Die Geschichte einer Beziehungskrise in 99 Sekunden

2.2.2017, 09:00 Uhr
Die Geschichte einer Beziehungskrise in 99 Sekunden

© Thomas Hahn

„Klappe, die erste!“ In einer Wohnung in Kalchreuth ist das Filmteam zusammengekommen. Eine Menge Arbeit liegt vor ihnen. Im Mittelpunkt steht Hauptdarstellerin Neele Leske. Die beiden Filmemacher konnten die 31-jährige studierte Theaterpädagogin, die Mitglied in der Nürnberger Improtheatergruppe „holterdiepolter!“ ist, für ihr Vorhaben gewinnen. Über zwölf Stunden wird es dauern, bis alle Szenen im Kasten sind. Kein Problem für Neele Leske. „Obwohl es ja ein ernster, emotionaler Film ist, hatten wir hinter den Kulissen sehr viel Spaß“, erzählt sie später. Ihr Mitspieler Ralf Altmann von der Studiobühne Erlangen hat eine wesentlich kleinere, dennoch aber auch wichtige Rolle.

„Ich habe von diesem Kurzfilmwettbewerb im vergangenen Jahr gehört, und heuer haben wir uns relativ spontan beworben“, erzählt Michael Wahl. Der 18-Jährige stammt aus Röttenbach und absolviert derzeit eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton. Der Erlanger Vinzenz Papic (19) besucht die Q12 des Albert-Schweizer-Gymnasiums. Sein großes Ziel: „Film studieren und irgendwann mal Regisseur sein.“ Dazu hatte er jetzt schon Gelegenheit. Denn wo Wahl eher für die Technik zuständig und als Kameramann im Einsatz ist, ist Papic der kreative Kopf.

Die Geschichte einer Beziehungskrise in 99 Sekunden

© Thomas Hahn

Das Konzept des „99 Fire Films Award“ fanden beide spannend, hatten sich in der Kunst des Filmens aber bisher noch nicht versucht. „Höchstens mal ein Musikvideo für Freunde“, sagt Wahl, „aber noch keinen Kurzfilm mit eigener Story und einem eigenen Ziel, was wir ausdrücken wollen.“ Nun also soll genau das entstehen. Das Thema des diesjährigen Wettbewerbs lautet „Da gibt’s doch was“, es sollen „kreative Lösungen für Alltagsprobleme“ gefunden werden.

Das Thema sagte Wahl und Papic zu. „Es ist ja sehr weit gefasst, wir hatten ein gutes Gefühl dabei und konnten damit was anfangen.“ Ihr Kurzfilm erzählt die Geschichte eines jungen Paares, dessen Liebe erkaltet ist. Ein heftiger Streit eröffnet den Film, er verlässt die Wohnung, sie bricht zusammen. Eine Freundin rät der Frau, sich im Internet Hilfe zu suchen. Dort lernt sie im Chat einen Mann kennen, der auf ihre Bedürfnisse eingeht, sie tröstet und versteht. Schließlich lässt sich die Frau auf ein Treffen ein, und wer erwartet sie? Ihr „alter“ Freund. Happy End? Das bleibt bei Wahl und Papic offen.

Weinglas als Sinnbild

In reduzierten Bildern mit vielen Nahaufnahmen erzählen sie ihre Geschichte, ein halb volles Weinglas, aus dem die Frau immer wieder trinkt, bis es leer ist, zieht sich wie ein roter Faden hindurch — ein symbolisches Sinnbild für die Beziehung? Text gibt es wenig, die beiden Filmemacher lassen eher Bilder sprechen. Besonders eindrücklich: Das Aufeinandertreffen der beiden am Ende, gefilmt in einer spannenden Rundumsicht, gibt keine Anhaltspunkte, wie es mit dem Paar weitergeht. Das Schlussbild zeigt ein halb leeres (oder halb volles?) Weinglas.

Die Geschichte einer Beziehungskrise in 99 Sekunden

© Thomas Hahn

„Wir haben bewusst mit vielen Metaphern gearbeitet, wir wollten eine tiefgründige Geschichte erzählen, die aber auch den Zeitgeist trifft“, sagt Michael Wahl. Abseits von Hollywood-Mainstream und Happy Ends sehen Wahl und Papic ihr Werk eher angelehnt an die altdeutschen und französischen Filme der 1960er/70er Jahre. Große Vorbilder sind zum Beispiel Rainer Werner Fassbinder („Martha“), Ingmar Bergmann („Das Siebente Siegel“) oder Jean-Luc Godard („Die Verachtung“).

Mit dem Ergebnis sind Wahl und Papic sehr zufrieden. „Dafür, dass es unser erstes größeres Projekt war, können wir, denke ich, schon stolz darauf sein“, sagt Papic. Lediglich die Zeit sei ein kleines Problem gewesen. „Wir haben so viel Material gedreht, dass wir locker einen längeren Film hätten machen können. Dadurch, dass wir uns auf 99 Sekunden beschränken mussten, ging leider die Ruhe in dem Film ein bisschen verloren.“ Doch die Erfahrung, den Spaß und das entspannte Arbeiten mit dem restlichen Filmteam, das die jungen Männer ausdrücklich loben, möchten beide nicht missen. Ob es für einen Sieg bei dem Wettbewerb reicht, ist Wahl und Papic nicht so wichtig. „Natürlich wäre gewinnen schön“, sagen die beiden und lachen. Schon ein Einzug in die Top 99 wäre toll. Letztlich sei es aber einfach schön gewesen, etwas zu erschaffen. Ihrem Wettbewerbsbeitrag haben Wahl und Papic den lateinischen Titel „Odi et amo“ („Ich hasse und ich liebe“) gegeben.

Wer sich den Film anschauen will: www.vimeo.com (suchen nach „Odi et amo 99ffa“); das Publikumsvoting des Kurzfilmwettbewerbs beginnt am 9. Februar: www.99fire-films.de; mehr Fotos von den Dreharbeiten gibt es hier.

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