Herzogenaurach sucht 100 "Herzensbücher“

8.5.2015, 17:20 Uhr
Herzogenaurach sucht 100

© Thomas Schäfer

Die Auswahl der Bücher konnte unterschiedlicher nicht sein. Es entwickelte sich eine eigenartige Spannung während der Vorträge, denn es war etwas ganz anderes als „Das literarische Quartett“.

„Herzensbücher“, also persönliche Lieblingsbücher, wurden vorgestellt. Der Abend gestaltete sich abwechslungsreich und durch die unterschiedlichen Herangehensweisen an die sieben Bücher gab es sieben unterschiedliche Präsentationen.

Das Jugendbuch „Der Libellensee“ von Eva Ibbotson stellte der einzige männliche und auch jüngste Teilnehmer, Finlay Deavin, der Runde vor. Die Protagonisten fanden ebenso in der Beschreibung Berücksichtigung wie die wechselhaften Stimmungen, die beim Lesen auftreten können.

Ganz anders die Mutter: Ulrike Deavin-Spindler hatte einige Requisiten dabei, die nach und nach vorgestellt wurden und den Bezug zum eigenen Leben und zum Buch (ohne den Titel zu verraten) verdeutlichten, um dann zum Roman „Der Distelfink“ von Donna Tartt überzuleiten.

Wieder anders Gabriele Lechner, die als einzige beruflich mit Büchern zu tun hat. Sie stellte Wolfgang Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ vor. Das Buch, posthum nach einem Blog Herrndorfs veröffentlicht, beschreibt den Umgang und die Arbeit mit seiner tödlichen Krankheit.

Gisela Brake zitierte zu „Der große Regen“ von Louis Bromfield“ die New York Times, dass dies kein Roman, sondern eine Meisterleistung sei. Zuerst in ihrer Studienzeit gelesen, ist das Buch immer noch erhältlich. Erzählt wird das Leiden einer Region in Indien, die nach der Trockenzeit auf den lebensspendenden Regen wartet. Statt aber das trockene Land zum Erblühen zu bringen, besiegelt ein Taifun das Schicksal vieler Bewohner.

Christiane Naumann konnte aus „Die Brautprinzessin“, einem Märchen von William Goldmann, nicht zitieren, ging aber ausführlich auf den Inhalt ein. Denn der Zauber des Buches ist durch den Aufbau schwer in Zitaten einzufangen. Der Inhalt: Ein Buch im Buch, aus dem ein Vater seinem Sohn vorliest und dieser es wiederum seinem Sohn empfiehlt. Der letztgenannte Sohn meint nur, dass es ein langweiliges Buch ist und der empfehlende Vater, als Sohn fasziniert, stellt fest, dass sein Vater nur die spannenden Teile des Buches vorgelesen hat.

Susanne McKinley hatte gleich drei Bücher dabei. Michael Bergmanns „Herr Klee und Herr Feld“, der letzte Band einer Romantrilogie, ist die Geschichte zweier Juden, die im Land der Täter blieben. Interessant wird das Buch vor allem dadurch, dass die beiden zentralen Figuren aus Zirndorf stammen. Moritz und Alfred Kleefeld leben in einer Gründerzeitvilla. Die beiden Hypochonder haben nichts besseres zu tun als den ganzen Tag zu streiten. Dabei gibt es einige nachdenklich stimmende Momente, andere zum lauten Lachen. Denn Moritz hat sich vorgenommen, einen Tag lang keinen Krach zu haben. Selbst als Alfred dazu auffordert, über den Holocaust zu streiten — „Holocaust ist immer lustig“ — bleibt Moritz ruhig. Allerdings, die Haushälterin, der ständigen Streitereien überdrüssig, kündigt, nachdem sie 30 Jahre in dem Haus tätig war. Als Nachfolgerin im Haushalt wird eine Palästinenserin eingestellt. Die will die beiden Herren Kleefeld nicht mit dem gleichen Nachnamen ansprechen und kommt so zu „Herr Klee und Herr Feld“. Eine Komponente, die weitere Lacher nach sich zieht.

Irene Hermann stellte Paulo Coelhos Roman „Der Alchemist“ vor. Eingangs freute sich die Herzogenauracherin aber darüber, dass die Räume der Buchhandlung zur Begegnung von Menschen genutzt werden, denn: In diesen Räumen sei sie aufgewachsen. Ihre Eltern waren die Gastwirte, als hier noch der „Walfisch“ war.

Hinter der Lesung steckt eine tolle Idee, die bereits von 19 Buchhandlungen in Deutschland umgesetzt wurde. Für den „Kanon der Literatur“ haben jeweils 100 Leser ihr „Herzensbuch“ beschrieben. Im Anschluss daran wurden die Texte über die Bücher in einem Buch zusammengefasst und veröffentlicht. So soll es nach Vorstellung von Stefanie Greber und ihrem Team auch in Herzogenaurach sein. Denn so wird dokumentiert, was in Herzogenaurach gelesen wird, und vor allem, wie es beurteilt wird.

Die Lesung war die Auftaktveranstaltung. Nun können Menschen, die etwas mit Herzogenaurach zu tun haben, hier leben oder arbeiten, ihr persönliches „Herzensbuch“ beschreiben (maximal 2000 Zeichen) und per Email an „Bücher, Medien und mehr“ senden.

Zu diesem Zweck wurde eigens eine Seite im Internet installiert, die für die Beschreibung genutzt werden soll. Eine Wiederholung der Leseveranstaltung, wie zum Auftakt, ist momentan nicht geplant, aber im Herbst soll es eine große Buchvorstellung mit den Beschreibungen von dann hoffentlich 100 „Herzensbüchern“ geben.

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