Mehr Hanf im Leben

29.2.2012, 17:38 Uhr
Mehr Hanf im Leben

© Kerstin Freiberger

Robert Hertel (47) aus Herzogenaurach ist von seiner Idee überzeugt: „Wir stehen vor einer kleinen Revolution“, sagt er, während er durch das Lager der Firma im Industriegebiet läuft. Hier stapeln sich Kartons mit Hosen, Jacken, Pullover, Hemden — sortiert nach Farben und Größen. Kunstfasern findet man hier nicht. 30 bis 100 Prozent beträgt der Hanfanteil, die restlichen Fasern sind aus Bio-Baumwolle. Doch noch fällt „HempAge“ aus der Reihe. Denn nur ein Prozent der Fasern in der Bekleidungsindustrie sind aus Hanf. Baumwolle beherrscht den Markt.

Hertel ist aber überzeugt, dass Hanf im Kommen ist. Diese Faser habe zahlreiche Vorteile: „Die Kleidung ist angenehm zu tragen, kühlt im Sommer, ist antibakteriell und man fühlt sich darin sofort wohl“, wirbt Hertel, der seit Jahren selbst nur Hanf trägt. Auf einen Hektar Grundfläche erziele man zudem – im Vergleich zu Baumwolle – mindestens das Zehnfache an Ertrag. Hanfpflanzen können außerdem ohne Einsatz von Spritzmitteln angebaut werden.

Doch Probleme bei der Verarbeitung sowie der geschichtliche Hintergrund bremsen: „Früher hatten wir nur Kleidung aus Hanf, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Anbau verboten. Seit etwa 15 Jahren ist der Anbau von bestimmten Sorten wieder erlaubt“, erzählt Hertel.

Hier stolpert die Firma über die erste Hürde. Es dürfen nämlich nur Sorten angebaut werden, die weniger als 0,15 Prozent des Rauschmittels THC enthalten. Es fehlt die Artenvielfalt. Dazu kommt ein Imageproblem: „Viele bringen den Hanf mit Drogen in Verbindung, doch Nutzhanf ist etwas anders.“ Weil aus Hanf Drogen hergestellt werden, wurde der Anbau auch verboten. Wegen eines drohenden Faserengpasses wurde dieses Verbot aber wieder aufgehoben.

Robert Hertel forscht schon lange in diesem Bereich. 1991 gründete der gelernte Heizungs- und Lüftungsbauer eine Einzelfirma und spezialisierte sich auf fairen Handel. Weil damit auch der ökologische Handel verbunden ist, sei er auf den Hanf gestoßen.

Interessant ist die Pflanze derzeit aber vor allem für kleine und mittlere Firmen, für große Kleidungshersteller ist Hanf nicht lukrativ, weil die Herstellung fünfmal so teuer ist wie die Herstellung aus Baumwolle.

Technik hinkt hinterher

Das große Problem ist die umständliche Weiterverarbeitung. Es gebe kaum Maschinen, mit denen die festen Fasern bearbeitet werden können. Kleidung aus 100 Prozent Hanf produziert das mittelfränkische Unternehmen mit einer 100 Jahre alten Maschine, weil aufgrund des jahrelangen Verbotes der technische Fortschritt fehlt.

„Die Entwicklung von neuen Maschinen ist teuer, und Hersteller befürchten, dass es keinen Markt dafür gibt“, schildert Hertel. Die Firma „HempAge“ selbst habe nur geringe finanzielle Möglichkeiten für die Forschung.

Dazu kommt ein Ernteproblem. Derzeit werden die Fasern und die holzigen Schäben in Fabriken getrennt, eine saubere Trennung ist aber nicht möglich. „Wir sind dabei, Maschinen zu entwickeln, mit denen die Bauern 100 Prozent Fasern ernten können“, verrät Hertel. „Wenn das funktioniert, ist es eine kleine Revolution.“

Auch die Verarbeitung gestaltet sich noch schwierig. Sehr viel muss in Handarbeit erledigt werden. „HempAge“ produziert mittlerweile in China, weil dort auch angebaut wird. Aber: „Wir setzen auf fairen Handel“, sagt Hertel. Die Mitarbeiter in China verdienten mindestens 345 Euro pro Monat, im Vergleich zu Deutschland würden dort die Kosten für den Lebensunterhalt nur ein Zehntel betragen. Auch bei der Produktion versuche „HempAge“ auf die Umwelt zu achten: „Bei uns finden Sie kein reines Weiß und kein tiefes Schwarz.“ Denn vor allem diese Färbungen enthalten viele Schadstoffe. „Wir verzichten komplett auf krebserregende Stoffe“, verspricht Hertel.

Kontinuierliches Wachstum

Das Konzept scheint sich durchzusetzen: Das Unternehmen wachse mittlerweile jährlich um rund 20 Prozent. Derzeit sind zehn Mitarbeitende in Adelsdorf tätig, der Umsatz liegt bei 1,2 Millionen Euro. Knapp 100000 Kleidungsstücke werden jährlich in Europa in Einzelhandelsläden für Natur-Textilien verkauft.

Die Kleidung ist dabei nicht teurer als Markenware. Jeans sind zum Beispiel ab 99 Euro, Hemden ab 59 Euro erhältlich. Hertels Ziel ist es, weiter zu wachsen. Das Firmengelände ist bereits zu klein. „Eigentlich wollten wir erweitern, aber das geht nicht. Nun suchen wir einen neuen Standort zwischen Nürnberg und Höchstadt“, verrät Hertel. K. FREIBERGER

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