Höllische Stiche: Kirche wegen Milben gesperrt

10.9.2018, 19:51 Uhr
Die Vogelmilbe hat sich in der Weisendorfer Kirche eingenistet. Neben Besuchern und dem Posaunenchor, hat es auch den Pfarrer erwischt.

© Imago Die Vogelmilbe hat sich in der Weisendorfer Kirche eingenistet. Neben Besuchern und dem Posaunenchor, hat es auch den Pfarrer erwischt.

"Die Stiche jucken höllisch, und zwar 14 Tage lang", weiß Pfarrer Wilfried Lechner-Schmidt. Auch er war schon befallen. "Da helfen nur Cortison oder Antihistaminika." Doch bis man in Weisendorf überhaupt wusste, womit man es zu tun hat, dauerte es eine ganze Weile.

Angefangen hat alles vor zwei Jahren. "Da hatten Besucher plötzlich nach dem Schulgottesdienst Stiche am Hals", so der Pfarrer. Man habe erst an Flöhe gedacht, daraufhin die Vorhänge untersucht, aber nichts gefunden. Auch weitere Stiche traten nicht mehr auf, "deshalb dachten wir, das war ein Einzelfall".

Auch den Pfarrer hat es erwischt

Falsch gedacht: Noch vor der Konfirmation im Jahr 2017 klagten die Putzfrau und die Mesnerin über juckende Stellen in der Ellenbeuge und am Hosenbund. "Also haben wir eine Staubanalyse machen lassen", berichtet Lechner-Schmidt. Was da herauskam, sei zunächst einmal erschreckend gewesen. "Im Staub fanden sich Permethrin, Lindan und PCB in nicht unerheblicher Menge." Dabei handelt es sich um giftige Stoffe, die früher in Holzschutzmitteln zu finden waren.

Höllische Stiche: Kirche wegen Milben gesperrt

© Jeanette Seitz

Nach Rücksprache mit dem Landeskirchenamt in München wurde die Weisendorfer Kirche nach der Konfirmation Mitte Juni dann zugesperrt. Nun wurden sämtliche Holzteile (Stühle, Bänke, tragende Balken, die Holzverkleidungen etc.) von Experten geprüft. Das Ergebnis: "Es war zwar ein bisschen was der giftigen Stoffe nachweisbar, aber weit unterhalb der Grenzwerte für Wohnräume", so Lechner-Schmidt. Man hatte also die Gewissheit, dass für die Ausschläge kein chemischer Stoff verantwortlich ist. Inzwischen hatte es auch den Pfarrer mal erwischt, "ich habe meinen Talar dann nicht mehr in der Kirche hängen lassen".

"Wie bei einer Expedition"

Eine Professorin des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg brachte schließlich mögliche organische Ursachen ins Spiel, sprich: irgendwelche Tierchen.

Eine Biologin aus Nürnberg, die spezialisiert auf Milben ist, machte sich also ein Bild vor Ort. "Wir sind in die Kirche rein wie bei einer Expedition ins Tierreich", erzählt Wilfried Lechner-Schmidt mit einem Lachen. Denn es gebe natürlich Schutzmaßnahmen zu beachten: eng anliegende, den ganzen Körper bedeckende Kleidung in weiß, ein Schutzmittel an der Hose sowie Kopfbedeckung.

Im Dachgeschoss fand sich ein altes Vogelnest — und somit auch die Vogelmilben. "Die befallen normalerweise nur Vögel und saugen deren Blut, wenn diese ,Tankstelle‘ aber wegfällt, gehen die Milben auf Wanderschaft und stechen auch Menschen", hat der Pfarrer von der Biologin gelernt. "Beim Stich sondern sie ein Narkotikum ab, sodass der Stich erst einige Zeit später zu jucken beginnt." Allerdings sei das auch nicht von Belang, da die Vogelmilben ohnehin mikroskopisch klein, außerdem durchscheinend und mit bloßem Auge nicht zu erkennen seien.

Posaunenchor "total zerstochen"

Vogelmilben sind von Juni bis September aktiv. Wenn es kälter wird, verziehen sie sich in Ritzen und verfallen in Winterstarre. Deshalb konnten die Weisendorfer im vergangenen Jahr am 3. Oktober ihr Erntedankfest auch wieder unbesorgt in der Kirche feiern. "Aber im Frühsommer bei der hohen Luftfeuchtigkeit in unserer Kirche werden die Milben wieder aktiv", so Lechner-Schmidt.

Und so sei der Posaunenchor heuer nach der Konfirmation am 3. Juni "total zerstochen" gewesen. Seitdem ist die Kirche also wieder dicht. "Die Viecher vermehren sich ja auch jedes Jahr."

Jetzt soll die Lösung kommen

Nun soll die Weisendorfer Kirche aber bald innen saniert werden, ein Kampf gegen die Vogelmilben mache also nur im Zuge dieser Maßnahme Sinn, meint der Pfarrer. Zusätzlich habe man ja auch noch ein Holzwurm-Problem. Die Pläne durchlaufen gerade das Genehmigungsverfahren, die Sanierung wird laut Lechner-Schmidt rund 650 000 Euro kosten. Die Landeskirche übernimmt ein Drittel der zuschussfähigen Kosten, die Weisendorfer Gemeinde muss vermutlich 250 000 bis 300 000 Euro selbst aufbringen und ist deshalb auf Spenden angewiesen. Wahrscheinlich müsse man einen Kredit aufnehmen, meint Lechner-Schmidt. Er hofft, dass die Arbeiten im Frühsommer 2019 starten können. "Sonst haben wir nächstes Jahr wieder das Theater mit den Milben."

Die Konfirmation 2019 werde auf jeden Fall in Rezelsdorf stattfinden, das stehe schon fest. "Und für Weihnachten 2019 habe ich mal die Mehrzweckhalle angefragt." Immerhin wird die Sanierung wohl ein Jahr dauern.

Heuer im Herbst jedenfalls — wenn die Milben nicht mehr aktiv sind — öffnet die Kirche ihre Pforten erst mal wieder, erster Sonntagsgottesdienst ist am 30. September.

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