Nora Gomringer: Botin kreativer Texte

17.7.2015, 18:59 Uhr
Nora Gomringer: Botin kreativer Texte

© Fotos: Giulia Iannicelli

Der Schweizer Autor, Professor, der mit Konkreter Poesie und Sprachexperimenten vor einem halben Jahrhundert kreativen Wind in die Literatur blies, ist ihr nun 90-jähriger Vater, ihre Mutter Nortrud Gomringer, eine bekannte Literaturwissenschaftlerin.

Nora Gomringer, jüngste Schwester mit sieben Halbbrüdern, wird insofern auch oft „auf ihre Vergangenheit angesprochen“. Agil und zugewandt fällt es ihr augenscheinlich nicht schwer, viele wiederkehrende Fragen so zu beantworten, als seien sie neu.

Die Realschüler mit Studienreferendarin Anja Klos-Hoffmann hatten sich auf die Schulstunde mit dem Thema „Freiheit“ und „kreative Schreibprozesse“ vorbereitet – unter anderem, indem sie sich am Schreiben eines Theaterstücks oder Gedichts versuchten. In einem Film wurde ein Interview mit der Autorin festgehalten.

Nora Gomringer, die keineswegs zum ersten Mal in Herzogenaurach war, bereits als Schuhtesterin für adidas engagiert war, hat zuhause „eine Art Hausaltar mit Ingeborg Bachmann, Sylvia Plath“ und mehr. Ihre Literaturliebe wuchs in Wurlitz bei Hof, seit ihrem Studium lebt sie in Bamberg. Von „ganz viel Forschung und Vorbereitung“ beim Romanschreiben berichtete sie den Teenagern, von der Verdichtung in Liedtexten und dem Rhythmus von Poesie, von ihrem Halt durch Heinrich Heines ironische Gedichte während eines Schüleraustausches nach USA, wo sie sich als „the Schörmän“ gar nicht so wohl fühlte. Und in einer völlig fremden Gastfamilie zunächst einmal alles verhandelt werden musste.

Viel tritt sie vor Schulklassen auf mit Schülern aus fernen Ländern, mit anderen Märchen und Mythen, Sprachklängen. Und die 35-Jährige gibt auch offen eigene Erfahrung weiter: „Man weiß lange nicht, wer man ist. Ich weiß es selbst noch nicht so ganz und bewege mich auch zu einer Person, die sich erfindet.“

Was machen Künstler? Wovon leben die? Wann ist ein Künstler berühmt? Das sind die typischen Fragen, die ihr begegnen und eine Frage an sich selbst lautet, seit ihrem Preisgewinn: „Kann ich so was nochmal liefern? Denn seit dem Preis bin ich nicht mehr so frei wie früher.“

Ehrlich überrascht äußerte sich die Autorin vom Ideenreichtum der Schüler, die ihre literarischen Skizzen vorstellten, in denen es auch um Suizid, Amoklauf und Mobbing geht: „Das ist ja Shakespeare‘scher Plot . . .“ Sie zeigte ihre Skizzenbuch-Sammlung mit Flyern und Blättern, einen kleinen grünen Koffer mit Spieltieren für „das Haptische“, ihre Inspirationen und stellte ihre Projekte vor.

Zusammen mit einem Fotografen begleitet sie zurzeit die Bamberger Symphoniker, eines der weitestgereisten Orchester und beschreibt die Musik und die Arbeit. Plaudert auch aus dem Nähkästchen: „Ein Orchester ist wie eine riesige Schulklasse. Der Dirigent spricht Denglisch wie: machen Sie das bis tomorrow . . .“

Auch eine Liste von Krankheiten hat sie erstellt, über die sie schreiben will und schafft eigenwillige Synergien: „Die Pestzelle sieht unter dem Mikroskop aus wie das Straßenbahnnetz von Berlin. Alle wollen nach Berlin. Berlin steckt an.“ Sie, der es „am peinlichsten“ war, zuzugeben, dass sie sich für das Metier ihrer Eltern interessiert, gibt indes auch Quintessenzen des Schaffens ihres Vaters weiter. Er kam zum Schluss: „Es ist die Sache der Dichter, das Herz klüger zu machen.“

 

Keine Kommentare