Olympia ade: „Es ist kein ehrlicher Sport mehr“

30.11.2015, 20:02 Uhr
Olympia ade: „Es ist kein ehrlicher Sport mehr“

© Montage: NN

Es ist erst ein paar Tage her, da war Walter Fellermeier, Kreisvorsitzender des Bayerischen Landessport-Verbandes (BLSV), noch in Hamburg und bekam – anderslautenden Meinungsumfragen zum Trotz – schon eine Ahnung davon, dass viele Hansestädter nicht begeistert von der Olympia-Bewerbung ihrer Heimatstadt waren. „Die haben alle noch die Nase voll vom Desaster mit der Elbphilharmonie“, sagt Fellermeier.

Das seit 2007 im Bau befindliche Gebäude wird wohl insgesamt 789 Millionen Euro kosten – statt der ursprünglich einmal veranschlagten 77 Millionen Euro. Deshalb hat Fellermeier durchaus Verständnis für die Ablehnung einer knappen Mehrheit der Hamburger im Referendum zur Olympia-Bewerbung. Laut vorläufigem Endergebnis haben 51,6 Prozent der Wahlberechtigten in dem Referendum mit Nein gestimmt. Noch im Frühjahr hatte die Zustimmung zu Olympia in Meinungsumfragen bei bis zu 64 Prozent gelegen.

Deshalb sagt Fellermeier auch: „Für den Sport ist es sehr traurig“. Fellermeier hat nach den ebenfalls gescheiterten Bewerbungen von Berlin und München Angst, dass „Deutschland überhaupt keine Olympischen Spiele mehr bekommt“. Damit der Sport die Menschen wieder begeistern kann, „müsste sich Olympia viel mehr normalisieren“, findet er: „Im Moment geht es doch nur um immer noch mehr, immer besser, immer höher, immer weiter. Es ist kein ehrlicher Sport mehr.“

Auch Markus Mönius, der beim LSC Höchstadt unter anderem Olympia-Aspirant und Hindernisläufer Martin Grau trainiert, sieht ähnliche Gründe für das Aus: „Es gibt ein Imageproblem. Es sind nicht mehr die Spiele der Jugend, sondern eine Geldmaschine. Alles ist kommerzialisiert, der Athlet nur ein Instrument.“

Das Internationale Olympische Komitee müsste viel deutlicher hinter seinen eigenen Richtlinien gegen Korruption und Doping stehen, findet Mönius. Gleichzeitig ist er trotzdem „bestürzt“ über den Ausgang des Referendums. Denn die Olympia-Gegner hätten nicht immer sachlich argumentiert, irgendwann sei es in der Diskussion gar nicht mehr um die Veranstaltung selbst gegangen. Dabei hätte etwa die Infrastruktur in und um Hamburg deutlich von Olympia profitiert, glaubt Mönius. Für die Sportler selbst stehe Olympia aber immer noch „über allem“, sagt der Trainer: „Wenn ich sehe, mit welchem Einsatz und mit welcher Konsequenz sich Athleten darauf vorbereiten, dann hat es immer noch denselben Stellenwert. Zumindest die Teilnahme daran ist für eine Sportlerkarriere ein absoluter Höhepunkt.“

Sein Trainerkollege Peter Müller, Sportlehrer bei der TS Herzogenaurach, ist ebenfalls „ziemlich enttäuscht“. Er kann die Kritik rund um Korruptions- und Doping-Querelen zwar nachvollziehen, bedauert aber, dass darüber ein olympischer Gedanke kaum noch bedacht werde: dass die Veranstaltung nämlich für Völkerverbindung stehe, „es geht um Leistung und Freude an der Sache, nicht um Herkunft oder Hautfarbe“.

Dass dieser Gedanke beim Thema Olympia kaum noch Beachtung finde, sei „kein allzu gutes Zeichen“. Für Athleten seien die Spiele aber trotzdem noch „der absolute Höhepunkt, Olympia hat immer noch Zugkraft“.

Die Ablehnung ist schade, findet Ulrich Langer. Der Leiter der Herzogenauracher Realschule ist im Ehrenamt Fußballtrainer für die Jugendkicker des SC Adelsdorf. Für den Fußball, findet Langer, sind Olympische Spiele jetzt nicht das wichtigste Ereignis. Diese Massensportart werde auch weiter boomen, wenn Olympia nicht in Deutschland stattfindet. Aber die anderen Sportarten halt: „Die hätten das gebraucht“ — als Plattform und als Werbung bei jungen Leuten.

Dass Sportereignisse und Sportstars Sog- beziehungsweise Vorbildwirkung auf die Jugend haben, steht für Langer außer Zweifel. Und ins ganze Land hätten Olympische Spiele Schwung bringen können, wie 2006 die Fußball-WM.

Die Ansporn-Funktion von Olympia steht für Rainer Groh außer Frage. Der Leiter der NN-Lokalredaktion hat dies 1972 als 16-jähriger Schwimmer selbst erlebt: den Stolz, das olympische Feuer ein paar Hundert Meter durch die Heimatstadt Bamberg zu tragen, und die Bewunderung für „Über-Schwimmer“ Mark Spitz, dessen perfekte Delphin-Technik genauestens analysiert wurde.

Heute aber vermisst Groh in der Olympischen Bewegung den Vorbild-Charakter. Intransparente Finanzierungsmodelle, der Ruch der Korruption, Kommerzialisierung, Boykotte und -drohungen: Groh sieht einen Niedergang der olympischen Idee und äußert größtes Verständnis für die Hamburger und ihre Entscheidung. Schon 1972 waren bekanntlich die Spiele außerdem eine Plattform für Terroristen.

Unter denen, die die Absage Hamburgs schade finden, ist auch Bürgermeister German Hacker. Er habe mit Zustimmung gerechnet. Es sei heute aber fast normal, dass Großprojekte auf Ablehnung stoßen. Es gebe nun einmal das Instrument des Bürgerentscheids. Da gebe es nichts zu deuteln. Spannend freilich würde Hacker finden, Bürgerentscheide jeweils nach einem Jahr zu wiederholen.

Für die Stadt Hamburg ist der Ausgang der Abstimmung aus Hackers Sicht eine verpasste Chance. Es habe sich gezeigt, dass Olympia stets die Stadtentwicklung vorangebracht haben. Für die Herzogenauracher Sport-Firmen sieht Hacker keinen großen Verlust: Das sind Global Player, und, so Hacker, „Es werden Spiele stattfinden. Halt nicht in Deutschland.“

Sinngemäß hat die Stellungnahme von Puma dies bestätigt. Auf Anfrage hieß es aus der Pressestelle, die Firma freue sich unabhängig davon, welche Stadt die Olympischen Spiele 2024 auch ausrichte, darauf, die Vertrags-Athleten und -Verbände zu unterstützen. Die Entscheidung der Hamburger gegen die Olympiabewerbung sei schließlich demokratisch getroffen worden. Das respektiere Puma.

„Die Geschichte von adidas ist traditionell eng mit den Olympischen Spielen verbunden. Als langjähriger Partner des Sports auf nationaler und internationaler Ebene hätten wir uns natürlich über eine deutsche Bewerbung gefreut. Olympische Spiele sind ein Schaufenster für Wirtschaft, Gesellschaft und Innovationskraft eines Landes. Abgesehen davon werden wir beim größten Sportereignis der Welt immer mit innovativen Produkten, herausragenden Athleten und Verbänden vertreten sein. Unabhängig vom Austragungsort“, sagt adidas-Sprecher Oliver Brüggen.

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