Fuchs hat den Pokal gestohlen – und gibt ihn nicht mehr her

3.4.2015, 16:31 Uhr
Fuchs hat den Pokal gestohlen – und gibt ihn nicht mehr her

© Foto: Ralf Rödel

Fuchs hat den Pokal gestohlen – und gibt ihn nicht mehr her
Fuchs hat den Pokal gestohlen – und gibt ihn nicht mehr her

Denn eigentlich lief alles auf ein Penaltyschießen hinaus. Nach einem intensiven, aber torlosen ersten Drittel hatten sich im zweiten Durchgang die Ereignisse überschlagen (Stand 3:3), ehe in den letzten 20 Minuten der Saison die „Vernunft“ wieder einkehrte. Keines der beiden Teams wollte den entscheidenden Fehler begehen.

So waren nun Chancen Mangelware, meist standen die Stürmer allein auf weiter Flur gegen eine Überzahl von Verteidigern. Gut drei Minuten vor Schluss war der HEC wieder einmal in der vorsichtigen Vorwärtsbewegung, verlor aber den Puck. Ein Querpass zu Lindaus Kapitän Tobias Fuchs, der von der Blauen Linie einfach mal abzog. Und irgendwie flog die Scheibe durch Freund und Feind hindurch über die Fanghand von Philipp Schnierstein zum 4:3 ins Netz.

Unhaltbar sah der Schuss nicht aus, aber möglicherweise war dem von der Fachpresse zum besten Torwart der Bayernliga gekürten Keeper die Sicht verdeckt, oder der Puck war minimal abgefälscht.

Ausverkauftes Stadion

Egal, rund 1800 Alligators-Anhänger im ausverkauften Stadion waren geschockt, 200 Lindauer (viele von ihnen waren erst auf den letzten Drücker ins Stadion gekommen/siehe Extrabericht) hingegen gerieten in Ekstase – der Titel schien für den Außenseiter vom Bodensee, der schon die Topteams aus Miesbach und Waldkraiburg aus dem Rennen geworfen hatte, nun in greifbarer Nähe.

Was nun folgte, könnte als Lehrvideo zur Erläuterung des Begriffs „Herzschlagfinale“ dienen. Die Alligators stürmen mit letzter Kraft an, holen auch noch eine Strafzeit gegen JiÝi Mikesz heraus. Für die letzte Minute geht Schnierstein aus seinem Kasten, es gelingt tatsächlich noch ein exzellenter Angriff, an dessen Ende der Puck zum frei stehenden Ales Kreuzer kommt. Der scheint 47 Sekunden vor der Schlusssirene alles richtig zu machen, schiebt die Scheibe ins lange Eck, doch EVL-Goalie Beppi Mayer macht sich lang und grätscht den Puck mit den Schonern aus der Gefahrenzone.

Aus besonderem Holz

Es folgen noch zwei Verzweiflungsschüsse, dann steht fest: Die Islanders aus dem südwestlichen Eck des Freistaats holen sich den Bayerischen Meistertitel. Das Ganze nicht unverdient, denn die Gäste erwiesen sich auch am Gründonnerstag als wahre „Stehaufmännchen“. Wer in einem fremden Stadion und vor einer solch beeindruckenden Kulisse drei Mal einen Rückstand wett macht und sich absolut nicht aus der Bahn bringen lässt, muss schon aus einem besonderen Holz geschnitzt sein.

Natürlich hätten auch die Höchstadter die Meisterschaft verdient gehabt, vor allem angesichts des kleinen Kaders, aber es kann eben nur einer den Pokal in die Höhe stemmen. Und erwartungsgemäß entschieden da Kleinigkeiten.

Mit einer Viertelstunde Verspätung begann die Partie, das Rahmenprogramm (erneut mit der Blaskapelle Gremsdorf für Bayernhymne und Frankenlied) und dem Einlauf des Pokals mit der Höchstadter ESC-Eiskunstläuferin Eva Deichselberger sorgten für die Verzögerung in einem Stadion, das schon da ein Hexenkessel war.

