"Eintracht": Stein auf Stein gegen Wohnungsnot

19.8.2018, 14:27 Uhr

© Fotos: Manfred Welker

Für die steigende Zahl der Fabrikarbeiter wurde die Wohnungssuche zum unlösbaren Problem. Aus dem Umfeld des katholischen Arbeitervereins gründeten 15 Genossen 1918 die Baugenossenschaft "Eintracht". In Herzogenaurach lebten bereits 1920 über 3500 Menschen.

Im gleichen Jahr konnten in der Eichelmühlgasse sechs Wohnungen bezogen werden. Im Jahr darauf wurde der zweite Wohnblock mit sechs Dreizimmerwohnungen fertiggestellt. Jede Wohnung war mit Herd, Ofen und Spülnische ausgestattet. Auf Wunsch der Mitglieder wurde für jede Einheit auch ein Stall für Kleintiere wie Schweine, Ziegen und Gänse erstellt.

Dann stoppte die Inflation weitere Bauaktivitäten. Auf größeren Widerstand stieß die Stadtverwaltung, wenn leer stehende Räume an Wohnungssuchende zwangsvermittelt wurden. Im Jahre 1925 waren 80 Prozent der Arbeiter in der Stadt arbeitslos.

© Fotos: Manfred Welker

Den Bau neuer Häuser ermöglichten allein der Sparwille der Mitglieder und neue Staatsbaudarlehen. So wurden 1926 und 1927 zwei Vierfamilienhäuser in der Kellergasse errichtet. Außerdem zwei Einfamilienhäuser an der Klummgasse.

Doch damit nicht genug: Als nächstes Bauvorhaben folgte 1932 ein Sechsfamilienhaus in der Erlanger Straße 20. Dieses Haus wurde auch mit Wasserleitung und WC versehen. Verteilt auf die nächsten Jahre entstanden in der Kellergasse sechs Einfamilienhäuser.

Unterkünfte für Offiziere

Der Bau eines Fliegerhorstes (jetzt: Herzo Base) brachte einen neuen Schub für die Wohnungsnot. Als Ergebnisse entstanden 1936/37 die Anwesen der Hans-Sachs-Siedlung für Offiziere und in der Pirckheimer Straße für Unteroffiziere. Damals noch als "Berthold-Siedlung" bezeichnet. Vom Stadtrat wurde beschlossen, dass die "Eintracht" 1936 fünf Häuser mit 14 Wohnungen als Träger übernimmt. Die acht Wohnungen für Unteroffiziere sollten sich in sechs Wohnungen aufteilen.

Insgesamt entstanden sieben Häuser mit 22 Wohnungen. Sie waren mit Bad, WC, elektrischer Heizung und teilweise mit Etagenheizung ausgestattet. Die Mietpreise betrugen 34 bis 82 Mark pro Monat.

Ein weiteres großes Projekt war die "Reichsheimstättensiedlung" am Weihersbach. Die Genehmigung für zunächst 22 Wohneinheiten erfolgte zuerst für "Gefolgschaftsmitglieder der Automaten und Apparatefabrik Haas Herzogenaurach". Die letzten 40 dieser durch die "Eintracht" gebauten Wohnungen in zehn Doppelhäusern konnten nach Kriegsbeginn zum 1. November 1939 bezogen werden.

Während des 2. Weltkrieges wurden praktisch keine "Eintracht"-Wohnungen gebaut. Ausnahme: 1942 in der Kellergasse 23 ein Musterwohnungsbau für kinderreiche Familien. Allerdings erwarben die "Eintracht"-Oberen noch 1944 ein Gelände in der Edergasse, am Kindergarten. Dort wurden aber nur sechs Behelfsheime errichtet.

Nach dem Einmarsch der US-Truppen mussten 1945 insgesamt 47 Wohnungen an die Besatzungsmacht abgegeben werden. Die 96 Mietparteien aus den beschlagnahmten Wohnungen konnten in Baracken, Behelfsräumen oder bei Verwandten unterkommen.

Die Stadt hatte inzwischen 5770 Einwohner, 247 Haushaltungen waren ohne Wohnungen. Die "Eintracht" plante neue Wohnungen auf zwei Grundstücken in der Kellergasse. Zusätzlich gab es Baugesuche für zwei Grundstücke an der Straße "Zum Flughafen".

Die Währungsreform brachte einen finanziellen Rückschlag beim angesparten Kapital. Dennoch wurde 1948 ein Sechsfamilienhaus in der Kellergasse fertig gestellt. 1948 feierte die Baugenossenschaft 30-jähriges Bestehen. Ihre Bilanz: In diesen schwierigen Jahren wurden 51 Häuser mit 114 Wohnungen erstellt. Unter den Herzogenauracher Neubürgern waren viele Heimatvertriebene aus dem Osten. 1950 hatte die Stadt 7242 Einwohner.

Hilfe für Schaeffler-Mitarbeiter

In den 1950er Jahren betätigte sich die Baugenossenschaft nicht nur als Bauherr, sondern auch als Bauträger. An der Edergasse wurden Eigenheime erstellt, ebenso an den Heubecks- und Stubenrauchsäckern. Als erstes entstanden 1951 die Doppelhäuser an der Veit-Stoß-Straße.

Auch die Firma Schaeffler ließ für ihre Mitarbeiter mit Hilfe der "Eintracht" Wohnhäuser errichten. 1952 wurden drei Eingenheime an der Hans-Sachs-Straße erbaut, außerdem Mehrfamilienhäuser an der Peter-Vischer-Straße.

Das Besondere für Mieter in der Adam-Krafft-, Peter-Vischer- und Veit-Stoß-Straße waren die großzügigen Gartenflächen zwischen den Häusern. "Das war eine herrliche Gartenanlage", erinnert sich Adam Kern, der 1964 in eine der Wohnungen einzog.

Obwohl seit Kriegsende 1050 Wohnungen in der Stadt gebaut wurden, waren beim städtischen Wohnungsamt noch rund 800 Bewerber registriert (Stand: 1959).

Außerdem wurden in diesen Jahren immer mehr Gastarbeiter angeworben: Griechen, Jugoslawen, Italiener und Portugiesen. Für sie wurden von Schaeffler in 15 Jahren 800 Werkswohnungen gebaut.

Die "Eintracht" realisierte Neubauprojekte in der Konrad-Groß-Straße, der Peter-Vischer-Straße und Adam-Kraft-Straße. In den 60er Jahren entstanden in der Ringstraße Mehrfamilienhäuser. Bis 1965 verwirklichte die "Eintracht" 215 Wohnungen. Unter ihre Ägide entstanden auch 31 Eigenheime und 62 Wohnungen. Drei Jahre später wurde in der Glatzer Straße mit Wohnhausbau begonnen.

Bis Ende 1970 hatte die "Eintracht" 426 Mitglieder. Ihr Bestand belief sich bis 1980 auf 56 Häuser mit 215 Wohneinheiten. Zehn Jahre später waren es 57 Häuser mit 226 Wohnungen und 72 Garagen.

In den folgenden Jahren war die Hauptaufgabe, Häuser und Wohnungen energetisch zu sanieren. Dazu gehörte der Einbau neuer Fenster und Heizungen.

Nach vielen Jahren Pause wurde 2016 erstmals wieder ein Neubau erstellt: in der Eichelmühlgasse 12. Dort wurden neun Wohnungen mit jeweils rund 90 Quadratmetern geplant und verwirklicht. Noch immer geht die seit 100 Jahren laufende Baugeschichte weiter.

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