Eine Frau im Männerberuf: Mit 24 Jahren schon Braumeisterin

23.4.2015, 06:00 Uhr
Eine Frau im Männerberuf: Mit 24 Jahren schon Braumeisterin

© Foto: Edgar Pfrogner

Viel Arbeit gehört schon immer zu ihrem Leben. Das kennt Irmgard Reif gar nicht anders. Selbst heute mit 74 Jahren ist es für sie selbstverständlich, dass sie da anpackt, wo es nötig ist.

Mitten im Dorf im Gasthaus „Zur Sonne“ mit Brauerei und Landwirtschaft ist sie groß geworden. Da musste sie von klein an mithelfen. „Ich war die Jüngste von drei Töchtern“, erzählt sie rückblickend. „Der Vater wollte, dass ich das Brauen lerne, da habe ich das halt gelernt.“ Nicht mit großer Begeisterung, doch damals Mitte der 50er Jahre habe man das nicht hinterfragt, sondern einfach das gemacht, was der Vater gesagt hat.

1955 beginnt sie daher nach dem Abschluss der Hauptschule eine Lehre als Brauer und Mälzer im elterlichen Betrieb. „In der Berufsschule in Höchstadt war ich das einzige Mädchen. Vormittags durfte ich mit den Jungen in der Nahrungsmittelklasse lernen, aber nachmittags musste ich in die Hauswirtschaftsklasse, bloß weil ich ein Mädchen war“, erinnert sie sich.

Ihre Ausbildung sei damals schon ungewöhnlich gewesen, „aber ich bin in der Klasse respektiert worden.“ 1958 macht sie ihre Gesellenprüfung. Unerwartet stirbt 1963 ihr Vater, Konrad Hausmann. Ohne Meister hätte der elterliche Betrieb mit Brauerei nur noch zwei Jahre weiter machen dürfen. Damit der Familienbetrieb weiterlaufen kann, muss Tochter Irmgard also zügig ihren Meister im Brauhandwerk ablegen.

„Ich hab dann 1965 die Meisterprüfung gemacht. Das war damals sehr selten.“ In jeder Zeitung sei ihr Name gestanden - und zwar weltweit, erinnert sie sich. Sie habe sogar einen Brief aus Amerika bekommen. Ein ehemaliger Lonnerstadter, der ausgewandert sei, hat von ihrem Meistertitel in der Zeitung gelesen und schreibt ihr daraufhin. Daneben erhält sie eine ganze Reihe von Bettelbriefen: „Die Leute haben wohl gedacht, wenn mein Name in der Zeitung steht, dann gibt es bei mir was zu holen.“

Das Jahr 1965 war ereignisreich: Die 24 Jahre alte Irmgard macht nicht nur ihren Meister, sondern sie übernimmt auch den elterlichen Betrieb mit Gasthaus, Brauerei und Landwirtschaft. „Da ist einem halt nichts anderes übrig geblieben“, sagt sie. Im gleichen Jahr heiratet sie Adolf Reif.

Einfach war es nicht

Ihr Mann habe sich um die Landwirtschaft gekümmert „und ich habe den Rest gemacht“ - sie versorgt ihre Familie mit den drei Töchtern, sie macht die Arbeit in der Gastwirtschaft und in der Brauerei. „Das war nicht einfach“, sagt sie knapp. In so einem kleinen Betrieb habe man fast alles mit der Hand gemacht. „Zum Beispiel Fässer heben, das war schon schwere Arbeit.“ Und sie macht kein Hehl draus: „Ich habe das nicht so gern gemacht, aber mit der Zeit gewöhnt man sich an alles.“ Bis 2003 braut Irmgard Reif alle paar Wochen ein Vollbier.

Einen Ruhetag, wie man ihn heute kennt, gibt es damals in der Gastwirtschaft nicht. Es wird jeden Tag das ganze Jahr über gearbeitet. Und früher seien die Leute häufiger auch bis spät in die Nacht in der Wirtschaft sitzen geblieben: „Bei Spieler-Sitzungen hat das schon mal bis 2 oder 3 Uhr früh gedauert“, so Irmgard Reif. Das sind kurze Nächte, denn früh geht die Arbeit gleich wieder weiter.

Doch einmal im Jahr wird die Wirtschaft zugesperrt. „Da haben wir mit den Kindern einen Ausflug gemacht. Da sind wir mal nach München gefahren oder ins Altmühltal.“ Daran kann sich ihre Tochter Petra Link noch gut erinnern, die schließlich 2003 den Familienbetrieb übernimmt.

Weil man modernisieren und viel hätte investieren müssen, wird dann die Brauerei aber geschlossen. „Es hätte sich nicht mehr rentiert“, sagt Irmgard Reif. Von der alten Braustätte ist heute nichts mehr übrig. Nur das Gebäude steht noch, wird als Lagerraum genutzt, und ihre Meisterurkunde hängt im Gastraum.

Das Gasthaus „Zur Sonne“, die einzige Wirtschaft im Ort, führt jetzt Petra Link. Und Irmgard Reif, mit ihren 74 Jahren noch äußerst fit und rüstig, sagt nach einem arbeitsreichen Leben: „Ich bin zufrieden. Ich helfe, wo ich kann.“

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