„Integration ist kein Automatismus“

30.8.2016, 06:00 Uhr
„Integration ist kein Automatismus“

© Foto: Kern-Miereisz

Für einige Gemeinden wie Hemhofen hat sich das Problem entschärft. Waren voriges Jahr bis zu 180 Personen in der ehemaligen Tennishalle untergebracht, so ist es zurzeit nur eine Familie. Dies berichtet Jürgen Seiermann, Regionalgeschäftsführer des Arbeiter Samariter Bund (ASB) in Erlangen.

Der ASB ist eine der professionellen Hilfsorganisationen, die sich im Auftrag des Landratsamts um Flüchtlinge kümmern, wie um die an der Eichelmühlgasse in Herzogenaurach, wo seit Juli 2015 dauerhafte Container für Flüchtlinge aufgebaut wurden. Seiermann erinnert daran, dass allein in Tennenlohe zurzeit 250 Flüchtlinge untergebracht sind.

Wie lautet die Antwort auf „Wir schaffen das“? Seiermanns Beobachtungen zu den Helferkreisen: „Teils sind sie nicht mehr notwendig, teils hat sich die Unterstützung verstetigt durch dauerhafte Familienpaten.“

Allerdings hätten sich einige Helfer auch Auszeiten nehmen müssen nach intensivem Engagement. Zusammen mit der Asylberatung sei hinsichtlich der Anerkennungsverfahren weiterhin professionelle Betreuung notwendig. Auf gutem Weg in den Arbeitsmarkt, manche sogar bereits auf sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, seien nicht wenige Flüchtlinge. Nach drei Monaten in Deutschland haben Geflüchtete Chancen auf Stellen, wenn sich kein EU-Bürger bewirbt. „Mit den Afrikanern haben wir beste Erfahrungen“, nennt Seiermann ein Beispiel. Seit Dezember 2014 arbeitet eine Migrantin auch beim ASB.

Die Diskussion um Integration entwickelte durch die Anschläge von Würzburg, München und Ansbach Betroffenheit und Brisanz bei allen, die sich für Flüchtlinge engagieren und bei den Geflüchteten selbst: „Einerseits Scham und andererseits Machtlosigkeit“, bekundeten viele Flüchtlinge, so Seiermann. Er bejaht das „Wir schaffen das“ in dem Sinn: „Es wird nicht einfach und wird nicht kostenlos sein.“ Keinesfalls wiederholt werden dürfe der Fehler, die Neuankömmlinge allein zu lassen wie es in der Ära der Gastarbeiter geschah. Zu groß sei die Gefahr, dass sich Subkulturen bilden könnten: „Integration ist kein Automatismus.“

Die junge Sozialpädagogin Kim Katholing, die ihre erste Stelle in der Flüchtlingsarbeit beim ASB antrat, weiß, dass Menschen aus dem Irak oder Iran „gute Bleibechancen“ haben. Die Bearbeitung von Anträgen dauere für viele Geflüchtete sehr lange, der Rückstau sei bekanntermaßen enorm. Jeden Tag fährt sie zu Flüchtlingsunterkünften an einen anderen Ort im Landkreis. Viele Asylsuchende seien mit der Post und Anträgen überfordert, aber „viele wollen auch was erzählen“. Bei manchen ließen sich die „Bilder im Kopf“ nicht vertreiben.

Sie als Betreuungsperson vereinbart einen Termin in der Psychosomatischen Ambulanz und sucht einen Dolmetscher. 150 Menschen hat sie zu betreuen — in Hemhofen, in Röttenbach, in Möhrendorf und Bubenreuth.

Für die Flüchtlinge, die in der Gemeinschaftsunterkunft so gut wie keine Privatsphäre hatten, seien die neuen Räume „ein Anfang der Integration‘“. Das Landratsamt mietet die Wohnungen und richtet sie ein.

Ihre Erfahrungen fasst die Sozialpädagogin so zusammen: „Es ist schon herausfordernd, aber ein schöner Beruf.“ Bei manchen Besuchen würden ihre Schützlinge schon mit dem Essen auf sie warten. Auch nach den viel diskutierten Anschlägen in Bayern mit islamistischem Hintergrund sagt sie: „Ich habe nicht mehr Misstrauen.“

Die Dankbarkeit der Flüchtlinge für die vielfältige Alltagshilfe bis zum Beibringen des Radfahrens gibt sie auch an die Helferkreise weiter: „Ohne die Ehrenamtlichen wäre diese Arbeit nicht zu bewältigen. Das Engagement ist wahnsinnig wichtig.“

Mehr über Helferkreise unter www.lra-erh.de

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