Herzogenaurach: Pop im Klassikkleid

27.6.2017, 07:00 Uhr
Herzogenaurach: Pop im Klassikkleid

© Foto: Christian Enz

Es klingt nach einem Drehbuch für eine Serie aus dem täglichen Vorabendprogramm. Das Schicksal sorgt dafür, dass vier junge Menschen zufällig in einer Straße wohnen. Dort gibt es ein Café, in dem sie gerne den Uni-Alltag hinter sich lassen. Irgendwann kommen sie ins Gespräch, entdecken die Musik als gemeinsame Profession und beschließen ein Streichquartett zu gründen.

Im Café "geboren"

Doch weil das Leben manchmal unmittelbarer ist als mancher Roman, ist diese Geschichte keine Fiktion. Sie spielte auch nicht vor einer profanen Kulisse – sondern in der Nürnberger Feuerbachstraße. Im dort beheimateten Café Feuerbach begann vor drei Jahren die Geschichte des, konsequenter Weise, gleichnamigen Quartetts. Bereits drei CDs sowie unzählige erfolgreiche Konzerte entsprangen der Zusammenarbeit von Jamila Musayeva (Violine), Max Eisinger (Violine), Eugen Hubert (Bratsche) und Lukas Kroczek (Cello).

Am Samstagabend konzertierte das klassische Ensemble auf Einladung von "Kultur grenzenlos" im Hof der ehemaligen Bäckerei Lang. Dieser war restlos ausverkauft. Ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass das Feuerbach-Konzept aufgeht. Statt Mozart, Beethoven und Bach hat sich das Quartett auf Pop und Rock spezialisiert. Auf diese Idee kam man, wie sich Max Eisinger erinnert, zufällig. "Lukas Kroczek hatte sich den damals neuen James Bond angesehen. Vom Titellied war er dann so begeistert, dass er das einmal mit uns probieren wollte."

Einen zeitgenössischen Hit klassisch zu interpretieren ist jedoch bei weitem nicht so trivial wie zu vermuten wäre. "Sätze für Streicher werden von den Verlagen kaum angeboten. Und wenn, dann auch nicht in der von uns geforderten Qualität", so Kroczek. Deshalb transportieren die vier sämtliche Kompositionen selbst in den klassischen Klangraum. "Popmusik lebt von Gesang. Deshalb ist es wichtig, dass die Singstimme erhalten und erkennbar bleibt", betont Lukas Kroczek.

Ein Vorhaben, das die Feuerbachs konsequent und mit Liebe zum Detail umsetzen. Bei "Skyfall" imitiert Jamila Musayeva, bereits als Zwölfjährige mit einem Stipendium des aserbaidschanischen Staatspräsidenten ausgezeichnet, Adele. Der Strich auf ihrer Ersten Geige ist dabei so gefühlvoll, dass man stellenweise glaubt, die mehrfache Grammy-Gewinnerin würde nun tatsächlich selbst einsetzen. Doch es geht auch anders. Etwa bei der Inszenierung von "Beat it". Mit kraftvoll gerissenem Pizzicato an der Belastbarkeitsgrenze ihrer Saiten zeichnen Eisinger und Hubert den martialischen Sound Michael Jacksons nach.

Überhaupt präsentieren sich die Feuerbachs technisch extrem versiert und perfekt abgestimmt. Keine Überraschung, blättert man in den Biografien. Musayeva wurde 2003 als "Beste Violinisten des Jahres" ausgezeichnet. Max Eisinger erhielt im letzten Jahr den Ruf an die Musikakademie Weikersheim, Eugen Hubert spielte bereits für die Junge Deutsche Philharmonie und Lukas Kroczek wurde bereits im Alter von 15 Jahren am Richard-Strauss-Konservatorium in München aufgenommen. Obwohl sie als Vollprofis beinahe jede Woche mehrmals zusammen auf der Bühne stehen, Routine kehrt auf der Bühne nie ein. Mal fegen sie, etwa bei "Ain’t your Mama" (Jennifer Lopez) wie Derwische über die Bühne, mal lassen sie ihre Violinen bei "Loovefool" im zarten Tête-à-Tête flirten. Und immer wird zusammen gelacht.

Das Feuerbach Quartett, das ist schnell klar, spielt nicht für Publikum – es spielt mit dem Publikum. Im malerisch-romantischen Hinterhof lässt sich dies freilich besonders gut inszenieren – spielt das Ensemble doch auf einer Ebene und nur wenige Zentimeter vom Publikum entfernt. Schnell springt da der Funke über – und animiert die Zuhörer zum Mitsingen.

Und die Gäste – allesamt in den besten Jahren – haben dabei schier diebische Freude. Etwa als "Schrei nach Liebe" von den Toten Hosen angestimmt wird. "Endlich darf ich wieder einmal das A-Wort grölen, ohne mich genieren zu müssen", flüstert ein Hinterbänkler – bevor er im nächsten Moment wieder voll mit einstimmt.

Zwanglos klassische Musik genießen, ein Motto das auch Experten überzeugt. "Der Ansatz, mit vertrauten Melodien in die klassische Klangwelt einzuführen, ist perfekt", resümierte beispielsweise Klaus-Dieter Stolper. Und er dürfte Recht haben – das Feuerbach Quartett hat das Zeug, Menschen für Klassik zu begeistern.

Auch, weil seine Protagonisten so erfrischend unprätentiös agieren – und über sich selbst schmunzeln können. Etwa als Max Eisinger seine Violine gegen eine Otamatone tauscht und Helene Fischers "Atemlos" anstimmt. Da passte es dann auch, dass sich Musayeva und ihre Kollegen zum Ausklang eines ganz eigenen Sommernachtstraumes auf einen Schoppen mit ihrem Publikum zusammensetzten. In Abendkleid und Anzug auf die Bierbank – denn Stil ist keine Frage von Distanz. Mozart hätte seine Freude daran gehabt.

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