme, trockene Kleidung und der Stolz über die bezwungenen Alpenpässe mobilisierten die letzten Kräfte, sodass Jochen Blasch nach 8:18 Stunden glücklich von seiner Frau und Tochter im Ziel empfangen wurde.

Dies bedeutete einen tollen Gesamtplatz 148 von 3500 Finishern. Sieger Mathias Nothegger aus Bregenz benötigte 7:04 Stunden.

580 Starter gaben auf – Volker Weisbach hingegen trotzte dem Wetter. Aufgeben war für ihn keine Option. Nach 12:58 Stunden konnte auch er sich über den besiegten inneren Schweinehund und überstandene Strapazen feiern lassen.

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