Höchstadt: Jazz!3 weckt selige Erinnerungen

12.3.2018, 05:57 Uhr
Höchstadt: Jazz!3 weckt selige Erinnerungen

© Foto: Rainer Groh

Lutz Häfner, der großartige Jazz-Saxophonist aus Franken, teilt offenbar Chaplins Neigung zu Sentiment und Cello. "Ich finde den Sound einfach geil", sagt er in der Pause des zweiten Jazz!3-Konzerts in dieser Saison im Höchstadter Schlossgewölbe, eines der ungewöhnlichsten in Ariane Rangers Reihe, die schon manches Ungewöhnliche ans Ohr der Fans gebracht hat. Man denke sich: vier Celli, vierfach dieser satt gestrichene Klang von Sehnsucht und Wehmut, Vibrato auf der Saite – und das mit einer Musical-Melodie wie "With every Breath I take" von Cy Coleman aus "City of Angels". Das geht direkt in die Tiefe des Gemüts.

Fans von Lutz Häfner und dem nicht minder großartigen Pianisten Rainer Böhm – und welcher Jazzfreund ist kein Fan? – kennen das Stück von der 2011 veröffentlichten Duo-CD "deep". Ihr beseeltes Zusammenspiel wiederholten die beiden auch am Freitag im Schlossgewölbe. Dazu kamen aber noch Nayon Han, Irene von Fritsch, Veronika Zucker und Cornelius Boensch mit ihren Kniegeigen und legten, wohlgesetzt, einen wahren Langflor-Klangteppich unter die atemraubenden Skalen des Tenorhorns und die kraftvollen Klavierakkorde. "Echt fett", würde man im heutigen Sprachgebrauch sagen.

Der Schreiber, mit seligen Erinnerungen an viele Kinoabende mit Chaplin-Filmen, konnte nicht umhin: Er sah vor dem inneren Auge den kleinen Tramp in ganz modernen Zeiten durch die Lichter der Großstadt trippeln. Und später noch Kirk Douglas in Sandalen, denn auch Alex Norths Liebesthema aus dem 1960er-Monumentalfilm "Spartacus", im Duo von Rainer Böhm und Lutz Häfner auch bereits auf "deep" eingespielt, haben die vier Celli am Freitagabend mit Pathos angereichert und "filmischer" gemacht.

Wie der echt fette Applaus bewies, haben die Zuhörer wohl ähnlich in Genuss geschwelgt. Ob so etwas noch Jazz ist? Überflüssige Frage. Schöne, sentimentale, gefühlvolle Musik war es. Und wer den Einsatz von "klassischen" Instrumenten im Jazz für extravagant hält, sei an Ramsey Lewis und sein grooviges "Hello, Cello!" erinnert. Und an Ellington, der für den "Creole Love Call" eine Opernsängerin einsetzte. Geschrieben wurde das Stück 1927.

Weiter hat der Abend gezeigt: Eine gute Komposition, auch wenn sie im Jazz-Idiom gedacht wurde, hält, "klassisch" gespielt, auch Kammermusik-Hörgewohnheiten stand. Wie "No Lonely Nights" von Keith Jarrett oder die Zugabe, die gute alte Dorsey-Ballade "I should care".

Und wenn es mal ein bisschen sehr streicher-klassisch wurde, dann streuten die beiden Stars des Abends eben eine Duo-Nummer ein. Jazziger geht es kaum. In seinem eigenen Stück "Juvenile" hat Rainer Böhm an diesem außergewöhnlichen Abend das beste Solo gespielt, das der Schreiber bisher von ihm gehört hat.

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