Geboren im falschen Körper: Sandra Wißgotts neues Leben

16.3.2018, 18:14 Uhr
Geboren im falschen Körper: Sandra Wißgotts neues Leben

© Foto: Trans-Ident

Ungewöhnliche Schicksale sind inzwischen nicht nur in Hollywood bekannt. Wie ein Mann zur Frau wurde, das können Besucher einer Zonta-Veranstaltung am Donnerstag, 22. März von einer Betroffenen selbst hören.

Das Besondere bei diesem Schicksal eines früheren Mannes, der zur Frau wurde: Seine Frau und seine Kinder halten zu ihr, die Familie meistert diese Herausforderung.

Vom Brautpaar, er im schwarzen Anzug, Vollbart und Krawatte, bis zum Tag, an dem sie als Schulleiterin tätig ist, war es ein harter Kampf mit vielen seelischen Schmerzen.

Was tut ein Bub in den 1960er Jahren in der erzkonservativen Oberpfalz, wenn er an sich registriert, dass er lieber ein Mädchen wäre? Heutzutage führt das Internet weiter, damals gab es nur die Strategie zu verheimlichen und zu schweigen.

Die Kleider von Mutter und Großmutter wurden anprobiert, wenn es keiner bemerkte. Wegen eines Hüftproblems wurde der Junge vom Sportunterricht befreit und fand Anschluss bei Mädchengruppen. "Das Wesentliche war, vom Gefühl her ein Mädchen zu sein", schaut Sandra Wißgott heute im Gespräch mit unserer Zeitung zurück. Lange Zeit glaubt der Junge, seine tiefe Sehnsucht nach Weiblichkeit durch den Kontakt mit Frauen stillen zu können.

Heimlichkeit, das zweite Ich, prägt das ganze Leben, auch als sie ihre Frau eingeweiht hat, die unglaubliches Verständnis zeigte. Dennoch hält ihre Ehe dies aus bis zum heutigen Tag. 1993, 1995 und 1997 kommen die drei Kinder des Paares zur Welt.

Eigentlich sollte Sandra Wißgotts anderes Leben bis zur Geburt der Kinder in den eigenen vier Wänden bleiben, doch dies war nicht durchzuhalten. In Absprache mit seiner Frau stiehlt sich der Mann davon, unbemerkt von den Kindern und lebt an Wochenenden seine eigentliche Identität in großen Städten aus, stets in Angst, aufzufliegen.

In Wolframs-Eschenbach, ein Ort mit 3000 Einwohnern, hat Wißgott die Grund- und Mittelschule am Ort geleitet, ist in der Wasserwacht und beim Bayerischen Roten Kreuz, war als gläubiger Katholik acht Jahre lang Pfarrgemeinderatsvorsitzender.

Das Versteckspiel über Jahre und der Leidensdruck setzen ihr aber immer mehr zu, führten 2000 zum gesundheitlichen Stopp, der einen Denkprozess einleitete. Auf Reha zieht ihr Leben an ihr vorbei.

2007 steht ihr Entschluss: Sie entscheidet sich, ihr Geschlecht medizinisch angleichen zu lassen und erklärt sich ihren Kindern – ein drastischer Schritt, von dem sie ihre Kinder mit Weinen und Flehen versuchen abzuhalten. Ein schwerer Gang stand ihr auch im Gespräch mit den eigenen Eltern bevor, die sich Selbstvorwürfe machten.

Als Person des öffentlichen Lebens musste sie vielen vieles erklären. Doch die überwiegenden Reaktionen seien überraschend positiv gewesen. "Natürlich waren viele verunsichert, wie sie damit umgehen sollten", erzählt die Mittfünfzigerin heute. "Doch viele, von denen ich es nicht gedacht habe, unterstützten mich."

Als sie von ihrer Rolle als Schulleiter in der Elternversammlung Abschied nahm, erhielt sie ein Geschenk: eine Halskette für ihr neues Leben als Sandra Wißgott, in dem sie nun schon in einer Reihe von Vorträgen aufklärte, was dies ist: Transidentität, ein neues Ich zu finden.

Der Zonta Club Herzogenaurach hat Sandra Wißgott, die den Verein "Trans-Ident" gründete, zu einem Vortrag am Donnerstag, 22. März um 19 Uhr ins Martin-Luther Haus eingeladen. Titel: "Transsexualität – Transidentität." Der Eintritt ist frei, Spenden erbeten für den Verein "Trans-Ident", der Beratungsstellen in mehreren Städten unterhält. Web: https://www.trans-ident.de

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