"Das griechische Volk hat genug von der Sparpolitik"

26.1.2015, 17:37 Uhr

© Foto: Edgar Pfrogner

Herr Halkias, haben Sie am Sonntag auch für Syriza gestimmt?

Georgios Halkias: Ich habe nicht gewählt, denn in Griechenland gibt es keine Briefwahl. Früher konnte man in Konsulaten und Botschaften abstimmen, aber diese Möglichkeit existiert auch nicht mehr. Wenn ich in Griechenland leben würde, wäre ich besser informiert, dann hätte ich mir vorstellen können, für Syriza zu stimmen. Alexis Tsirpas (der Vorsitzende von Syriza, Anm. d. Red.) hat vielleicht etwas viel versprochen, aber ich finde viele seiner Ansätze richtig.

Was war ihre erste Reaktion auf den Wahlsieg von Syriza?

Halkias: Das war zu erwarten. Ich hatte in letzter Zeit viel Kontakt zu Freunden und Bekannten in Griechenland. Etwas überraschend ist nur, dass Syriza sogar fast die absolute Mehrheit erlangt hätte. Das griechische Volk wollte das, es ist müde und hat genug von der Sparpolitik.

Wird Griechenland jetzt die EU verlassen?

Halkias: Nein. Dieser Eindruck wurde im Vorfeld fälschlicherweise von einigen Politikern und Medien erweckt. Doch die Wahl bedeutet nur, dass Griechenland einen anderen Weg geht. Selbst Lagarde (die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Anm. d. Red.) hat ja schon angeboten, den Dialog wieder anzukurbeln. Das es zu einem Schuldenschnitt kommt, könnte ich mir jedoch vorstellen. Aber jeder Grieche weiß, dass Europa eine große Familie ist. Nur eine starke, gemeinschaftliche EU ist auch wettbewerbsfähig.

Wie wirkt sich die Sparpolitik auf den Alltag der Griechen aus?

Halkias: Das Geld reicht für viele Rentner, Angestellte und Arbeiter nicht mehr zum Leben. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 30 Prozent, in den Städten gibt es viele Obdachlose. Gleichzeitig hinterziehen viele Reiche immer noch Steuern. Und die vorherigen Regierungen haben es nicht geschafft, etwas daran zu ändern. Syriza will Korruption und Steuerhinterziehung bekämpfen.

Das haben andere Regierungen auch versprochen. Warum sind Sie zuversichtlich, dass es dieses Mal anders wird?

Halkias: Weil es neue, frische Leute sind, die noch nie vorher an der Regierung waren. Was man dazu sagen muss: Syriza sind keine Kommunisten, sondern eher Sozialdemokraten. Es muss also niemand fürchten, dass der Kommunismus zurückkommt.

Syriza geht eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei „Unabhängige Griechen“ ein. Ist das nicht widersinnig?

Halkias: Ich bin zumindest überzeugt, dass das eine stabile Koalition wird, beide sind strikt gegen die Sparpolitik. Inwieweit die „Unabhängigen Griechen“ tatsächlich Rechtspopulisten sind, kann ich schwer beurteilen. Die wenigen Reden, die ich bisher von Panos Kammenos (der Vorsitzende der „Unabhängigen Griechen“, Anm. d. Red.) gehört habe, klangen nicht so. Ich kenne allerdings nicht alle Reden, möchte meine Hand also nicht für ihn ins Feuer legen. Furchtbar ist, dass die Neo-Nazis von der „Goldenen Morgenröte“ drittstärkste Kraft geworden sind. Das sind die einzigen Bedenken, die ich nach dieser Wahl habe. Mit Samaras wird es zudem eine starke Opposition geben, die Regierung wird also einen Gegenpol haben.

Ist das der Beginn einer linken Renaissance in ganz Europa?

Halkias: Es gibt viele, die das behaupten, aber es muss nicht so kommen. Europa ist gespalten, vor allem im Norden denkt man, dass der Sieg von Syriza eine Katastrophe ist. Ich glaube aber, dass so wieder ein Gleichgewicht in Europa hergestellt wird. Natürlich ist es wichtig zu sparen, aber es darf nicht so hart sein. Die Griechen glauben,. dass an den falschen Stellen gespart wird. Wir erwarten nicht, dass uns alles geschenkt wird, wir wissen, dass man hart arbeiten muss. Aber unter der Sparpolitik haben die gelitten, die das sowieso schon tun, die Arbeiter, die Unter- und die Mittelschicht.

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