Der HEC-Spielertrainer Daniel Jun hat taktisch wieder ein wenig umgestellt: In der dritten Sturmreihe pausiert Marc Kaczmarek, dafür helfen Jun selbst und Martin Vojcak im Wechsel aus. Ansonsten kennen sich die Kontrahenten nach vier Duellen aus dem Effeff.

Das merkt man in den ersten Minuten, als sich Alligators und Islanders nahezu neutralisieren. Thomas Urban bricht den Bann mit dem ersten nennenswerten Torschuss nach etwa fünf Minuten, auf der Gegenseite muss Schnierstein gegen den bärenstarken Michal Mlynek Kopf und Kragen riskieren.

Der erste echte Aufreger in der 8. Minute: Tobias Feilmeier begeht von der Ersatzbank aus ein Foul und bekommt nur zwei Minuten – das bringt die Höchstadter VIPs, die direkt oberhalb des „Tatorts“ sitzen, auf die Palme. Die erste Überzahl ist jedoch ein Desaster aus Höchstadter Sicht. Sie selbst kommen zu keinem geordneten Powerplay, stattdessen haben die Gäste zwei gefährliche Konterchancen.

Mit hohem Tempo geht es danach hin und her. Dass das Drittel 0:0 endet, liegt vor allem an Schnierstein und Mayer, die beweisen, warum sie spitze in der Liga sind.

Was die beiden Trainer ihren Spielern in der ersten Pause gesagt haben, wissen wir nicht, aber plötzlich sehen die Zuschauer ein komplett anderes Spiel. Die zuvor defensiv ausgerichteten Kontrahenten öffnen nun die Visiere und stürmen munter drauf los – und nach nicht einmal zwei Minuten scheppert es in der Kiste von Beppi Mayer. HEC-Kapitän Daniel Sikorski nutzt die erste kleine Schwäche des EVL-Zerberus.

Das Stadion wird zum Tollhaus. Und nun geht es richtig rund: Erst hätte Markus Babinsky fast das 2:0 markiert, im Gegenzug zeigt Schnierstein einen grandiosen Save gegen Feilmeier. Nur wenige Sekunden später der schönste Angriff des Spiels – ohne Happy End für Höchstadt. Jun spielt den öffnenden Pass auf Kreuzer. Der legt quer zu Patrik Dzemla, der direkt abzieht. Mayer hält den Puck im Fallen. 1800 Höchstadter jubeln schon, aber die Schiris geben den Treffer nicht – eine knappe Entscheidung.

Und plötzlich sind im weiten Rund nur noch Lindauer Jubelgesänge zu hören. Die Ihren haben nämlich zur Attacke geblasen, und einer der wütenden Angriffe führt in der 27. Minute zum Ausgleich. Ausgerechnet Feilmeier ist der Schütze.

Die Tordurchsage ist kaum verhallt, da jubeln schon wieder die HEC-Fans. Jun bedient Thilo Grau, der sieht den freien Thomas Urban, der kompromisslos flach zum 2:1 einschießt – 23 Sekunden nach dem 1:1. Aber keine Zeigerumdrehung später zieht Lindau erneut gleich. Nach einem Gewühl von Schnierstein staubt Lubos Sekula ab.

Nur kurz ist die Verschnaufpause für den Pulsschlag der Anhänger. Es dauert bis zur 33. Minute, ehe der nächste Treffer zu verzeichnen ist. Jun gewinnt das Bully, der Puck kommt zu Kreuzer, der drischt sofort drauf: 3:2 für die Heimmannschaft.

Die hätte die Führung gerne mit in die Kabine genommen, es fehlen nur noch 50 Sekunden. Aber da leistet sich das Team einen Lapsus in der Vorwärtsbewegung – und warum da kein einziger Spieler nach hinten absichert, ist kaum zu verstehen. So sagt wieder Feilmeier „dankeschön“, weil er ganz allein vor Schnierstein die Scheibe bekommt und die Situation sehenswert mit einem Rückhand-Schlenzer löst. Was dann folgte: siehe oben!

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