Entscheidung, die Wellen schlägt

11.1.2017, 17:56 Uhr
Entscheidung, die Wellen schlägt

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Benedikt Hofmann (Freier Mitarbeiter und aktiver Fußballer bei der SpVgg Heßdorf): Bei der Europameisterschaft 2016 ist, zumindest bei mir, keine wirkliche Stimmung aufgekommen. Durch die Aufstockung auf 24 Teams ist die Qualität des Turniers deutlich gesunken, vor allem die Spiele in der Vorrunde waren eher einschläfernd als unterhaltend.

Deshalb bin ich auch kein Freund des neuesten Fifa-Geistesblitzes – zumal da wohl noch einige Punkte geklärt werden müssen. 48 Teams in 16 Gruppen, danach vier K. o.-Runden bis zum Endspiel: Wenigstens die Belastung der Spieler mit maximal sieben Partien bleibt gleich. Aber was passiert, wenn beide Spiele in der Vorrunde unentschieden ausgehen, oder eins mit 1:0 gewonnen, das andere mit 0:1 verloren wird? Elfmeterschießen im Anschluss an die Gruppenphase? Losentscheid?

Außerdem muss aufgrund der Dreierkonstellation in der Gruppe ein Team wohl oder übel beim letzten Spiel, das ja dann möglicherweise für das Weiterkommen eben dieser Mannschaft entscheidend ist, zuschauen. Potential also für eine zweite Schande von Gijon. Wieso Fifa-Präsident Infantino so unzufrieden mit der alten, bewährten Variante war, erschließt sich aber schnell: Immerhin verspricht sich der Verband durch die Aufstockung 20 Prozent mehr Gewinn. Und auch in den Niederlanden ist man wohl froh.

Holger Peter (Sportredakteur): Nach dem Zwangsabtritt von Sepp Blatter durfte man nur kurz hoffen, dass die Fifa von ihrem Gigantismustrip herunterkommt. Der Sport gerät immer mehr in den Hintergrund, politische Ränkespiele und Kommerz sind anscheinend so viel wichtiger. Wenn sich Gianni Infantino nicht nur 48 Stimmen für die nächste Präsidentschaftswahl sichern möchte, kann er es doch viel einfacher haben als mit diesem komischen Modus. Die Fifa hat 211 Mitglieder, die könnten doch jeder gegen jeden spielen. Das gibt 22 155 höchst attraktive Spiele, die man rund um die Uhr übertragen kann – denn irgendwo ist immer „Prime Time“. Und für die besten 128 geht es danach im K. o.-Modus weiter. Oder doch noch eine Gruppenphase?

Oliver Koprivnjak (Freier Mitarbeiter): Wie immer bei solchen Entscheidungen gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Es sind mehrere Perspektiven, die aufeinander prallen. Die Angst, dass unter der Aufstockung die Qualität leidet, ist natürlich begründet. Erst die vergangene EM hat das bewiesen, als man das Gefühl bekommen musste, die Mannschaften hätten alle den gleichen Trainer. Eine Vielfalt an Teams führt nicht unbedingt zu einer Vielfalt an Spielideen. Was stattdessen immer weiter steigt, ist die Anzahl der Spiele. Eine Verschlankung wird es wohl weiterhin nicht geben. Und bereits jetzt haben die Studien von Jan Ekstrand und Raymond Verheijen den Zusammenhang zwischen Verletzungen von Spielern und deren Überlastung aufgezeigt. Fallen die besten Spieler aus, leidet die Qualität.

Aber es gibt auch die andere Seite: Für Infantino ist die Entscheidung eine rein (macht)politische: Er sichert so seine Wiederwahl. Das kann man verwerflich finden, nachvollziehbar ist es allemal. Und dass die afrikanischen und asiatischen Verbände ihm applaudieren, dürfte ebenfalls nicht verwundern. Für sie ist es der ersehnte Schritt zu mehr Gerechtigkeit. Oder um es mit den Worten von Johan Cruyff zu sagen: Jeder Nachteil hat seinen Vorteil.

Michael Fischer (Volontär): „Der Fifa geht es nur ums Geld.“ Diese These hört man dieser Tage immer wieder. Und sie ist so richtig wie banal: Ja, natürlich geht es ihr um nichts anderes. Selbst wer sich nur am Rande für Fußball interessiert, wird in den vergangenen Jahren mitbekommen haben, wie es auf dem Zürichberg zugeht. Mit welchen Mitteln korrupte Funktionäre dort zu ihrem eigenen Vorteil handeln. Aber: Im Profifußball geht es heute überall ums Geld, eine Weltmeisterschaft war nie nur der rein sportliche Vergleich mehrerer Länder. Sie ist ein Event, ein Spektakel, das unterhalten soll. Es ist doch nachvollziehbar, dass auch die Menschen auf den Seychellen gerne ein Teil dieser Glitzerwelt wären, die sie nur aus dem Fernsehen kennen.

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