„Die Beine wollten nicht das tun, was der Kopf sagte“

15.8.2014, 16:27 Uhr
„Die Beine wollten nicht das tun, was der Kopf sagte“

Unter dem tosenden Beifall von 20 000 Zuschauern im Züricher Letzigrund-Stadion und einem großen Fanaufgebot aus der Heimat ging es flott, aber nicht zu flott los. Die Taktik lautete, sich im vorderen Drittel einzureihen und andere das Tempo machen zu lassen. Und auf dem ersten Kilometer, der in 2:55 Minuten beendet wurde, sah das alles noch sehr gut aus.

„Als dann vorne das Tempo erhöht wurde kamen plötzlich alle hinter mir vorbei“, so der etwas ratlose Athlet nach dem Rennen. „Ich wollte dann auch das Tempo erhöhen, aber es ging nicht, die Beine wollten nicht das tun, was der Kopf sagte“, sagte er später.

Und als er sich plötzlich am Ende des Feldes wiederfand wurde es auch vom Kopf her schwer. Vorne positionierten sich die Favoriten, und sein deutscher Teamkollege Steffen Uliczka versuchte so lange wie möglich Anschluss zu halten. Am Ende sprang für ihn Platz acht heraus in einer Zeit vom 8:32,99 Minuten – genau diese hatte Grau im Vorlauf vorgelegt, und Platz acht war auch das Optimalziel seines Trainers Markus Mönius.

Doch der Biengartener kämpfte den letzten Kilometer, um den Abstand nicht zu groß werden zu lassen und Mönius hat schon Athleten zu Hauf gesehen, die dann einfach ausgestiegen sind. Doch das ist nicht das Ding von Grau. Er wollte nun keinesfalls Letzter werden. So zeigte er allen im Stadion sein Kämpferherz. Auf der Zielgeraden schob er sich noch an dem Russen Nikolay Chavkin vorbei. Am Ende blieb die Uhr bei 8:44,46 Minuten stehen, aber das war an diesem Abend schon längst egal.

Vorne wähnte sich der Topfavorit Mahiedine Mekhissi-Benabbad als Sieger. Aber nach seiner respektlosen Aktion auf der Zielgeraden (er zog sein Trikot schon 100 Meter vor dem Ziel aus und rannte mit nacktem Oberkörper über die Linie) wurde er erst verwarnt und dann disqualifiziert. So wurde Yoann Kowal Europameister, der auch im Braunschweig knapp vor Grau lag und auf der Ehrenrunde direkt vor dem Fanblock des LSC Höchstadt seiner Freundin einen Heiratsantrag machte. Damit rückte am Ende Uliczka auf Platz sieben und Grau auf Platz 13 vor.

Wirklicher Frust kam nicht auf, denn auch wenn viele nach dem grandiosen Vorlauf vielleicht mehr erwartet hatten, die Teilnahme und das Erreichen des Finals waren bereits das Sahnehäubchen auf einer grandiosen Saison, und nicht nur sein Trainer weiß, dass diesem Athleten die Zukunft auf dieser Strecke in Deutschland gehört. Deshalb wurde im Anschluss auch kräftig mit seinen Fans im Stadion und dann später im deutschen Haus gefeiert. „Wir sind um 4 Uhr früh nach Hause gekommen – und am Ende war Martin auch wieder richtig gut drauf“, so Mönius.

Sportler und Trainer hatten allerdings lange versucht zu analysieren, warum der 22-Jährige plötzlich ein Tempo nicht mehr mitgehen konnte, dass ihm heuer sonst selten schwer gefallen war.

Vier Erklärungsversuche blieben übrig, aber die wirkliche Ursache haben sie noch nicht herausgefunden. Am einfachsten wäre es, wenn bei Grau tatsächlich nach einem Kratzen im Hals am Dienstag nun eine echte Erkrankung im Anflug wäre. Das würde erklären, wieso die Beine nicht mehr wollten. These zwei laut Mönius: „Vielleicht hat Martin emotional schon so viel investiert in den vergangenen Tagen, dass er nicht mehr in der Lage war, seine Topform abzurufen.“

Die beiden nächsten Theorien liegen dicht beieinander. So zogen die Höchstadter in Betracht, dass Grau zu diesem späten Saisonzeitpunkt, zwei so harte Rennen innerhalb von etwa 60 Stunden nicht wegstecken konnte oder dass er im Vorlauf zu viele „Körner“ verbraucht haben könnte. Jetzt fahren die beiden erst einmal in Urlaub – ohne echte Auflösung des Rätsels. /hp

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