Michael Posset: Was ist eigentlich ein richtiger Mann?

14.3.2017, 05:57 Uhr
Michael Posset: Was ist eigentlich ein richtiger Mann?

© Foto: Patrick Pleul

Der Junge kommt von der Schule nach Hause. "Wie war dein Tag", fragt die Mutter. "Normal halt", antwortet der Junge und wendet sich ab. Eine typische Situation, wie sie ständig vorkommt. Die Mutter, die nur höflich sein will. Der Junge, der seine Ruhe haben will.

Für viele Eltern unverständlich, für Michael Posset eine ganz normale, sogar gesunde Reaktion. Posset sieht eine Botschaft. Und die will verstanden werden. Der Sozialpädagoge des Bayerischen Jugendrings steht in der gefüllten Mensa des Gymnasiums. Vor ihm Lehrer und Eltern der Schule, hinter ihm eine kleine Leinwand, auf der die drei wichtigsten Pfeiler des Jungenlebens stehen.

Da sind die Rollenvorgaben, die sich aber zunehmend auflösen. Und Vorbilder, die aber manchmal schlicht fehlen. Und typische Jungs-Bedürfnisse, wie die Risikofreude, der Bewegungsdrang, das Suchen und Finden von Grenzen. Man kann auch sagen: Sind zwei Ventile verschlossen, steigt der Druck auf das dritte: Doch die Jungs-Bedürfnisse passen nicht mehr so recht in unsere Gesellschaft. Oder in Possets Worten: "Die Spielräume werden geringer."

Dass diese drei Pfeiler teilweise wegbrechen, erschwert den Jungs das Erwachsenwerden. "Etwa ab dem sechsten Lebensjahr bemerkt der Junge, dass er eine Aufgabe hat", erklärt Posset. Dann macht es unbewusst Klick im Kopf. "Er merkt, dass er ein richtiger Mann werden muss."

Aber wie sieht er aus, der Mann der Gegenwart und Zukunft? Das lange unverrückbare Bild des starken Mannes, der seine Familie ernährt, wurde größtenteils weggewischt. Ein neues will noch niemand so recht zeichnen, die richtigen Grautöne zwischen Machosein und verweichlichtem Mann sind teils noch unbekannt. "Dass die klassischen Rollenmuster weg sind, ist gut", meint auch Posset. "Aber für die Jungs ist es schwierig, Orientierung zu finden."

Der Sozialpädagoge hat vier Rollen ausgemacht, in die Jungs schlüpfen müssen, um sich gesund zu entwickeln: Der gerechte und ordentliche König, der experimentierfreudige und einflussreiche Magier, der heldenhafte und abenteuerlustige Krieger sowie der emotionale und sensible Liebhaber. Wer sich jetzt bei all den mystischen und fantasievollen Bezeichnungen eher an Computerspiele erinnert fühlt als an seine eigenen Kinder – zurecht.

"Denn die Designer von Computerspielen", so Possets These, hätten die Bedürfnisse der Jungs voll entschlüsselt. Deshalb seien Computerspiele durchaus wichtig für die Entwicklung. Der sogenannte "Lebenstank" aus Bedürfnissen kann durch die Spiele gefüllt werden. "Nur die anderen Tankstellen wie Familie und Freunde müssen dabei offenbleiben."

Doch wie sollen Eltern und Lehrer jetzt konkret umgehen, mit all diesen widersprüchlichen Bedürfnissen und Verhaltensweisen? Grenzen durch Sanktionen setzen ist durchaus angebracht, darf aber nicht das einzige Mittel bleiben. Authentisches Lob bleibt wichtig ("Das kann einschlagen wie eine Bombe"), immer klar sein ("Aber trotzdem einfühlsam"), Motivation durch Motive setzen ("Dürfen aber nicht zu weit in der Zukunft liegen").

Und verstehen, dass Jungs manchmal einfach das beste Verhalten zeigen, was sie gerade bieten können. Womit wir wieder bei den Botschaften wären. Jungs ein besseres Verhalten anzubieten, ist eine mögliche Lösung. Eine andere wäre der Versuch, die oftmals verklausulierten Botschaften, zu übersetzen. Oder zu akzeptieren, dass gewisse Rollen einfach zum Jungensein dazugehören.

Denn wenn Michael Posset von seinen wöchentlichen Männerabenden nach Hause kommt und seine Frau ihn fragt, wie denn sein Tag war. "Dann dürfen Sie jetzt dreimal raten, wie ich antworte."

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