Der zweite Anzug entwickelt sich zur Festgarderobe

21.12.2014, 17:22 Uhr
Der zweite Anzug entwickelt sich zur Festgarderobe

© Fotos: Roland Huber

Der zweite Anzug entwickelt sich zur Festgarderobe

Es ist bitter, was die zwei mittelfränkischen Klubs heuer in der 1. Regionalliga durchleiden müssen. Auf beiden Seiten fehlen seit Wochen (und zum Teil noch länger) reihenweise absolute Leistungsträger. Bei den Longhorns waren es bisher Monty Rogers, Peter Simon und Mike Kaiser. Seit Samstag muss bangen sie auch noch um Adrian Dlugosch, der von einer heftigen Grippe erwischt wurde.  Zudem fehlten Julian Patton, Karen Buniatian und Neuzugang Alexander Malinkovich beruflich bedingt, sodass inklusive Leon Ort aus der „Zweiten“ gerade noch acht Mann zur Verfügung standen.

Beim Gegner war es genau einer mehr. Auf der Verletztenliste stehen dort mit Spielertrainer Dean Jenko, US-Star David Cline (er wurde entgegen den Hoffnungen des Vereins nicht mehr rechtzeitig fit) und Centerriese Damian Dubienka drei Asse, dazu fiel Aufbauspieler Jan Niklas Müller kurzfristig krankheitsbedingt aus.

Also im Prinzip eine recht ausgeglichene Ausgangslage – doch was beide Mannschaften daraus machten, war schon sehr unterschiedlich. Während die Herzogenauracher ihr Herz in beide Hände nahmen und geradezu furios spielten, zerfleischten sich die Piranhas förmlich selbst.

Ihre Stars Goran Petrovic und Matthias Meinel standen in der Schlussphase nicht mehr auf dem Feld, weil sie sich auch wegen Meckereien fünf Fouls eingehandelt hatten. Nico Probst versuchte, mit viel Kampf dagegen zu halten, Michael Hertlein, der Jenko als Coach vertrat, fand ebenso erst spät in die Partie wie der aus der „Zweiten“ reaktivierte Zwei-Meter-Mann Manuel Imamovic.

Und Christian Imberi, vor zwei Wochen von den Longhorns zu den Piranhas gewechselt, war ebenfalls kein Faktor. Er hatte die Nacht vor der Partie mit einer Magen-Darm-Grippe zu kämpfen und kam erst kurz vor Schluss zu zwei Punkten durch Freiwürfe. Es gab sogar Pfiffe und Schmährufe gegen den „verlorenen Sohn".

Ganz anders sah es bei den Hausherren aus. Von Beginn an nutzte der zweite Anzug seine Chance. Benno Schüpferling, auch erst wieder seit kurzem von einer Verletzung genesen, versenkte gleich im ersten Viertel vier Dreier im Ansbacher Korb. Weil die Gäste nur unwillig verteidigten, war der 32:20-Stand nach zehn Minuten regelrecht rekordverdächtig.

TSH-Coach Angelos Plantzas: „Die Ansbacher waren noch nie eine Mannschaft, die besonders intensiv verteidigt, normalerweise aber clever in der Abwehr steht.“ Diese Tugend ließen die Bezirkshauptstädter am Samstag aber komplett vermissen. So viel Platz wie gegen sie bekommt man in der 1. Regionalliga sonst nie – und das nutzten die Longhorns mit Lust und Laune aus.

„Tag der offenen Tür“

Dass Ex-Profi Ryan DeMichael kaum zu stoppen ist, war zu erwarten. Aber dass eigentlich jeder Herzogenauracher (bis auf den vorsichtig, aber fehlerfrei agierenden Youngster Ort) nach Belieben punkten durfte, war angesichts der Brisanz der Partie nicht vorauszusehen gewesen.

Plantzas war daher auch doppelt glücklich: „Es ist toll zu sehen, wie unsere sonstigen Ersatzspieler alle ihre Chance genutzt haben. Das freut mich besonders. Und wir waren gut vorbereitet auf den Gegner – und fast alles, was wir uns vorgenommen hatten, haben wir auch umgesetzt.“

Sonderlob gab es für Schüpferling und Moritz Hüttel, die ebenso „mit viel Selbstbewusstsein“ ihre Würfe von außen genommen hätten wie Benny Aumeier energisch bis zum Korb gezogen sei. Doch letztlich sei der entscheidende Faktor gewesen, dass die TSH um die verbliebenen Routiniers DeMichael und Markus Person es geschafft habe, zu einer kompakten Einheit zu wachsen, „während die Ansbacher mit zunehmender Spielzeit „zerfallen sind“, so Plantzas.

Dabei waren sie nach dem 40:54Halbzeitstand durchaus noch einmal auf Schlagdistanz herangekommen. Schließlich ist das dritte Viertel fast schon traditionell die schwächste Phase im Longhorns-Spiel. Plötzlich stand es nur noch 59:53, doch selbst jetzt behielt das TSH-Rumpfteam die Nerven, erhöhte die Schlagzahl wieder und gewann sogar diesen Abschnitt mit 23:19.

Somit stand es vor den letzten zehn Minuten 77:59, und spätestens nach den Abgängen von Meinel und Petrovic war klar, dass nichts mehr anbrennen würde. Einziges Manko: Obwohl die 98 Punkte schon zwei Minuten vor Schluss auf der Anzeigetafel standen, fiel der „Hunderter“ nicht mehr – ein Schönheitsfehler, den die Fans ihren Longhorns gerne verziehen. Die gehen nun mit einem ordentlichen Polster in die Weihnachtspause – und hoffen, dass sich die personelle Lage danach ein wenig entspannt und es zumindest im Fall Dlugosch Entwarnung gibt.

In Ansbach (immer noch punktgleich) dürfte hingegen der Baum brennen. „Null-Bock-Mentalität“ und „charakterloser Auftritt“ waren einige der Vorwürfe, die aus dem Gästetross zu vernehmen waren.

Die heimischen Fans bewiesen übrigens ein gutes Gespür: Sie skandierten nach 40 höchst unterhaltsamen Minuten die Namen von „Freddy Simon“ und „Benno Schüpferling“ – vor allem dem Erstgenannten war ein solcher Auftritt zu gönnen. Seit vielen Jahren engagiert er sich vielfältig in der Abteilung und nimmt als Spieler meistens in Kauf, die Ersatzbank nicht zu verlassen. Nun hatte er seinen großen Tag, bescherte sich und seine Mannschaft auf der absolut ungewohnten Centerposition, wo sich der nur 1,88 Meter große Flügelspieler clever gegen die wuchtigen Ansbacher behauptete und sie mehrfach regelrecht vorführte.

Longhorns: Hüttel 8/2 Dreier, Person 12, Aumeier 11/1, F. Simon 11/1, Ort, Donhauser 9/1, Schüpferling 18/4, DeMichael 29/1.

Piranhas: Probst 12/1, Petrovic 18/4, Imberi 2, Heimann, Hertlein 8, Herrmann 3, Herbert 3, Meinel 20, Imamovic 7.

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