Namibia: "Senior-Experte" auf besonderer Mission

20.9.2017, 17:00 Uhr
Selfie mit einem seiner Schützlinge: Auch das gehört zur Vertrauensbildung.

Selfie mit einem seiner Schützlinge: Auch das gehört zur Vertrauensbildung.

HÖCHSTADT / SWAKOPMUND — Grebner betrat bei seiner besonderen Mission kein persönliches Neuland, denn er kennt Afrika im Allgemeinen und Namibia im Speziellen wie seine Westentasche. Von 1997 bis 2003 war er als Austauschlehrer in Windhoek, knüpfte dabei viele Beziehungen, die er bis heute pflegt und gründete sogar ein Waisenhaus-Projekt, das seinen Namen trägt.

Für die Wirtschafts-Stiftung musste sich Grebner freilich mit einer Materie auseinandersetzen, die für den Mathelehrer zumindest in seiner aktiven Schulzeit gewiss nicht zu den Schwerpunkten zählte: dem Umgang mit kleinen Kindern, denen es in dem bitterarmen Land herkunftsbedingt an grundlegender Basis-Bildung mangelt. Grebners Einsatzgebiet: eine "informelle Siedlung" in der Peripherie von Swakopmund, noch jenseits der Townships gelegen. Hier leben gut 15 000 Menschen unweit großer Müllhalden, die von der modernen Großstadt nebenan produziert werden – und in denen arme Frauen tagtäglich nach Nahrung wühlen. Wer hier wohnt, ist oft aus dem noch ärmeren ländlichen Süden des Landes hergezogen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben

In der "Democratic resettlement Community", wie die informelle Siedlung im Amtsjargon heißt, stehen windschiefe Hütten, sogenannte Shacks, "zusammengezimmert aus Wellblech, Pappe oder Holz, ohne Strom, mit zentralen Wasserhähnen, aus denen man sich gegen Bezahlung Trinkwasser ziehen kann", beschreibt Roland Grebner die wackeligen Domizile, die zudem fast immer stark überbelegt sind.

Namibia:

© Foto: Roland Grebner

Auch das von Grebner betreute Kindergartenteam lebt so. Es besteht aus jungen Frauen, die nach der 10. Klasse die Schule verlassen mussten, um für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien zu arbeiten. "In Windhoek hatte ich Assistentinnen mit ,great twelve’-Abschluss, was unserem Abitur nahe kommt", erzählt Grebner. In jedem Fall würde mit viel Engagement ausgeglichen, was an Schulbildung fehle.

"Für meine Praxistipps erntete ich viel Dankbarkeit", erinnert sich Grebner, der sich unter anderem mit dem Studium spezieller Arbeitsblätter vorbereitete. Und feststellen musste, dass man sich auf manches nicht vorbereiten kann, zum Beispiel auf das beinahe babylonische Sprachengewirr in Namibia: "Englisch ist zwar eigentlich offiziell Verkehrssprache, aber die Menschen in der informellen Siedlung sprechen es oft nicht", berichtet Grebner. Auch die Lernvoraussetzungen der Kinder seien "extrem niedrig", zudem fehle es auch am Lernwillen und sogar an der Neugier, etwas Neues zu erfahren.

Die Menschen leben zum Teil in Hütten ohne Strom und fließendes Wasser.

Die Menschen leben zum Teil in Hütten ohne Strom und fließendes Wasser.

Die 75 Kinder, die am Kindergartenprojekt teilnehmen dürfen, gelten in der Siedlung als privilegiert, denn "sie bekommen nicht nur Bildung, sondern auch warmes Essen", meint Grebner nachdenklich und fügt hinzu: "Da bekommt man schon manchmal Selbstzweifel und fragt sich, was man da macht, was man überhaupt erreichen kann."

Mit dem Fahrrad vollzog Grebner jeden Tag in vergleichsweise kurzer Zeit den Übergang in eine andere Welt, von der "extrem einfachen" informellen Siedlung durch das schon deutlich wohlhabendere Township Mondesa hinein nach Swakopmund, das laut Roland Grebner "europäischen Standard" hat – ein touristischer Brennpunkt mit noblen Ferienvillen, deren reiche Bewohner die Armut vor ihren Haustüren "einfach ausblenden", wie es Roland Grebner erlebt hat.

Die Lebensverhältnisse in der "informellen Siedlung" sind sehr ärmlich.

Die Lebensverhältnisse in der "informellen Siedlung" sind sehr ärmlich.

Ihn selber interessiert die Nachhaltigkeit des eigenen Tuns: "Was passiert mit den Tipps, die ich gegeben habe, was mit den Lehr- und Lernmaterialien, die ich hinterlassen habe?", fragt sich Grebner nach einem Vierteljahr "Sondereinsatz", das er auch dazu nutzte, bei seinen "eigenen" Sozialprojekten in Windhoek nach dem Rechten zu sehen.

Roland Grebner hatte ausgiebig Gelegenheit, hinter die Kulissen zu schauen — und fällt ein deprimierendes Urteil: "Vieles, was im Rahmen der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit passiert, ist für die Katz’", sagt Grebner fast bissig unter dem Eindruck des in Namibia Erlebten.

Anleitung zur Selbsthilfe

Grebner weiß, dass es nicht damit getan ist, Fördergelder in verschiedene Projekte zu pumpen, denn wichtiger ist die Anleitung zur Selbsthilfe — und das Schmieden tragfähiger Allianzen. Im namibischen Norden, in Oshakati, existiert ein Kinderhaus, das Grebner aufgebaut hat und das von der Einheimischen Ruusa Nashima geleitet wird. Die bildet sich gerade fort, um später als Counselor (Beraterin) für dieses und andere Kinderhilfsprojekte arbeiten zu können.

Auch mit Gemeindepastor Namusha hält Roland Grebner Kontakt.

Auch mit Gemeindepastor Namusha hält Roland Grebner Kontakt. © Fotos: Grebner

"Der Bedarf für ein Kinderhaus ist in diesem Gebiet riesig", betont Grebner. Im nächsten Jahr will er wiederkommen — ob als "Senior-Experte" in offizieller Funktion oder quasi privat, ist noch offen.

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