„Den Wandel aktiv gestalten“

29.11.2013, 17:28 Uhr
„Den Wandel aktiv gestalten“

© Edgar Pfrogner

Auch wenn sich an diesem Abend in erster Linie alles um den demografischen Wandel dreht — an einer Frage kommt der ehemalige SPD-Vorsitzende, Ex-Vizekanzler und frühere Minister für Arbeit und Soziales natürlich nicht vorbei.

Wie er denn den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD bewerte, den die Genossen um seinen Nachfolger Sigmar Gabriel ausgehandelt haben, lautet diese Frage. „Wenn man nicht dabei war und nicht alle Details kennt, dann hält man besser den Mund“, sagt Franz Müntefering und setzt ein typisches Franz-Müntefering-Lächeln auf.

Ob die Zustimmung der SPD-Basis gesichert ist? „Weiß ich nicht, ich kenne nicht alle 470000 Mitglieder persönlich“, antwortet Müntefering und grinst noch ein wenig breiter. „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“, sagt Müntefering diplomatisch und beendet das Thema mit einem Wittgenstein-Zitat.

Noch nicht im Abklingbecken

Deutlich kämpferischer gibt sich Franz Müntefering derzeit, wenn er über den demografischen Wandel sprechen soll, und darüber, welche Chancen und Herausforderungen daraus resultieren. Das ist eines seiner Kernthemen, seitdem er die Spitzenämter abgegeben hat.

In der vergangenen Legislaturperiode hat er in der SPD-Bundestagsfraktion dazu eine Arbeitsgruppe geleitet, und auch beim Jahresempfang des Landkreises hat er dieses Thema für seinen Gastvortrag gewählt. „Weniger, älter, bunter — wie ist die Zukunft zu bewältigen“ lautet der Titel und wer Müntefering reden hört, merkt schnell, dass der 73-Jährige noch lange nicht im politischen Abklingbecken angekommen ist.

Nachdem die Höchstadter Schülerband „Trouble X“ den Abend mit ein paar flotten Nummern eröffnet hat und Landrat Eberhard Irlinger einen Blick auf die jüngsten Erfolge, aber auch auf die künftigen Herausforderungen des Landkreises geworfen hat, redet sich Müntefering mit seinem bekannten sauerländischen Idiom schnell in Fahrt.

„Du musst das Leben nehmen, wie es ist, aber du darfst es nicht so lassen, wie es ist.“ Diesen Rat habe ihm mal ein 100-Jähriger bei einem Termin mit auf den Weg gegeben, erzählt der 73-Jährige, und der passe auch gut zum demografischen Wandel. „Es wird nicht alles perfekt sein“, gibt sich Müntefering realistisch, und dennoch lohne sich das Engagement jedes Einzelnen. „Wir können den Wandel aktiv gestalten“, ist er überzeugt.

Ob das nun in einer Partei, in einem Verein oder in der Firma geschehe, sei nicht so wichtig — die Hauptsache sei, dass sich bei den Menschen nicht die Haltung „Nach mir die Sintflut“ einstelle. „Wenn man nichts tut, geht das immer auf Kosten der Schwachen“, ist Müntefering überzeugt; zu Lasten der schwächeren Landkreise, der kleinen Betriebe, der ärmeren Haushalte.

„Aufeinander angewiesen“

Müntefering wirbt dafür, dass das Ehrenamt bei Bewerbungen wieder als Vor- und nicht als Nachteil angesehen wird. Er ist der festen Überzeugung, dass Pflegekräften eine höhere Wertschätzung entgegen gebracht werden muss — schließlich steige der Betreuungsbedarf bei einer alternden Gesellschaft. Und er fordert, dass Deutschland endlich ein echtes Einwanderungsland mit Willkommenskultur werden muss. Ohne Zuwanderung könne der derzeitige Standard nicht gehalten werden.

„Die Ereignisse vor Lampedusa sind ein Zeichen für den Explosionsstoff in der Welt“, meint Müntefering und betreibt bereits ein wenig Europawahlkampf. „Wir sind aufeinander angewiesen“, sagt er und verweist auf Deutschlands Exportüberschuss. Wer der Meinung sei, dass ein Staat sich in Zeiten der Globalisierung wieder abkapseln könne und alleine besser dastehe, der sei auf dem Holzweg.

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