Höchstadt: "Zartbittertod" mit Elisabeth Herrmann

24.1.2019, 18:38 Uhr
Höchstadt:

© Foto: Hans von Draminski

Gepflegte Langeweile. Mehr ist es ganz offensichtlich nicht, das die Realschüler in der trüben Vormittagsstunde umtreibt, in der Elisabeth Herrmann Auszüge aus ihrem 2018 erschienenen Jugend-Krimi "Zartbittertod" vorliest. 14- bis 15-jährige Mädchen und Jungs sind vielleicht auch nicht die klassische Zielgruppe für eine Autorenlesung.

Zumal in Höchstadt den meisten wohl erst im Lauf der durchaus launigen Lesestunde dämmert, wen sie da eigentlich vor sich haben: In der deutschen Belletristik hat Elisabeth Herrmann seit dem Erscheinen ihres Erstlingswerkes "Das Kindermädchen" im Jahr 2005 einen kometenhaften Aufstieg vollzogen. Nicht wenige ihrer Bücher wurden verfilmt, für "Das Kindermädchen" schlüpfte der deutsche Schauspielstar Jan Josef Liefers in die Rolle des detektivisch begabten Anwalts Joachim Vernau, dem Elisabeth Herrmann im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Bestsellern widmete. "Zartbittertod" wird zwar unter dem Label "Jugendbuch" verkauft, ist aber eine typische Herrmann-Story um einen jungen Mann aus Namibia, der im Zuge des (von den deutschen Kolonialherren im damaligen Deutsch-Südwestafrika blutig niedergeschlagenen) Herrero-Aufstandes nach Deutschland kam. Viele Jahre später geht die Urenkelin auf Spurensuche und stolpert über einen als Unfall getarnten Mord . . .

Elisabeth Herrmann arbeitet bei ihrer Lesung mit rasanten Zeitsprüngen. Für die schlaglichtartigen Impressionen aus dem Jahr 1904, als die kaiserliche "Schutztruppe" nach Afrika geschickt wurde, um den Rebellen brutal den Garaus zu machen, bedient Herrmann sich originaler Texte, die ganz viel vom kritiklosen "Hurra-Patriotismus" jener Epoche widerspiegeln. "Die Grundlagen für Nationalsozialismus und Faschismus wurden bereits damals gelegt", weiß die Schriftstellerin.

Verblüffte Gesichter

Das Interesse der Realschülerinnen und -schüler steigt deutlich, als es in einer kleinen Diskussionsrunde darum geht, wie man Schriftsteller wird und wie viel man in diesem Beruf verdienen kann. Dass Elisabeth Herrmann an ihrem ersten Buch fünf Jahre schrieb, sorgt für die erste Welle verblüffter Gesichter. Dass die heute gefeierte Autorin von renommierten Verlagen über 50 Absagen bekam, vertieft das Erstaunen noch sichtlich. Und dass ein Autor von den Verkäufen pro Buch oft weniger als 50 Cent bekommt, sorgt bei den Jugendlichen spürbar für Fassungslosigkeit.

Entmutigen will die sympathisch nahbare Erfolgs-Romanciere niemanden. Aber sie warnt davor, dass Schreiben "eine stille und einsame Tätigkeit" sei. Dennoch wird sie nach der Lesung von weiblichen Fans belagert. Star-Autorinnen von morgen?

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