Informationen gegen Zweifel und Berührungsängste

10.2.2015, 13:04 Uhr
Informationen gegen Zweifel und Berührungsängste

© Foto: Andrea Rudolph

Die Verwaltung veranschaulichte das Thema mit Hilfe eines kurzen Films über die weltweite Flüchtlingsproblematik. „Wir nehmen natürlich ihre Sorgen und Ängste ernst“, betonte Bürgermeister Ludwig Wahl. „Gleichzeitig möchten wir uns aber dieser gesellschaftlichen Aufgabe stellen und um das Verständnis der Bürger und insbesondere der Nachbarn werben.“ Das Anwesen in der Weiherstraße 9 war bereits Ende des Jahres 2014 als Flüchtlingsunterkunft im Gespräch, blickte Wahl kurz zurück und verwies auf unterschiedliche Zuständigkeiten innerhalb des Landratsamtes Erlangen-Höchstadt: Während damals das Sozialamt agierte, ist jetzt aufgrund der geänderten Zielgruppe das Jugendamt zuständig.

Dessen Leiterin Heike Krahmer erklärte, dass es sich bei der nun geplanten Wohngruppe um die Betreuung von „unbegleiteten Minderjährigen“ handele (Jugendliche unter 18 Jahren), die ohne Personensorge- oder Erziehungsberechtigte aus verschiedensten Ländern zu uns nach Bayern gekommen seien. „Meistens sind es männliche Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren, die zwei Jahre lang hier im Landkreis bleiben. Bisher wurden fünf Jugendliche in Herzogenaurach untergebracht; bis Ende März hofft man, für weitere 26 junge Menschen eine Bleibe gefunden zu haben und bis Ende 2015 werden wohl mindestens 60 weitere Plätze benötigt“, berichtete die Amtsleiterin. 

Wichtig für die Unterkünfte seien eine gute ÖPNV-Anbindung, eine ortsnahe medizinische Versorgung und eine wirtschaftliche Infrastruktur, um die meist sehr lernwilligen Menschen durch Praktika oder eine Lehrstelle möglichst gut integrieren zu können. Heike Krahmer appellierte an das Verantwortungsbewusstsein aller Bürgerinnen und Bürger: „Wir wollen mit einer entsprechenden Willkommenskultur helfen, denn diese Jugendlichen können nichts für die Konflikte ihrer Herkunftsländer.“

Einer der sechs Kooperationspartner des Landkreises bei diesem Thema ist der Puckenhof e.V., der die Trägerschaft für die Röttenbacher Wohngruppe übernimmt – der Mietvertrag ist für fünf Jahre abgeschlossen.  Martin Leimert, Vorsitzender des Vereins, stellte kurz den Tätigkeitsbereich des Puckenhof e.V. und seine Einbindung ins Diakonische Werk Bayern vor.

„Ziel ist, den jungen Menschen einen strukturierten Alltag zu bieten und sie zu einem selbstständigen Leben zu befähigen“, erklärte Eckart Reinl-Mehl, stellvertretender Vorsitzender. „Wir möchten ihnen auch die Gelegenheit bieten, über ihre zum Teil sehr traumatischen Erlebnisse auf der Flucht sprechen zu können, das wird sehr unterschiedlich verarbeitet.“  Oftmals realisierten die Geflohenen erst jetzt die Trennung von der Herkunftsfamilie. Ein kritischer Punkt sei der 18. Geburtstag, bestätigte Reinl-Mehl auf Nachfrage – der Gemeinderat hatte eingangs einer offenen Diskussion zugestimmt. „Wir wissen noch nicht genau, wie es nach der Volljährigkeit weitergeht. Die Jugendlichen haben aber alle einen Vormund, der sich des Themas Bleiberecht annimmt.“

Einige Bewohner der Weiherstraße äußerten ihre Ängste und Bedenken bezüglich einer möglichen Gewaltbereitschaft bei den Jugendlichen; kritisiert wurde auch die Vorgehensweise des Landratsamtes. „Wir wohnen seit Jahrzehnten hier und werden nicht mal gefragt.“ – „Wie viele Betreuer sind denn nachts da?“ „Können meine Töchter dann noch im Bikini im Garten herumlaufen?“ „Und was machen die den ganzen Tag?“ Martin Burda, der die Röttenbacher Wohngruppe leiten wird, schilderte kurz einen typischen Tagesablauf der Jugendlichen mit Schulbesuch und Freizeitaktivitäten – je nach Interesse. Dabei möchten sich auch viele Ehrenamtliche einbringen, fügte der Bürgermeister hinzu und nannte als Beispiel das Netzwerk „Wir in Röttenbach“.

Gute Erfahrungen gemacht

Letztendlich könne man nicht bis ins letzte Detail voraussagen, wie es laufen wird, fasste der Bürgermeister zusammen. „Aber wir haben ja schon viele gute Erfahrungen mit Wohngruppen und Flüchtlingen gemacht“, meinte er zuversichtlich. Auch eine Nachbarin äußerte sich positiv: „Natürlich ist es befremdlich, die Zweifel und Berührungsängste habe ich auch, aber zum Beispiel die Sprachbarriere können wir gemeinsam überwinden, indem wir sie integrieren, in Vereine und Sportgruppen bringen und einfach miteinander im offenen Gespräch bleiben.“ Bürgermeister Wahl bot an, mit einigen Anwohnern noch Vier-Augen-Gespräche zu führen und bat um Ernennung eines Sprechers, der engen Kontakt zu den Mitarbeitern des Puckenhofs pflegt.

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