Erste-Hilfe für Gehörlose

3.3.2015, 09:00 Uhr
Erste-Hilfe für Gehörlose

© hki

Ein gehörloses Paar ist daheim, der Mann stürzt. Wie kann die Frau einen Notarzt rufen?

Kai Bartholomeyczik: Schwierig. Anrufen kann sie nicht. Wenn ein Unfall zuhause passiert, ist es noch einfacher. Viele Gehörlose haben einen Vordruck, den sie faxen können. Wenn sie unterwegs sind, wird es schwieriger. Sie können an eine bestimmte Nummer eine Not-SMS schicken. Aber das System ist verbesserungsbedürftig.

 

Also, um so wichtiger, dass auch Gehörlose Erste-Hilfe-Kurse machen.

Bartholomeyczik: Genau, deswegen gebe ich seit vergangenem Jahr Kurse in Gebärdensprache. Es ist der erste in Mittelfranken, ich glaube sogar in ganz Bayern. Der Kurs ist auch schon fast ausgebucht — Interesse ist da.

 

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Bartholomeyczik: Es ist schrecklich, dass es für Gehörlose fast kein Programm gibt. In anderen Ländern, etwa Schweden oder USA, ist das ganz anders. Jeder Ausländer bekommt bei uns einen Übersetzer. Gehörlose nicht, da heißt es: Die können doch Deutsch, sollen sie doch schreiben. Mit dem Gleichstellungsgesetz gibt es zwar schon mehr Angebote für Hörgeschädigte, aber noch lange nicht genug. In Amerika zum Beispiel gibt es Kindergärten, in denen die Kinder Gebärdensprache als Fremdsprache lernen. Da hinken wir ganz schön nach.

 

Warum haben Sie die Gebärdensprache gelernt?

Bartholomeyczik: Versuchen Sie mal, sich in einer Disco zu unterhalten, das geht nicht. Es war bei mir eine Mischung aus Interesse und dem Wunsch, mich zu engagieren. Die Gebärdensprache ist ja auch ein bisschen eine Geheimsprache. Und übrigens viel einfacher zu lernen, als eine Fremdsprache, viele Wörter sind ganz intuitiv darzustellen.

 

Aber international gibt es doch Unterschiede in der Gebärdensprache.

Bartholomeyczik: Das liegt daran, dass die Sprache in der USA etwa eine viel längere Tradition hat. In Europa hat der Mailänder Kongress 1880 ziemlich brutal festgelegt, dass Gehörlose doch einfach die Lautsprache lernen sollen. Ein Unding. Allerdings ist mir wichtig: Gehörlose können sprechen, und zwar mit Mimik und Gestik. Denken Sie nur mal an ein Comic. Ein Kreis mit zwei Punkten, nur die Striche darüber, also die Augenbrauen bewegen sich — damit kann man schon ganz viel aussagen. Deswegen mag ich auch das Wort Taubstumme nicht.

Erste-Hilfe für Gehörlose

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Gibt es dann eigene Dialekte?

Bartholomeyczik: Ja, wobei die Gebärden in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sind. Aber es gibt auch regionale Unterschiede. Eine ausgestreckte Hand steht in Süddeutschland für den Laut „sch“. In Hamburg bedeutet es „hier“. So richtig schnell sprechen kann ich nicht in Gebärden, als Simultandolmetscher wäre ich durchgefallen, aber die Erste-Hilfe-Kurse möchte ich in der Region auf jeden Fall etablieren.

Es ist ja sicher sinnvoll, die Kurse ab und zu aufzufrischen.

Bartholomeyczik: Klar, vor allem gibt es ja auch gehörlose Erzieherinnen, die die Kurse innerhalb von zwei Jahren auffrischen müssen. Sie haben bislang immer einen Dolmetscher gebraucht. So einer kostet mindestens 55 Euro die Stunde.

 

Was ist anders an dem Kurs in Gebärdensprache?

Bartholomeyczik: Ich kann nicht gleichzeitig eine Powerpoint-Präsentation zeigen und reden. So gesehen würde der Kurs auch länger dauern. Allerdings kann ich auch Inhalte abändern, wie die beispielsweise W-Fragen beim Notruf.

Hatten Sie als Polizist auch schon mal im Einsatz mit Gehörlosen zu tun?

Bartholomeyczik: Ja, klar. Ein gehörloses Paar, das immer wieder Probleme mit seinem Sohn hat, meldet sich manchmal über die Gehörlosen-Fax-Nummer der Polizei (09 11) 1 92 94.

 

 

Der Kurs findet am 7. März von 9 bis 15.30 Uhr in den Räumen des BRK Erlangen in der Henri-Dunant-Straße 4 statt. Anmelden kann man sich unter

ausbildung@kverlangen-hoechstadt.brk.de

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