Post-Autos mit E-Motor in Herzo unterwegs

28.8.2016, 06:00 Uhr
Post-Autos mit E-Motor in Herzo unterwegs

© Foto: Rainer Groh

Vor allem ist Mayer beeindruckt, dass sein Arbeitgeber die Initiative ergriffen hat und selbst ein elektrisches Zustellfahrzeug zusammen mit der Rheinisch-Westfälischen technischen Hochschule Aachen entwickelte. Die etablierte Auto-Industrie hatte entweder kein Interesse an dem Projekt gezeigt oder horrende Entwicklungskosten-Zuschüsse von der Post gefordert.

Nun stehen fünf der ebenso preiswerten wie äußerst zweckmäßigen StreetScooter, wie die markanten Gefährte heißen, über Nacht an den Ladesäulen des Zustell-Stützpunkts an der Zeppelinstraße und schwärmen morgens aus in die Herzogenauracher Außenviertel und Ortsteile.

Sie haben zwei Kubikmeter Raum für Pakete im Ladekasten. Statt Beifahrersitz ist vorn ein höhenverstellbarer Behälter für die Briefpost, beides bequemer zu erreichen für die Postboten als in den alten Fahrzeugen, von denen in Herzogenaurach auch noch drei bis zur Ausmusterung eingesetzt werden. Sie sind fast geräuschlos unterwegs, so leise, dass die Fahrer öfter einmal mit der Hupe auf sich aufmerksam machen müssen. Die Niedern- und die Hauptendorfer können sich jedenfalls nicht mehr darauf verlassen, dass sie ihren Postboten schon von weitem am Dieselmotorengeräusch erkennen und abpassen können

Dies und eine noch verbesserungswürdige Regenrinne über der Fahrertür ist so ziemlich alles, was die Nutzer an den neuen Elektroautos auszusetzen haben. Und nicht nur die Postboten schwärmen. Siegfried Egelkraut, der Leiter des Zustell-Stützpunktes Erlangen, zu dem auch Herzogenaurach gehört, berichtet von durchwegs positivem Echo bei der Kundschaft. Er ist ebenfalls zufrieden mit der neuen Fahrzeugflotte. Rund 80 Kilometer beträgt die Reichweite der Elektrofahrzeuge. Für den Einsatz im Verbund-Zustelldienst, d. h. Post und DHL verteilen Briefe und Pakete zusammen, ist das ideal. Georg Mayer z. B. hat in Herzogenaurach täglich rund 25 Kilometer zu fahren, die kürzeste Route. Sein Scooter könnte mit einer Akku-Ladung locker zwei Tage arbeiten.

Die längste Runde von Herzogenaurach aus in die Nachbargemeinden Aurachtal und Oberreichenbach ist etwa 40 Kilometer lang. Also ist die Eigenentwicklung das ideale Postfahrzeug in Bezirken wie dem Herzogenauracher. So Siegfried Egelkraut. Wie die Transporter, genauer ihre Akku-Kapazität, mit bergigen Bezirken wie der Fränkischen Schweiz zurechtkommen, wo die Strecken mehr Strom fressen, werde sich zeigen. Nächstes Jahr, so Egelkraut, wird der Stützpunkt im Markt Wiesenttal mit den Elektro-Fahrzeugen ausgestattet.

Herzogenaurach wird einmal acht der Fahrzeuge im Einsatz haben. Drei Diesel sind noch im Fuhrpark. Wenn deren Nutzungszeit abgelaufen ist, werden noch drei weitere StreetScooter kommen. Die Ladesäulen für acht E-Fahrzeuge stehen schon im Posthof. Aus ihnen tanken die Scooter übrigens zertifizierten Strom aus regenerativen Energiequelle. Sonst würde die Energiebilanz ja wieder nicht stimmen.

Der Betrieb der umweltfreundlichen Fahrzeuge zahlt auch auf das Klimaschutzziel ein, das sich der Konzern gesetzt hat: Er will bis zum Jahr 2020 die CO2-Effizienz gegenüber 2007 um 30 Prozent verbessern.

Wie von der etablierten Autoindustrie offensichtlich nicht erwartet, stimmt auch die rein wirtschaftliche Bilanz. Für die Entwicklung und den Bau der Post-Spezialfahrzeuge wurde die Firma StreetScooter gegründet, die inzwischen ganz dem gelben Konzern gehört. Bislang wurden 1000 der Fahrzeuge zusammengebaut, und mit dieser Kleinserie macht das Unternehmen schon Gewinn. 4000 Exemplare sollen es für den Eigenbedarf noch werden.

Inzwischen aber hat der medienwirksame Coup des Konzerns, mangels Interesse der Spezialisten selbst zum Autobauer zu werden, fast schon einen „Hype“ ausgelöst. Das eigenständige Design des Fahrzeugs erinnert außerdem in seiner zweckmäßigen Unangepasstheit an die Auto-Mode ein wenig an Charakter-Vehikel wie den „Käfer“ oder die „Ente“. Und schon gibt es Nachfrage von Handwerkern und Kleingewerbe-Treibenden, die genau so ein Gefährt suchen und denen der Scooter gefällt.

Dass die Post auf Dauer Geschäfte als Autobauer wider Willen machen will, schließt Stützpunkt-Leiter Egelkraut aus. Er denke, eines Tages werde sein Arbeitgeber die StreetScooter GmbH an einen KFZ-Hersteller verkaufen, vermutlich mit Gewinn.

Vorher aber, weiß Egelkraut, werden weitere Modelle auf den kleinen Erstling folgen. Für die Paket-Zustellung in größeren Städten gebe es schon Prototypen mit doppelt so großem Lade-Volumen. Und ein noch größerer E-Transporter sei in der Entwicklung — für Großstädte. Denn dort werden bald keine Dieselfahrzeuge mehr fahren dürfen, ist sich Egelkraut sicher.

Bei der Entwicklung des Scooters wurde übrigens den Nutzern, also den Postboten, eigens ein Mitspracherecht eingeräumt. Die Deutsche Post hat die Street-Scooter GmbH im Dezember 2014 übernommen und produziert ihre Zustellfahrzeuge seither selbst. Dazu wurde in Aachen die

ehemalige Werkshalle des ältesten deutschen Eisenbahnwaggon-Herstellers gekauft. Die Firma Talbot wurde 1838 gegründet und ging 1995 im französischen Konzern Bombardier auf.

Seit 2013 werden an historischer Stätte wieder Fahrzeuge hergestellt. So zukunftsweisende wie im 19. Jahrhundert.

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