"Eine warme Wolldecke habe ich immer im Auto dabei"

19.12.2014, 10:01 Uhr

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Auf welchen Straßen fahren Sie im Winter am liebsten?

Siggi Nürnberger: Auf geschlossener Schneedecke.

Wieso das?

Nürnberger: Da weiß man, was man vor sich hat. Und auf Schnee hat man zumindest ein bisschen Halt, das ist besser, als wenn Sie im Dunkeln fahren und nicht recht wissen: Ist die Straße trocken, nass oder sogar eisglatt?

Was macht man in so einem Fall? Einfach mal ausprobieren?

Nürnberger: Nein. Fangen wir ganz von vorne an. Was Sie beim Autofahren gerade im Winter mitbringen müssen, ist: Zeit und Ruhe. Wenn Sie hektisch ins Auto steigen, ist die Gefahr schon da.

Aber manchmal hat man es halt eilig.

Nürnberger: Wenn es ums Autofahren geht, ist das gefährlich.

Die Kinder müssen pünktlich zur Schule gebracht werden, die Arbeit ruft. Was soll man da machen?

Nürnberger: Sie müssen in der Frühe immer mehr Zeit einplanen als im Sommer. Man muss oft mehr mitnehmen, mehr anziehen, und dann ist auch noch das Auto vereist.

Ich kann doch das Auto warmlaufen lassen, während ich schnell ein kleines Sichtfenster in die Windschutzscheibe kratze.

Nürnberger: Nein, beides ist verboten. Das Auto warmlaufen zu lassen, ist ökologisch schädlich und bringt auch nichts. Außerdem ist es bußgeldbewährt. Beim Fahren heizen sich Motor und Innenraum viel schneller auf. Und was die Sicht betrifft: Sie müssen Rundumsicht haben. Und das Auto muss schnee- und eisfrei sein; dann ersparen Sie sich auch ein Bußgeld.

Dann fährt man los und ärgert sich, weil der Vordermann oder die Vorderfrau trotz eines nur leichten Raureifs auf den Feldern viel zu langsam fährt.

Nürnberger: Es gibt keine absolut richtige Geschwindigkeit. Es kommt natürlich auf die erlaubte Geschwindigkeit an, aber auch auf das Fahrkönnen, die Wetterlage, die Verkehrsdichte. Vieles spielt da mit. Natürlich sollte man kein Verkehrshindernis sein, doch wie ist das konkret zu bewerten? Was Sie mitbringen müssen, ist auch hier Ruhe und Geduld. Das Wichtigste ist, gesund ans Ziel zu kommen. Das gilt übrigens nicht nur für winterliche Straßen. Beispiel Wildwechsel: Entsprechende Schilder werden nicht umsonst aufgestellt. Da macht es durchaus Sinn, langsamer als erlaubt zu fahren. Ich hatte zum Glück noch keinen Wildunfall, aber mir sind schon Rehe vors Auto gesprungen. Es ist nichts passiert, vielleicht deshalb, weil ich nachts auf Straßen im Wald das Tempo reduziere.

Apropos Verkehrsschilder: Ein Gericht hat kürzlich bestätigt, dass ein Mann Strafe zahlen muss, der eine Tempobeschränkung missachtet hat, weil darunter ein Zusatzschild mit einer Schneeflocke angebracht war. Da die Fahrbahn trocken war, glaubte er, das Schild missachten zu dürfen.

Nürnberger: Das ist natürlich eine knifflige Sache. Das Gericht hat jetzt bestätigt, dass das Flockenschild nur als zusätzliche Warnung gedacht ist, das Tempolimit aber immer gilt. Andererseits gibt es Tempobeschränkung mit Zusatzschild „Bei Nässe“. Das gilt dann wirklich nur bei Nässe. Etwas diffizil ist das schon. Aber unabhängig davon: Wir Autofahrer müssen schon selbst die Lage einschätzen. Und im Winter heißt das in der Regel: lieber etwas langsamer.

Wie lautet noch einmal die Abstandsregel?

Nürnberger: Die Faustformel lautet: halber Tacho. Und bei Schnee- und Eisglätte: halber Tacho, aber mindestens 50 Meter. Ganz allgemein: immer auf Sicht fahren mit angepasster Geschwindigkeit.

Oft sieht man Autofahrer, die mit der einen Hand lenken und mit der anderen verzweifelt versuchen, die Scheibe innen freizukriegen.

Nürnberger: Ich empfehle jedem, ein Anti-Beschlag-Tuch griffbereit im Auto zu haben. Denn die Feuchtigkeit im Auto kann in den Anfangsminuten einer Fahrt wirklich gefährlich sein. Die Heizungsluft sollte man erst nach oben zur Scheibe hochdrehen, wenn es warm rauskommt. Und eine warme Wolldecke habe ich immer im Auto dabei.

Eine warme Wolldecke?

Nürnberger: Ja, meine Tochter stand mal auf der A 3 kurz vor der Ausfahrt viereinhalb Stunden im Stau. Da freut man sich über eine Wolldecke, wenn man den Motor nicht dauernd laufen lassen will.

Oder kann.

Nürnberger: Ja, das ist auch ein wichtiger Rat: Im Winter nie bis auf Reserve runterfahren. Regelmäßig auch das Scheibenwischwasser überprüfen. Ist genug Frostschutz drin? Wenn die Wischanlage einfriert, geht nichts mehr. Und weil sie bei einem Auffahrunfall vielleicht nicht mehr den Kofferraum öffnen können: die verpflichtende Warnweste im Fahrgastraum verstauen.

Wenn nun Schnee und Eiseskälte doch noch bei uns einziehen: Heißt das, dass dann die Unfallzahlen wieder nach oben gehen.

Nürnberger: Am Anfang bestimmt. Aber die Erfahrung zeigt, dass sich die Verkehrsteilnehmer nach einer Weile an die Winterbedingungen gewöhnt haben und aufmerksamer sind. Und auch die Streudienste in einen guten Rhythmus kommen. Aber Vorsicht: Auf Hauptstrecken ist gestreut — aber oft nicht auf Nebenstraßen. Gerade bei uns im Landkreis mit den vielen Teichen und der Feuchtigkeit tritt Straßenglätte oft an Stellen auf, wo man sie nicht erwartet.

Was für die Autofahrer gilt — gilt das auch für Radfahrer und Fußgänger?

Nürnberger: Unbedingt. Für Radfahrer gilt sogar: Wenn die Straßenverhältnisse unsicher werden, lieber absteigen und auf dem Gehsteig schieben. Dafür sorgen, dass das Licht funktioniert, und bitte reflektierende Kleidung tragen. Und im Sommer wie im Winter den Helm aufsetzen.

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