Leben im Denkmal

29.5.2014, 09:00 Uhr
Leben im Denkmal

© Edgar Pfrogner

Draußen steht die Luft, die Hitze drückt. Drinnen ist es kühl. Das dicke Gemäuer versperrt der Schwüle den Weg ins Hausinnere. Seit Jahrhunderten tragen die alten Mauern nun schon das Bauwerk. 1680 oder 1690, so genau lässt sich das nicht zurückverfolgen, hat eine Nürnberger Familie das Gebäude in Lonnerstadt erbauen lassen.

Viel ist passiert in vergangenen Jahrhunderten. Vieles, was das Haus gesehen haben mag, lässt sich nur erahnen. Lediglich Eckdaten lassen sich rekonstruieren. Einst war der Hof ein Brauhaus, später Gastwirtschaft und Metzgerei. Dann stand es leer. Heute ist es wieder bewohnt. Volker Brehm ist vor drei Jahren in das große Haus gezogen, allein bewohnt er es. Dort, wo in den 70er Jahren die Marktbewohner über die Dielen tanzten, wo in einem vergangenen Jahrhundert noch Bier in riesigen Kesseln braute, steht heute ein großer Röhrenfernseher.

Das ist nahezu das einzige Moderne in diesem Raum ist. Den alten Holzboden, der an manchen Stellen laut knarzt, hat Brehm wieder hergerichtet. Die Bauernstühle und den massive Tisch aus dem Besitz seiner Großeltern hat Brehm restauriert und lindengrün getüncht.

Es gibt kaum einen Winkel in dem Haus, an dem Brehm nicht selbst Hand angelegt hat. Über Jahre hinweg hat der 44-Jährige Holzbalken aus alten Häusern gesammelt, nach Rezepten gesucht, um den speziellen Kalkanstrich und Putz selbst anzurühren. Und die Blumenornamente an den Wänden der ehemaligen Nähstube hat er selbst hingepinselt. Ein Lebenswerk ist das Haus, eine Lebensaufgabe, die vielleicht niemals endet.

Freilich, manches musste der Rettungssanitäter für diese Leidenschaft schon einbüßen. Noch nie in seinem Leben ist er in den Urlaub gefahren, geschweige denn in einen Flieger gestiegen. Aber das stört ihn nicht. Er weiß, wofür. Er weiß, wo seine Wurzeln sind.

Seit 1996 renoviert er das Haus. Die Decke ist ihm dabei nicht nur im wörtlichen Sinn schon mehrmals auf dem Kopf gefallen (dreimal im Wohnzimmer). Alle paar Monate bekommt er einen Rappel. Dann lässt er für drei oder vier Wochen die Arbeit am Haus ruhen. Die Leidenschaft kommt von selbst wieder, packt ihn und treibt ihn an, weiter an dem Haus zu werkeln.

1983 waren seine Großeltern gestorben, mit ihrem Tod schlossen auch die Gastwirtschaft und die Metzgerei ihre Pforten. Dann stand das Haus erst einmal leer. An der Fassade bröckelte der Putz, die Fensterläden waren schon morsch — kurzum das große Haus hatte seine beste Zeit längst hinter sich, war marode und im Begriff, völlig zu verfallen. Heute leuchtet das Englisch-Rot der Fassade wieder von Weitem. Eines Tages will Brehm das Untergeschoss vermieten und vielleicht Weinproben im Hof veranstalten. Was der gebürtige Lonnerstadter aus dem leer stehenden Haus gemacht hat, ist eine Ehrung wert, findet die Hypo Kulturstiftung in München, die jährlich den Denkmalpreis auslobt.

Das Landratsamt hat das alte Brauhaus für den Wettbewerb vorgeschlagen — für den ersten Platz, der mit 20 000 Euro dotiert ist, hat es nicht gereicht. Doch Volker Brehm wird mit einer Anerkennung und 7000 Euro ausgezeichnet. Gemessen mit den Gesamtkosten von mehr als 240 000 Euro, die Brehm nun schon ausgegeben hat, ist diese Summe freilich nur ein Bruchteil. Für Brehm indes ist die Auszeichnung eine Bestätigung, dafür, dass es sich gelohnt hat, all die Mühen auf sich zu nehmen. Wenn Besucher sein Haus bestaunen, freut ihn das ebenso sehr — denn die Schönheit des Gebäudes ist für ihn schon lange Alltag.

Keine Kommentare