Motivation reicht nicht über die volle Distanz

15.5.2012, 17:59 Uhr
Motivation reicht nicht über die volle Distanz

© Roland Huber

Zwar musste das Team seit Februar 2011 auf die alles überragende Torschützin Tina Müller (Babypause) verzichten, konnte sich jedoch für die zweite Saison mit fünf äußerst talentierten Zugängen aus Erlangen wertvoll verstärken. Dieser Eindruck bestätigte sich zunächst, überraschte die Mannschaft anfangs ebenso nachhaltig wie im Jahr zuvor.

Doch wie damals kam es auch in dieser Rückrunde zu einem Leistungseinbruch, wechselten zunehmend sogar innerhalb einer Halbzeit grandiose Aktionen mit solchen, bei denen man nicht in der Lage war den Ball unfallfrei über drei Meter an die Mitspielerin weiterzuleiten und offensichtlich auch die Orientierung im Rückzugsverhalten verlor. Selbst in der einst uneinnehmbaren „Festung“ Gymnasiumsporthalle wurde die TSH vielfach überrannt – und dies fast ohne erkennbare Gegenwehr.

Natürlich wurde man von einigen Verletzungen heftig gebeutelt, doch diese waren seit Jahresbeginn bis auf zwei Ausnahmen behoben. Da kam fast der Eindruck auf, als hätte man nur so lange eine der Spielklasse angemessene Einstellung aufgebracht, bis jeweils der Klassenerhalt praktisch gesichert war. Wenn dann Trainer Udo Hermannstädter die Trainingsmoral beanstandete, darf man sich nicht wundern, dass es trotz des enormen Talentes jeder Einzelnen schon wegen mangelnder Physis zu derartigen Aussetzern kommt.

Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass diese Mannschaft ein außergewöhnliches Potential besitzt, aber zuletzt praktisch jede Spielerin unter Wert agierte. Nichts belegt dies deutlicher als der phänomenale Pokalauftritt in Ismaning, wo man nach eigenem Bekunden im Gegensatz zum Ligaalltag nochmals ein klares, zeitlich überschaubares Ziel vor Augen hatte und dementsprechend alle Reserven mobilisierte.

Warum man aber sich selbst und den Fans diese Achterbahnfahrt antut, versuchten die NN im Gespräch mit den Mannschaftsführerinnen Andrea Berner und Christine Wölfel sowie Trainer Hermannstädter zu ergründen. Einig war man sich darüber, dass es dem Team aktuell an einer Leaderin auf dem Feld fehlt, eine, die nicht nur selber in Drucksituationen Verantwortung trägt, sondern an der sich auch die Nebenleute aufrichten können, so wie das bei Tina Müller der Fall war. Birte Köbberling wird dies zwar zugetraut, doch ist sie beruflich bedingt nur unregelmäßig im Training oder bei den Spielen und sieht sich daher selber nicht als „Vorbild“.

Berner, der Hermannstädter als auch Wölfel eine ähnliche Rolle zutrauen, war im Winter wegen ihrer angespannten Berufsfortbildung so selten im Training, dass es ihr schon deswegen an der Physis fehlte. Hinzu komme, dass man „als lupenreine Amateure dann eben auch mal private Interessen und Verpflichtungen nach vorne stellt“.

Im Pokalfinale aber sei jede 120 Minuten auch da hingegangen, „wo es weh tut“ und schon auf der Anfahrt habe man gemeinsam jene Motivation aufgebaut, mit der man später fast Berge versetzen konnte.

Hermannstädter bekannte sich auch zu eigenen Fehlern in dieser Saison. So habe er einige Dinge nicht in Griff bekommen, ohne diese näher zu nennen. Zudem sei von außen immer wieder die Forderung gekommen, dass er mehr auf die eigenen Leute setzen möge, weniger auf externe Stars. Dies löste jedoch umgehend den Widerspruch beider Mannschaftsführerinnen aus: „Das sehen wir im Team ganz anders, bei uns gibt es nur eine TS-Mannschaft, keine verschiedenen Gruppen und das sollte man auch außerhalb endlich akzeptieren.“

Und der Trainer erinnerte daran, dass er ja durchaus auch vereinzelt Nachwuchskräfte einbaue in der Hoffnung, dass sie von den anderen mitgetragen würden. Diese aber hätten in der Regel mit sich selber genug zu tun gehabt, daher musste er im dritten Viertel der Saison, als man schon die Abstiegszone in Sichtweite hatte, der Klassensicherung Priorität geben.

Generell aber habe man laut Berner und Wölfel im Team durchaus erkannt, dass „wir in Sachen Trainingsbeteiligung bestrebt sein müssen zuzulegen, denn mangelnde Physis habe auch nicht ausreichende spielerische Substanz zur Folge und sei maßgeblich für vielen technischen Unzulänglichkeiten verantwortlich.“

Natürlich könne man nicht 26 Spiele mit dem gleichen Aufwand bestreiten wie jetzt im Pokalfinale, doch es sollte ein richtungsweisender Maßstab sein. Einig waren sich alle darüber, dass man heuer von einer „Zweiklassengesellschaft“ in der Bayernliga sprechen könne. Dass der Coach sein Team trotz Platz neun (Vorsaison fünf bei heuer 13 Mannschaften der oberen Hälfte zuordnet, ist gemessen am Potential nachvollziehbar, nur müssen die Spielerinnen dies in der neuen Saison auch ergebnismäßig wieder nachweisen. VOLKER SCHNELLER

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