Internationales Flair bei Carlo, Cortina, Capri

18.8.2017, 08:57 Uhr
Internationales Flair bei Carlo, Cortina, Capri

© Foto: Horst Linke

Wer hat das Eis erfunden? Dazu existieren gelehrte Abhandlungen, die Forschungsergebnisse bis Tausende Jahre Zeit vor unserer Zeitrechnung bewerten (vgl. Info-Kasten). In Herzogenaurach ist ein Eis-Anziehungspunkt seit rund 30 Jahren das Eiscafe Carlo in der Erlanger Straße 8. Dabei ist Carlo Scarcella, der kreative Eismacher, kaum zu sehen, denn er arbeitet in seiner Weisendorfer Eis-Werkstatt, wo er neue Rezepte entwickelt. Bekanntes Gesicht und Integrationsfigur beim "kleinen Italien-Urlaub", wo sich die Tifosi-Szene auch mal bei Länderspielen während der Fußball-WM trifft, ist seit rund 30 Jahren der Kellner Carmine Fazio, der aus dem gleichen Dorf wie Carlo Scarcella in Kalabrien stammt. Kennengelernt haben sich die beiden jedoch erst in Franken.

Carlo, der inzwischen eine Handvoll Eisdielen in der Umgebung betreibt, begann seine Eiskarriere 1981 in Puschendorf mit einem Eiswagen. 1987 eröffnete er die erste Eisdiele in Herzogenaurach. Nicht nur Tüteneis und Eisbecher auch "Eisberge" oder Torten mit Früchten werden dort kredenzt. Sommertraum oder Carlo-Eis, Red Bull, Joghurette, Dickmann: Aus der Manufaktur entspringen stets auch Zeitgeist-Kreationen neben den Klassikern Schoko und Vanille. "Hier ist eine Art Stadtzentrum", weiß Kellner Carmine Fazio, der oft in Gespräche verwickelt wird. Erst jüngst habe sich ein adidas-Manager bei ihm wieder eingefunden, vor Jahrzehnten mit Kind an der Hand, nun mit "Beweis-Foto" beim Wiedersehen. Eine US-Amerikanerin kündigte ihr Kommen per Mail an. Für manche Herzogenauracher ist "bei Carlo" eine Art zweites Wohnzimmer.

Auch in Höchstadt gibt es ein Eiscafe Carlo – die Verwandtschaft des Herzogenauracher Eiscafe-Betreibers. Mit Interviews und Medien-Storys haben sie allerdings nichts am Hut: "Carlo kann für uns beide sprechen", heißt es gutgelaunt am Telefon.

Internationales Flair bei Carlo, Cortina, Capri

© Foto: Horst Linke

Eine weitere Eis-Adresse in Herzogenaurach und seit Frühjahr 2017 mit neuen Betreibern ist das Eiscafe Cortina am Marktplatz, eröffnet von Vor-Vorgänger Sergio Dolif vor Jahrzehnten. 2017 übernahm die Familie Gafuri mit Vater Zuldzevat, den Söhnen Ilber und Betim mit Familien die Eisdiele. Der Vater stammt ursprünglich aus Vukovar in Kroatien und floh wegen der Balkankriege nach Montenegro und 1989 nach Deutschland, wo er in München ankam. Als 28-Jähriger hatte er bereits Eisdielen in seiner Heimat betrieben.

In Dillingen an der Donau nahe Augsburg eröffnete die Familie 2008 ein Restaurant mit Lieferservice. Über gemeinsame Bekannte gelangte Familie Gafuri jüngst nach Herzogenaurach, wo sie sich "sehr herzlich aufgenommen fühlen, bei Stadt, Bank, Stromanbieter", wie Sohn Betim, genannt "Tim" es schildert.

Internationales Flair bei Carlo, Cortina, Capri

© Foto: Eduard Weigert

Beim Ökofest im April boten die Gafuris bereits veganes Eis im Weihersbach an. "Wir verwenden nur natürliche Produkte, keine Farbstoffe", versichert Betim Gafuri. Er ist der jüngere der beiden Söhne und in Deutschland geboren, spricht auch Deutsch besser als Kroatisch, wie er sagt. Erst mit 17 erlernte er die Sprache seiner Vorfahren: "Mein Vater bestand darauf, dass wir die Sprache des Landes können, in dem wir leben." Seine Sicht auf das Mega-Thema Migration: "Für ein Land sind Einwanderer sehr wichtig, aber sie sollten sich anpassen. Man kann ja seine eigene Religion und Vorstellungen haben, aber man braucht die Sprache." Für ihn ist erstaunlich, wie viele Menschen aus allen Ländern in Herzogenaurach leben: "Wir haben Gäste aus China, aus Taiwan, aus Frankreich, aus Holland . . ." Er überlegt, ein Gästebuch für internationale Autogramme aufzuhängen: "Ich finde die Vielfalt schön."

Wenn Musë Smakolli mit "Grazie" und "Ciao" zu seinen Gästen spricht oder seine italienischen Mitarbeiter instruiert, hält man ihn für den vollkommnen Italiener. Im Ristorante und Eisdiele Capri, die bereits eine Heßdorfer Institution sind, wird la dolce vita verströmt. Doch der Bilderbuch-Italiener mit seiner Frau Laura kommt aus Dubrovnik.

Während des Kriegschaos auf dem Balkan in den 1990ern gelangte er mit seinem Onkel "nur für ein paar Tage" nach Nordrhein-Westfalen und 1999 nach Heßdorf. Nach einigen Jahren als Arbeitnehmer eröffnete er dort eine Eisdiele, 2008 ein Restaurant. Jahre später kam das Mittagsrestaurant "Adria" in der Bahnhofstraße in Herzogenaurach dazu.

"Es ist sehr viel Arbeit", kann er nicht leugnen, aber "es macht sehr viel Freude: Gastwirt zu sein habe ich mir erfunden." Musë Smakolli ist in einer Bäckerei aufgewachsen. Das Eismachen betrachtet er als verwandtes Metier. Ständig mit neuen Zutaten und Früchten zu experimentieren ist ihm eine Freude.

Migration und Gastronomie: Das sei schon immer untrennbar verbunden. Internationale Einflüsse würden die Küchen vieler Länder bereichern: "Und das ist gut so". Politische Versuche in manchen Teilen der Welt, den Wandel aufzuhalten seien "absolut nicht akzeptabel. Dass Trump Präsident wurde, war ein Ausrutscher. Die Menschen werden das merken."

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