Martin Grau „versenkt“ Silber

24.7.2011, 20:25 Uhr

Sein Trainer Markus Mönius war überglücklich, aber noch Minuten nach dem Rennen seines Schützlings nicht ansprechbar. Zu sehr hatte ihn der Krimi in Estland mitgenommen. Denn nach einem dramatischen Rennverlauf schien Grau sogar die Silbermedaille sicher zu haben.

Doch bei der letzten Überquerung des Wassergrabens passierte ihm ein folgenschweres Malheur – laut Mönius aber selbstverschuldet: „Es ist eine blöde Angewohnheit von ihm, sich relativ häufig umzusehen. Und genau das tat er in diesem Schlussspurt, obwohl eigentlich kein Rivale mehr auf Schlagweite war.“

So verschätzte er sich beim Sprung auf den Balken und krachte heftig mit dem Schienbein dagegen. Er stürzte über das Hindernis und zum Schock für seinen Coach, der nur wenige Meter entfernt stand, versank er komplett im Wassergraben. Als er sich wieder aufrappelte, lief der bisherige Dritte Muhammet Tan soeben an ihm vorbei. Trotz aller Anstrengungen konnte Grau nicht mehr genug Schwung aufnehmen, um den Türken noch einmal einzuholen. Mit blutverschmiertem Schienbein lief er erschöpft, aber mit einer Medaille ins Ziel.

Taktisch hatte der Biengartener bis auf den Lapsus am letzten Wassergraben alles richtig gemacht. Zunächst hielt er sich sichtlich zurück, ließ den Russen Ilgizar Safiullin das Tempo machen. Der Favorit lief vom Start weg vorne und zermürbte mit hohem Tempo alle seiner Verfolger.

Immer mehr der vermeintlichen Medaillenkandidaten mussten abreißen lassen – und darauf hatte Grau nur gewartet. Von Runde zu Runde arbeitete er sich nach vorne. Zunächst auf Platz acht oder neun laufend, war er nach 1400 Metern bereits Sechster, nach 1800 Metern war er Fünfter. Vor ihm Safiullin, der Franzose Collenot-Spriet, der Spanier Carro und der Türke Can.

Einen Platz unter den ersten Fünf hatte Trainer Mönius für realistisch gehalten, weiter aus dem Fenster lehnen wollte er sich verständlicherweise nicht, weil er nicht abschätzen konnte, wie sein Talent den Vorlauf weggesteckt hatte.

Aber Martin Grau wollte mehr. Eine Runde später war auch der Spanier „geschluckt“, 400 Meter vor dem Ziel lag auch Tan hinter dem Ass des TSV Höchstadt.

Franzose am Ende

In der folgenden Kurve war zu sehen, dass der Franzose, bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Kanada noch vor Grau, mit den Kräften am Ende war. Fast mühelos ging der junge Franke vorbei und legte Meter um Meter zwischen sich und seine Hintermänner.

Das musste einfach Silber sein – doch der Hindernislauf hat eben seine speziellen Tücken. Diesmal erwischte es Martin Grau, Tan profitierte vom Sturz, Collenot-Spriet war so platt, dass er am allerletzten Hindernis ebenfalls stürzte und sogar auf Platz sechs durchgereicht wurde; einen Rang hinter dem zweiten Deutschen, Tim Stegemann aus Spandau.

Trotz seines Sturzes pulverisierte Grau seine bisherige Bestmarke, war mit 8:48:79 fast sieben Sekunden schneller als in Moncton vor einem Jahr und Ende Juni in Bremen.

Ohnehin war es angesichts der keineswegs optimalen ein enorm schnelles Rennen: Safiullin wurde für seine Tempoarbeit doppelt belohnt: mit Gold und einem neuen Europameisterschaftsrekord, und auch die nächsten vier Läufer unterboten ihre persönlichen Bestmarken.

Trainer Mönius war jedenfalls völlig aus dem Häuschen: „Erst das Staffel-Gold in Kassel, das war schon fantastisch, aber eine Medaille bei einer Europameisterschaft - mehr geht doch gar nicht.“ Wenn er sich da mal nicht täuscht. Denn so explosionsartig, wie sich das Höchstadter Top-Team in den vergangenen Jahren entwickelt hat, scheint das Ende der Fahnenstange beim TSV noch nicht erreicht zu sein.

Endstand: 1. Ilgizar Safiullin (Russland) 8:37,94, 2. Muhammet Emin Tan (Türkei) 8:46,74, 3. Martin Grau 8:48,79, 4. Fernando Carro (Spanien) 8:54,26, 5. Tim Stegemann (Deutschland) 8:54,66, 6. Romain Collenot-Spriet 8:56,89, 7. Julien Detre (beide Frankreich) 9:01,54, 8 Víctor Puyuelo (Spanien) 9:05,12.