Kein Dassler hat Schraubstollen erfunden

10.9.2009, 00:00 Uhr

Freilich scheint es ähnlich müßig. Dies jedenfalls ergaben Nachfragen dort, wo Fußballschuhe mit Wechsel-Klötzchen erfolgreich gemacht wurden, bei adidas und Puma.

Der Bremer Werner Salot arbeitet nach den genannten Berichten an einem Buch über das Leben seines Vaters Alexander. Jener, ein Schuhmachermeister aus Bremen-Blumenthal, hat am 30. August 1949 für das Gebiet der Bundesrepublik ein Patent erhalten für «Fußballstiefel o. dgl. mit auswechselbaren Gleitschutzstollen». Patentschrift-Nummer 815761.

Zwar gab es auch schon vorher, seit den 20er Jahren, ähnliche Erfindungen, zum Beispiel von Venestus Eigler aus Oberstorf oder von Ludwig Wacker aus Zweibrücken-Ernstweiler, wie das Blatt zitiert. Doch jene waren zu schwer und umständlich zu montieren bzw. zu demontieren.

Salots Stollen waren aber «dadurch gekennzeichnet, dass die aus Leder oder ähnlichem elastischen Material bestehenden Stollen, vermittels einer in ihnen undrehbaren Kopfschraube durch eine zwischen Laufsohle und Brandsohle eingebrachte Gewindehülse gehalten werden». So die von der SZ zitierte Originalbeschreibung aus der Patentschrift.

Drei Mal Meister

Mit diesem System sei der von Alexander Salot betreute Blumenthaler SV von 1950 bis 1952 drei Mal hintereinander Bremer Meister geworden. Weit bevor Hannover 96 im Mai 1954 mit einem Puma-Schraubstollenschuh, Modell «Brasil», Deutscher Meister und die Nationalmannschaft im Juli 1954 mit dem adidas-Schraubstollen-Schuh Weltmeister wurde, der lange als der erste mit Wechselklötzchen mythifiziert wurde.

Dass Walter, Rahn, Morlock und ihre Kollegen vom Herzogenauracher DFB-Schuster Adi Dassler weit besser beschuht waren als Endspielgegner Ungarn, die mit ihren kurzen, fest aufgenagelten Stollen und schweren Stiefeln im regennassen Wankdorf-Stadion untergingen, stellt niemand in Frage.

Erfolgsmodell entwickelt

Aber auch die adidas-Archivare behaupten heute nicht mehr, Gründer Adolf Dassler habe das Schraub-System erfunden. Sie verweisen darauf, dass der Tüftler in Zusammenarbeit mit dem damaligen Bundestrainer Sepp Herberger vielmehr daraus das Erfolgsmodell von Bern entwickelt hat.

Dessen übrige Eigenschaften seien auch viel wichtiger für das «Wunder von Bern» gewesen: etwa, dass Adi Dassler dünnes Leder für die Schuhe verwendete, das erstens mehr Ballgefühl vermittelte, zweitens sich bei Nässe nicht so vollsog und leicht blieb.

Wie adidas auf Anfrage äußert, hatte die Firma schon im Gründungsjahr 1949 die ersten Schraubstollenschuhe auf den Markt gebracht. Vereine wie Werder Bremen trugen die Stiefel mit den «Matadorschraubstollen», so adidas. Deren Nachteil seien freilich der aufwändige Austausch beschädigter Gewindeeinsätze und der hohe Preis der Leder-Schraubstollen gegenüber den genagelten Stollen.

Aus Kunststoff

1952 habe Adi Dassler dann Stollen aus Kunststoff entwickelt. Jetzt seien verschiedene Formen und Längen machbar gewesen, ein großer Vorteil. Die ersten Schuhe hätten Spieler wie Fritz Walter schon vor der Weltmeisterschaft in der Schweiz bei Länderspielen getragen.

Der Puma-Geschichtsexperte Helmut Fischer legt Wert darauf, dass weder er noch die Firma mit der Raubkatze je behauptet haben, ein Dassler-Bruder - oder beide - hätten das Schraubstollen-System erfunden. Im Gegenteil: Fischer hat lange Zeit in Archiven und bei Patentämtern geforscht, um Wahrheit in die von Legenden umrankte Stollen-Geschichte zu bringen. Vor allem auch um zu beweisen, dass nicht Adi Dassler der Erfinder war.

Puma-Gründer Rudolf Dassler war es aber auch nicht. Helmut Fischer sagt vielmehr, beide Brüder hätten schon vor ihrem Streit, der zur Trennung des vereinten Unternehmens führte, sich über die Erfindungen auf dem Gebiet informiert und auch eins der schon bestehenden Patente erworben.

Als sie zu Konkurrenten geworden waren, haben beide dann wohl um die Wette entwickelt und Fischer ist sich sicher, dass Rudolf dabei einen Tick schneller war und 1952 schon einen Serienschuh mit leicht und schnell zu wechselnden Stollen auf dem Markt hatte.

Für sensationell hält Fischer die Veröffentlichungen um den Bremer Alexander Salot jedenfalls ganz und gar nicht.

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