Eine Unternehmensreform auch in der Betriebskantine

5.6.2013, 16:45 Uhr
Eine Unternehmensreform auch in der Betriebskantine

© Hans von Draminski

Dem Betriebsrestaurant an der Puma Plaza, das auch an der Würzburger Straße eine Ausgabestation hat, wurde eine Radikalkur verpasst. Erfolgreich: Dem Betrieb wird demnächst das deutsche Bio-Siegel verliehen.

Ein noch besseres Zeichen für Erfolg: Seit die neue Puma-Küche 2011 aufmachte, hat sich die Nachfrage nach hauseigenem Mittagessen vervierfacht. Sonderveranstaltungen catert das neue Team gar zehn Mal so viele wie noch vor zwei Jahren.

Von den etwa 600 Menschen, die in den beiden Herzogenauracher Puma-Komplexen im Schnitt jeden Tag arbeiten, essen 550 in der Kantine — eine Traumquote. Die Leute haben Appetit auf die sämtlich frisch zubereiteten Gerichte, die zu 80 Prozent aus biologischer Produktion kommen, zu 100 Prozent aus Deutschland und — von Meeresfischen und den Gewürzen einmal abgesehen — fast alle aus Bayern.

Rindfleisch vom Fendsbacher Hof, einem Betrieb, in dem 90 schwerbehinderte Menschen beschäftigt sind, die 60 Rinder ohne pharmazeutische Masthilfen 36 Monate lang zur Schlachtreife mästen. Gemüse saisonal von der Familie Funk aus Fürth, Milchprodukte sämtlich als Bio-Ware, ausschließlich Gewürze aus biologischem Anbau. André Häfliger zählt dies zufrieden lächelnd auf.

Der 56-jährige Schweizer, gebürtig in St. Moritz, bezeichnet sich angesichts der Altersstruktur der Puma-Mitarbeiter zwar als „Alt-Senior“, in der Firmenküche hat er aber eine Revolution ausgelöst, seit die Eventmanagerin Simone Hoyer ihn 2011 bat, die Teilnehmer am Treff des Dubai Ferrari Club in Herzogenaurach zu bekochen.

Beide kannten sich aus Rückersdorf bei Lauf, wo der eidgenössisch diplomierte Küchenchef, Hotel-Fachschulabsolvent und gelernte Schlachter sich nach der Köche-üblichen Welttournee niedergelassen hat. Häfliger, schon mit 19 Jahren Mitglied der Schweizer Koch-Nationalmannschaft, 1976 Koch-Olympiasieger und Weltmeister, sah sich in der Firmenküche um — und war entsetzt.

Das meiste, was dort verarbeitet wurde, kam aus der Truhe, aus Eimern und Flaschen. Kurz entschlossen, erzählt Häfliger, besorgte er sich den Schlüssel zu Küche und Kühlräumen, kaufte sich die Waren für 180 Essensgäste bei Rewe und fing um 2 Uhr in der Nacht vor dem Treffen an zu kochen. Ergebnis:Franz Koch, der damalige Puma-Chef, bat ihn um eine Art Aufbau-Kurs für die Firmenküche, drei Monate lang. Denn, so die Junior Managerin in der PR-Abteilung Marlene Ringel, es schmeckte nicht wirklich toll, was man sich seinerzeit auch noch selbst auf den Teller laden musste.

Der Chefkoch blieb, auch als Franz Koch ging, und Häfligers kulinarische Unternehmensreform ist bis heute unumstritten. Mit personellen Veränderungen war sie freilich auch verbunden: Früher arbeiteten 22 Küchenkräfte in beiden Filialen der Kantine, heute sind es sechs weniger. In der Zentrale gibt es außer dem Chef noch zwei Köche, einen Lehrling, eine Küchenhilfe und Mario Ferreira an der Ausgabe, der jeden Teller noch mit einer charmanten Bemerkung zusätzlich würzt. Der Portugiese ist der einzige aus der alten Mannschaft, der, wie es André Häfliger ausdrückt, „geblieben ist und was lernen wollte“.

Dass trotz wesentlich teurer Rohwaren die Mitarbeiter ihr Essen nicht teurer kommt, haben sie sich selbst zu verdanken. Die Nachfrage hat sich vervierfacht, damit auch die Einnahmen. Und das Catering von Sonderveranstaltungen hält laut Häfliger den Zuschussbedarf aus der Firmenkasse in Grenzen.

Wenn die Rohstoffe teurer sind, muss man auch anders damit umgehen. Die Kantine bezieht Fleisch nicht zerlegt in Teilen, sondern — Beispiel Rinder — ganze geschlachtete Tiere, die in der Firmenküche genau nach Bedarf zerlegt und möglichst vollständig verwertet werden. Das gilt auch für Fische, die ausschließlich aus Zuchtbetrieben bzw. aus kontrollierter Fischerei stammen. Dass bei solcher Arbeitsweise nicht um 10, sondern schon morgens ab 5 Uhr geliefert werden muss, das haben die Lieferanten auch erst lernen müssen. Und mindestens Gemüse muss täglich frisch kommen, so Häfliger.

Schritt für Schritt will der Küchenchef seinen Betrieb vollständig auf Bio-Produkte umstellen. Kartoffeln z.B. sind dabei ein Problem: Mengen wie man bei Puma braucht, sind noch nicht als Bio-Ware zu bekommen.

Der Prozess ist auch für den Küchenchef spannend. Viel hat er selbst gelernt: Dass man von Bio-Gewürzen viel weniger braucht als die Köche-Faustregeln sagen, dass man über den Einkauf und die Speisekarten-Gestaltung gründlich nachdenken muss. Insofern ist der Weg von Gourmettempeln wie der Casa Veglia in St. Moritz, wo er gelernt hat, in eine Betriebskantine für Häfliger kein Abstieg: „Ich rate jedem Kollegen, das mal zu machen.“

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