"Bei der Flucht waren wir auf das Internet angewiesen"

3.12.2018, 16:02 Uhr

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Gerade in Deutschland wird zunehmend deutlich, wie wichtig die Netzwerke sind, besonders, wenn die Leute die Technologie gut benutzen können. Die Syrer waren schneller als andere Flüchtlinge, um für ihre Bedürfnisse entsprechende Seiten aufzubauen. Deshalb gibt es viele ähnliche Seiten, die beispielsweise "Syrer in Nürnberg", "Syrer in München" oder "Syrer in Berlin".

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Diese Seiten haben viele Mitglieder, die hier ihre vielfältigen Erfahrungen in Deutschland mitteilen. Leute, die Hilfe brauchen, können ihre Fragen posten. Ganz schnell kommen in der Regel viele nützliche Antworten. Natürlich gibt es auch spezialisierte Seiten zu Themen wie Heiraten, Familiennachzug, Ausbildung oder Seiten zum Deutsch lernen.

Claudia Lux aus Veitsbronn, seit Oktober 2015 ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe, sagt: "Neben den deutschen Seiten für Helfer und Flüchtlinge gibt es viele Gruppen und Facebook-Seiten, die auf Arabisch sind. Dort findet ein wichtiger Informationsaustausch über alle möglichen Alltagsfragen statt. Nicht nur Fragen zu Behördengängen, Sprachunterricht und Wohnungsvermittlung werden beantwortet, sondern auch Alltagsfragen zu den Inhaltsstoffen der Lebensmittel, Infos über Kindergarten, Sportvereine usw. Das erleichtert auch uns Helfern enorm die Arbeit.

Shaymaa Dzaric und eine Gruppe mit syrischen Flüchtlingen haben die Facebookgruppe "Das syrische Haus in Nürnberg" gegründet. Dzaric kam vor 16 Jahren nach Deutschland. Hier schreibt sie über ihre Motivation, eine Facebook-Gruppe zu gründen:

"Endlich angekommen nach einer Reise voller Gefahren und Strapazen kann man hier als Flüchtling nicht wirklich aufatmen. Man ist zwar da, aber die Zukunft bleibt ungewiss. Wo werde ich wohnen? Wie werde ich mich verständigen? Wo werde ich arbeiten? Wie kann ich meine Familie herbringen? Wie kann ich mich integrieren? Und das Wichtigste: Wo fange ich an?

Am Anfang haben wir versucht, Flyer mit den wichtigsten Informationen auf Arabisch in Flüchtlingsunterkünften zu verteilen. Uns wurde aber sehr schnell klar, dass es sehr viele Fragen gibt und viele Menschen, die Antworten suchen. Die Idee mit den sozialen Medien wie Facebook als Forum für Flüchtlingsfragen war damals nicht neu. Nur waren die meisten Antworten sehr allgemein, da jedes Bundesland ein anderes System für Flüchtlingsaufnahmen entwickelt hat.

Es war uns sehr schnell klar, dass wir in Franken etwas spezielles aufbauen müssen. Die Grundidee war, ein Schneeballsystem aufzubauen. Menschen, die länger in diesem Land leben, sollen versuchen, auf diese Fragen zu antworten und ihre Erfahrungen weiterzugeben und jeder, der davon profitiert, gibt diese Erfahrung weiter. Es hat geklappt und das war großartig. Am Anfang wurden allgemeine Fragen beantwortet, und kurz danach haben wir unsere Mitglieder beauftragt, Informationen über bestimmte Themen zu sammeln und als Video oder Post zu veröffentlichen. Die ersten Themen waren Mülltrennung, Schulsystem, Sprachkurse, Fahrkarten- und Bahnsystem usw. Sehr einfache Themen, aber wichtig zu wissen.

Das Interessanteste an unserer Gruppe ist, dass die meisten Helfer auch Flüchtlinge sind. Sie waren bereit, sich über bestimmte Themen zu informieren und diese Informationen weiterzugeben. Sie haben Ihre Arbeit sehr ernst genommen. Sie betrachten es als Pflicht, anderen zu helfen.

Die Facebookgruppe "Das syrische Haus in Nürnberg" ist inzwischen viel größer geworden und hat mehr als 13 000 Mitglieder. Wir müssen so gut wie nichts mehr tun, da die Fragen von Gruppenmitgliedern beantwortet werden. Es handelt sich auch nicht mehr um Syrer, die sich gegenseitig unterstützen, sondern auch um Menschen aus verschiedenen Nationen, die nach Orientierung suchen und dort fündig werden.

Syrer haben die Vorteile solcher Gruppen ganz schnell erkannt und als Kompass für Orientierung verwendet.

Es war eine der besten Erfahrungen meines Lebens, zu sehen, wie Menschen sich formieren, um sich gegenseitig zu unterstützen. Alles, was dafür notwendig war: eine Facebookgruppe gründen, und motivierte Helfer finden."

Erwähnenswert ist auch die Seite "Deutschlands erster Basar". Diese Seite hat Baschar Alhabbal gegründet. Er sagt: "Als ich nach Deutschland geflüchtet bin, hatte ich viele Probleme, deshalb habe ich 2015 diese Seite gegründet. Das Ziel war und ist, den Leuten so gut wie möglich zu helfen. Sie ist wie ein Gebrauchtwarenhof, allerdings in der virtuellen Welt. Zu dieser Seite gehören mehr als 176 000 Mitglieder. Ein Teil davon kann sehr gut deutsch und kann daher den anderen zum Beispiel bei Übersetzungen helfen. Andere wiederum können andere Fähigkeiten anbieten, die für das Einleben und die Integration wichtig sind.

"Auf der Flucht nach Deutschland waren wir auf viele Internet-Seiten angewiesen, um uns an unser Ziel zu führen", erzählt Mohammad Alabboud aus Syrien. "Einige Seiten warnten uns vor gefährlichen Personen oder Gebieten, die man meiden sollte. Andere Seiten gaben Tipps, wie wir sicher in Deutschland ankommen könnten. In Deutschland waren natürlich anderen Seiten wichtig. Am Anfang gab es einige Seiten, die beim Erlernen der Sprache und beim Kennenlernen der Kultur halfen. Danach entwickelten sich die Social Media-Seiten so, dass sie den Kauf und Verkauf von gebrauchten Gegenständen umfassten.

Ich habe persönlich eine Facebook-Seite gestartet, die sich um die Araber in Deutschland kümmert. Sie widmet sich Rechtsfällen, Integrationsfragen und familiären Problemen. Wir haben seit kurzem eine neue Art von Websites und Social Media-Seiten, die Dinge online verkaufen. Diese Dinge reichen von Lebensmitteln über Werkzeuge bis hin zu Geräten. Alle diese Seiten verwenden Arabisch als Sprache. Sie helfen sehr, die Neuankömmlinge in eine Gesellschaft wie Deutschland zu integrieren.

Immer wieder wurde betont: Die Leute, die die Seiten besuchen, möchten aber nicht nur auf Arabisch kommunizieren, sondern auch versuchen, die deutsche Sprache zu lernen.

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