Ein bisschen Nostalgie

19.7.2012, 09:30 Uhr
Ein bisschen Nostalgie

© Friedl Ulrich

Vielleicht hat es am tristen Wetter der letzten Tage gelegen. Vielleicht hat Niedersachens Wirtschafts- und Verkehrsminister Jörg Bode aus dem Fenster seines Büros gesehen, über seinen Urlaub nachgedacht und sich dann kräftig geärgert, dass er mit seinem Kind wieder nur in der teuren Hauptsaison verreisen kann, weil die Ferien in Niedersachsen früher beginnen als beispielsweise in Bayern.

Vielleicht hat es sich genau so abgespielt. Sicher ist jedenfalls, dass Bode in den letzten Tagen über die Sommerferien nachgedacht hat. Und weil er laut nachgedacht hat, wurden seine Gedanken zur Kritik an den süddeutschen Bundesländern, weil die sich bei der Terminierung der Sommerferien dem bundesweiten Rotationsverfahren verweigern.

Bayerns trockene Reaktion

„Das hat jetzt keine Priorität“, erwiderte Ludwig Unger trocken. Unger ist Sprecher von Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle und der Meinung, dass andere Themen im Schulbereich derzeit von größerer Bedeutung seien. Außerdem seien die Ferientermine bis 2016 bereits festgelegt und die Regelung nach wie vor richtig und wichtig, schließlich seien bayerische Schulkinder wichtige Erntehelfer, weshalb die Sommerferien möglichst spät angesetzt bleiben sollten.

„Wer behauptet denn heute noch so etwas?“, wundert sich Robert Ort. Ort ist selbst Landwirt und engagiert sich als Vorsitzender des Kreisverbandes Erlangen-Höchstadt beim Bayerischen Bauernverband. Er muss also wissen, ob Schulkinder bei der Ernte nach wie vor gebraucht werden. „Es kann schon sein, dass die Kinder in einzelnen Fällen, vor allem bei kleineren Betrieben, noch mithelfen, aber ansonsten sind das doch Erlebnisse aus den 50er Jahren“, sagt Ort.

Das lässt sich auch mit Zahlen belegen: 1950 arbeiteten in Bayern fast 1,4 Millionen Menschen in der Land- und Forstwirtschaft, heute sind es nur noch rund 180000. Die Zahl der Betriebe nimmt rasant ab.

Das Ende der Kartoffelferien

Die Zeiten, als Kinder noch reihenweise für die Heuernte rekrutiert wurden oder bei der Kartoffellese mithelfen mussten, sind längst vorbei. „Damals war die Technisierung noch nicht so ausgeprägt“, erklärt Ort, „inzwischen gibt es längst moderne Mähdrescher, geerntet wird meist innerhalb von wenigen Tagen“.

Natürlich gibt es auch in Bayern saisonal nach wie vor einen großen Bedarf an Erntehelfern, doch der speist sich zumeist aus Erwachsenen, die der schweren körperlichen Arbeit gewachsen sind; die Mehrzahl der Erntehelfer kommt heute aus Osteuropa, nicht von der Schulbank.

Franz Schmolke, Schulrat am Staatlichen Schulamt in Erlangen kann sich noch gut an seine Kindheit als Erntehelfer erinnern. „Zu meiner Zeit, wurden wir auf dem Feld noch gebraucht“, erzählt Schmolke, „damals hießen die Herbstferien auch noch Kartoffelferien“. Inzwischen hält aber auch er das Argument des Kultusministeriums nicht mehr für zeitgemäß: „Das ist ein bisschen Nostalgie.“

Ändern würde der Schulrat trotzdem nichts an der Regelung. „Ferien lassen sich nicht einfach am Kalender festmachen“, sagt Schmolke und glaubt, dass „ein immenser organisatorischer Aufwand“ nötig sei, um das gewohnte System zu verändern.

Tatsächlich würde bei einem Wechsel auf einen früheren Ferientermin das aktuelle Schuljahr deutlich kürzer werden, und auch die beliebten Pfingstferien stünden dann auf der Kippe. „Viel Spielraum bleibt da nicht“, meint der Schulrat.

Norbert Schell, Schulleiter des Gymnasiums Herzogenaurach sieht das gelassener: „Wenn sich der Termin nicht jedes Jahr verändert, sehe ich von der Verwaltung her kein Problem.“ Auch er hält das Erntehelfer-Argument für überholt und zeigt Verständnis für die Forderung anderer Bundesländer, die Regelung zu verändern. „Es ist schon so, dass sich Bayern hier das Sahnestückchen rausnimmt“, sagt Schell. Immerhin sei es die wärmste Zeit des Jahres und es gebe die Möglichkeit, im September günstiger zu verreisen. „Das sind aber auch die Gründe, warum ich nicht derjenige sein möchte, der eine Veränderung fordert“, schiebt er lachend hinterher.

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