Mission Gold beginnt auf morschen "Böcken"

16.8.2017, 14:33 Uhr
Mission Gold beginnt auf morschen

© Foto: Niko Spörlein

Eine Nachbarin hängt die Wäsche auf, zwei Kinder hüpfen auf dem Trampolin, die Glocken läuten. Markus Mönius stellt die schon etwas morschen Holzhindernisse, liebevoll "Böcke" genannt auf die unebene Bahn. Bei einem stellt er mit Abstand Hütchen auf und spannt eine Schnur. "Das ist unser Wassergraben", erläutert der Trainer des LSC Höchstadt. Ein echtes Wasserhindernis haben nur wenige Vereine, in Höchstadt sowieso nicht.

Nur "Pech", dass mit Martin Grau gerade von hier Deutschlands bester Hindernisläufer der vergangenen Jahre kommt. Und der trifft nach einigen Kilometern Warmlaufen nun auf der Anlage ein.

Mönius hat einen "echten Härtetest" angekündigt. Auch das Wetter passt: Fast noch 30 Grad und ziemlich schwül. Nächste Woche bei der Studenten-Weltmeisterschaft in Taipeh muss man wohl ein paar Grad und ein paar Prozent mehr Luftfeuchtigkeit hinzuaddieren. Aber das macht Grau nichts aus: "Ich mag nur keine ganz trockene Hitze."

Mission Gold beginnt auf morschen

© Foto: moe

Ein paar Minuten Dehnen noch, ein paar lockere Hüpfer über die Hindernisse, dann beginnt das äußerst knackige Programm. Zuerst soll der 25-Jährige 1500 Meter in 4:15 Minuten laufen, dann zwei mal in Folge die 1000 Meter in 2:49 und zum Abschluss eine schnelle letzte, 400 Meter lange Runde in 62 Sekunden rennen. Alles natürlich mit den Hindernissen – und jeweils nur vier Minuten Pause zwischen den Einheiten. Die Vorgaben sind anspruchsvoll, die 1500 Meter etwa würden – doppelt gezählt – eine Zeit von 8:30 ergeben. So schnell war Grau in dieser Saison noch nicht.

Mission Gold beginnt auf morschen

© Foto: Niko Spörlein

Trainer Mönius schwingt sich extra aufs Fahrrad, um seinen Schützling zu begleiten und anzufeuern. "Das habe ich auf der Bahn noch nie gemacht, aber man bekommt jetzt echt Respekt vor dem Tempo, das der Martin da hinlegt", so der Coach ehrfürchtig. Und das Gefühl für (Gegen-)Wind. Auf der Zielgeraden bläst er den beiden heftig entgegen, ein kleines Gewitter ist im Anmarsch. Mönius ruft Grau zu: "Kämpf‘ Dich durch durch die Wand!" Und lobt dann im Ziel: "Das war mega, Martin!" Genau bei 4:15 stoppt seine Uhr. Trotz des Windes, der viel Zeit kostet.

Mönius ist ohnehin optimistisch. Vor allem seit vergangenem Samstag: "Das war das beste Training mit Martin, seit ich ihn kenne."

Auch am Dienstagabend enttäuscht der Läufer aus Biengarten seinen Lehrmeister nicht. Der erste Tausender ist wieder exakt in der Vorgabezeit absolviert, beim zweiten fehlen ein paar Sekunden, aber da sind die Böen noch heftiger. Dafür lässt Grau es beim abschließenden 400er richtig krachen. Statt 62 braucht er nur 60,3 Sekunden, obwohl er hinterher sagt: "In der Kurve hatte ich das Gefühl, ich stehe, weil der Wind da wie eine Mauer war."

Das letzte Training in Höchstadt war also ein Erfolg, am  Donnerstag sitzt er mit der 185-köpfigen deutschen Delegation im Flieger nach Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan.

"Seine Form ist klar besser als bei der deutschen Meisterschaft in Erfurt", sagt der Trainer. Da war Grau "nur" Zweiter hinter Lokalmatador Tim Stegemann geworden. Der Athlet selbst denkt auch, dass er jetzt "ganz sicher" die Basis für ein Tempo von 8:30 Minuten hat: "Jetzt muss ich nur noch frisch werden nach der harten Trainingsbelastung der vergangenen Wochen."

Asien war ja bisher ein gutes Pflaster für den Biengartener: 2015 hatte er in Gwangju (Südkorea) bei seiner ersten Universiade triumphiert. Das Klima war dort ähnlich wie in Taipeh, was Grau Hoffnung macht: "Und ehrlich gesagt: Am liebsten ist es mir, wenn es ein bisschen regnet."

Prognosen über seine Chancen 2017 könne man nicht treffen – zumindest so lange nicht, bis eine Starterliste vorliegt. Schicken andere Nationen ihre Teilnehmer an der WM, die gerade erst zu Ende gegangen ist, oder nur die zweite Garnitur?

Bis Donnerstag nächster Woche wird er es erfahren, denn da sind die Vorläufe angesetzt,. das Finale dann am Sonntag.

Trainer Mönius wird das alles im Livestream im Urlaub in der Toscana verfolgen, doch vier Fans aus Höchstadt hat Martin Grau in Südostasien dabei: Georg Franz ist Jugendleiter beim LSC – und seine Schwiegereltern wohnen in Taipeh, wo er selbst schon drei Jahre gelebt hat. Mit Ehefrau Elaine und den beiden ebenfalls leichtathletikbegeisterten Kindern Michelle (14) und Mark (elf) wird er auch im Stadion sein – im leuchtend orangefarbenen LSC-Dress und mit Deutschlandfahne.

Und weil für Martin Grau nur noch sehr lockeres Training auf dem Programm steht, freut er sich auf Sightseeing mit dem Vereinskameraden. Vor allem der 508 Meter hohe Wolkenkratzer "Taipei 101" steht auf seiner Liste. Klar: Auch der Hindernisläufer will ja hoch hinaus – und am besten seinen Titel verteidigen.

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