Mühlhausen: Heimatverein blättert im Archiv

18.7.2016, 18:56 Uhr
Mühlhausen: Heimatverein blättert im Archiv

© Foto: Enz

Im letzten Jahr bezog der Heimatverein Reicher Ebrachgrund in Mühlhausen ein neues Vereinsheim. Nun fand zum ersten Mal eine Veranstaltung in der Räumlichkeit an der Bamberger Straße statt. „Wir haben länger überlegt, neben den traditionellen Veranstaltungen etwas Neues zu machen“, erläuterte Rudolf Schmidt. Schließlich habe man, so der erste Vorsitzende des Heimatvereins, das Format „Anno dazumal“ entwickelt. Anstelle eines ausführlichen Fachvortrages gibt es dabei nur ein Thema. „Dazu kann man sich zwanglos unterhalten, diskutieren und erinnern“.

Am Sonntagnachmittag hatten sich die Heimatfreunde die Geschichte des inzwischen aufgelösten Heimat- und Verschönerungsvereins Mühlhausen vorgenommen. Nicht ohne Grund. Im Nachlass des verstorbenen Grundschullehrers Georg Beck war das zwischenzeitlich verschollen geglaubte Protokollbuch des am 30. Juli 1899 gegründeten Vereins wieder aufgetaucht. „Mit Unterstützung von Anna und Gertrud Bär haben wir die Aufzeichnungen nun elektronisch erfasst und bearbeitet“, erläuterte Rudolf Schmidt. Entstanden ist so ein neuer heimatkundlicher Fundus, der neben neuen Facetten der Dorfgeschichte auch manch bunte Anekdote bereithält.

Gravierender Eingriff

„Die ersten Seiten befassen sich mit dem Bau der Bahnlinie“, berichtet Anna Bär. Ein gravierender Eingriff in das Ortsbild und den ganzen Ebrachgrund. Mit Anpflanzungen hatte der Verschönerungsverein zunächst versucht, die Gleisanlagen zu kaschieren. „Wie das bei solchen Großprojekten eben ist, gab es wohl Abstimmungsprobleme. Schließlich hat die Reichsbahn alles wieder weggerissen“, so Bär. Andere Aktivitäten des Vereins sollten länger Bestand haben. Beispielsweise die Gestaltung der Lutherhöhe und des Scheidingshains. Eine Maßnahme prägte gar bis vor wenigen Jahren noch das Ortsbild. „Eine der zum 300-jährigen Reformationsjubiläum 1817 auf der Lutherhöhe gepflanzten Eichen wurde 1926 an den Marktplatz versetzt“, erläuterte Rudolf Schmidt. „Dort stand sie bis zur Dorferneuerung“.

Badeanstalt errichtet

Im Jahr 1928 errichtete der Heimat- und Verschönerungsverein schließlich eine Badeanstalt. „Gut 600 Reichsmark hatte man dazu von den Bürgern gesammelt. Für damalige Verhältnisse eine stattliche Summe“, betonte Anna Bär. Dort wo sich heute die Brücke der Umgehungsstraße befindet, wurde schließlich ein Freibad eingerichtet. Dazu gehörten – ähnlich dem am Höchstadter Engelgarten eingerichteten Aischbad-Umkleidekabinen für Buben und Mädchen, ebenso wie privat anzumietende Einzelräume. „Wir alle haben dort schwimmen gelernt“, erinnert sich Gertrud Bär. Ein wirtschaftlicher Erfolg für den Verein wurde die Badeanlage dennoch nicht. Wohl auch, weil es nicht gelang, den zu Beginn erhobenen Eintritt auf Dauer durchzusetzen. So wurde die Trägerschaft des Ebrach-Bades 1931 schließlich an die Gemeinde abgegeben. Mit der Gleichschaltung des Heimat- und Verschönerungsvereins 1933 wurden dann auch die übrigen Aktivitäten wie Lichtbildabende und Blumenwettbewerbe eingestellt. Auf Anweisung der Gauleitung wurde 1936 zwar der Badebetrieb noch einmal aufgenommen. „Für 30 Reichsmark wurden Saisonkarten verkauft“, so Rudolf Schmidt. „Doch dann schweigt die Chronik endgültig“.

Bis sich schließlich am 5. März 1950 24 Männer unter Federführung von Karl Pröls zu einer Neugründung zusammenfinden. Sie erneuern die Anlage rund um die Dorflinde ebenso wie das nach dem Mühlhausener Dorfarzt und Mäzen Dr. Martin Scheiding benannte Naherholungsgebiet Scheidingshain. „Heute trifft man da oben niemanden mehr“, beklagt Brigitte Hertlein. Trotzdem verbinden viele Einheimische bis heute schöne Erinnerungen mit der Anlage über den Dächern Mühlhausens, wie verschiedene Zuhörer bestätigten. „Dort habe ich 1958 immer meinen heutigen Mann getroffen. Da konnte man auch mal allein sein“, bemerkte etwa Gerda Reichenbacher. Und sogar von einem eigenen Heimatmuseum im Schloss träumen die Verantwortlichen in diesen Tagen. Doch daraus sollte nichts werden. Nach Differenzen mit Bürgermeister und Gemeinderat schläft der Verein Ende der 1950er Jahre abermals ein.

Auf Initiative Bürgermeister Karl Möhringers wird der Verein am 23. Januar 1968 ein weiteres Mal neu gegründet. 41 Mitglieder packen an. Auf Gemeindegrund werden Hecken gepflegt, der Friedhof aufgefrischt und ein Turnplatz eingerichtet. Auch bei Einführung von Straßennamen findet der Heimat- und Verschönerungsverein Gehör.

Die Einrichtung eines Spielplatzes wird vom Gemeinderat allerdings unterbunden. Eine Zäsur für den noch einmal aufgeblühten Verein – der bis 1974 schließlich auf 13 Mitglieder schrumpft. „Ab dann finden sich in der Chronik wieder keine Einträge mehr“, berichtet Rudolf Schmidt. Die Impulse der sichtlich in die Jahre gekommenen Chronik reichen den Zuhörern jedoch aus, um bis in die Abendstunden in Erinnerungen zu schwelgen. Deutlicher Beleg dafür, dass das Konzept „Anno dazumal“ funktioniert.

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