Räte ändern den Kurs

21.10.2014, 18:00 Uhr
Räte ändern den Kurs

© Foto: Ingrid Jungfer

Der Ablauf des Verfahrens scheint manchem bis heute nicht klar zu sein. Obwohl der damalige Bürgermeister Alexander Tritthart es im Januar 2014 ausführlich erläutert hatte: „Wer jetzt der Fläche zustimmt, der kann später nicht mehr gegen ein Windrad sein“. Die Entscheidungskompetenz der Kommune sei damit erloschen.

Das hat in der Sitzung am Montag auch sein Nachfolger Heinrich Süß betont und darauf hingewiesen, dass, sollte man jetzt das Einvernehmen zum Fortgang des Genehmigungsverfahren verweigern, man dem Landratsamt Neustadt/Aisch-Bad Windsheim gegenüber „eine vernünftige rechtliche Begründung“ brauche. Bekanntlich hat der Windkraftplaner den Antrag auf Vorabbescheid in Neustadt bereits eingereicht. Von dort aus wird das Verfahren zum Bau dreier Windräder von je 199 Metern Gesamthöhe – zwei in der Gemarkung Traishöchstädt, eines in der von Rezelsdorf – für beide Landkreise geführt, stets im Benehmen mit dem hiesigen Landratsamt.

Auch Rezelsdorfer Bürgern scheint die durch die Januarentscheidung entstandene Rechtssituation nicht klar zu sein. Über 50 Bürger des Ortsteils waren in der Sitzung präsent und machten ihrem Unmut Luft. Zum einen durch eine Protestliste mit etwa 140 Unterschriften, zum anderen mit einem Brief an die Verwaltung, der öffentlich vorgetragen werden durfte, nachdem man – entgegen der Geschäftsordnung – die üblichen Bürgeranfragen auf Antrag vor die Ratssitzung gestellt hatte.

Ebenfalls per Antrag und mehrheitlicher Zustimmung war es möglich, dass der Bayerische Rundfunk im Ratssaal filmen durfte, wie sich die Bürger des Ortsteils gegen den beantragten Vorabbescheid wehren.

Sie fühlen sich unzureichend informiert, wussten nichts vom kurzfristig anberaumten Info-Abend in Rezelsdorf, vermuten gar hinter der mangelnden Information Absicht und unterstellen, dass „unter Ausschluss der Rezelsdorfer unter allen Umständen eine Entscheidung noch vor der anstehenden Gesetzesänderung“, der H10-Regelung, „durchgedrückt werden soll“. Wie berichtet, könnte wohl Mitte November diese neue Regelung im Landtag beschlossen werden. Dann müsste in Rezelsdorf der Abstand zur Wohnbebauung 1990 Meter betragen.

Diverse Ängste

Schnell wurde deutlich: Die meisten Bürger sind nicht generell gegen das Windrad. Aber sie haben Angst — vor die Gesundheit gefährdendem Lärm und zu geringem Abstand, vor einem geldgierigen Betreiber, der optimale Wirtschaftlichkeit anstrebt, vor dem Verlust potenzieller Bauflächen auf ehemaligen Feldern zwischen der nördlichen Siedlungsgrenze und dem Windrad. Der Ort werde sterben, war auch am nächsten Tag im Ortsteil zu hören, weil die Kinder wegzögen.

Die Ablehnung und Ängste, so wurde klar, basieren letztlich auf fehlender Information. Und so begrüßten viele den Vorschlag von Bürgermeister Süß, vor jedweder Entscheidung eine Bürgerversammlung anzuberaumen. Allerdings keine kurzfristige, wie Heinrich Süß angestrebt hatte, sondern eine mit öffentlicher Ladung per Amtsblatt.

In der folgenden Diskussion der Räte hielt Christiane Kolbet (Grüne) ihren Kollegen wie manchen Kritikern erstaunt den Spiegel vor. „Im Januar 2014 waren wir uns – im Gemeinderat – sehr einig.“ Im Februar sollte nach Antrag der Grünen der Planer Marcus Dornauer in die Sitzung kommen, um das Projekt vorzustellen. Die BWG schlug zum Thema dazu eine Bürgerversammlung vor, was eine Mehrheit fand. Dass dann aus beiden Aktivitäten nichts wurde, so Kolbet, läge nicht in der Verantwortung des jetzigen Bürgermeisters.

Den Rezelsdorfer Kritikern allerdings gab sie mit auf den Weg, dass entsprechende Informationen jederzeit in der Presse und im Amtsblatt nachzulesen gewesen wären. Sie verstünde daher nicht, „warum die Wogen so hoch gehen“. Unterstützung bekam sie von Norbert Maier. Er verwies auf den Beschluss des Gemeinderats zur Energie-Autarkie der Kommune – bis 2030 Strom und bis 2050 Wärme — und steht weiter zum Rezelsdorfer Standort.

Selbst Karl-Heinz Hertlein (CSU) unterstrich „die Kolbet’schen Ausführungen“, kritisierte dann „schmeichlerische Ausführungen“ der Kollegen gegenüber den Bürgern. Es handle sich um ein ausgewiesenes Vorbehaltsgebiet, so stand es auch in der Presse. Zudem sei der Antrag unter rechtlich gültigen Bedingungen gestellt. Wer als Einzelner etwas gegen diesen „zunächst durchgegangenen“ Antrag habe, der möge das in Neustadt tun.

Um den Fortgang des Verfahrens doch noch zu retten, war auch die Möglichkeit einer Fristverlängerung ins Gespräch gekommen. Fraglich sei sie, war zu hören. Aber einen Versuch wert. Und so formulierte Bürgermeister Heinrich Süß: „Der Gemeinderat beschließt die Vertagung der Entscheidung auf die Ratssitzung vom 17. November und beauftragt dazu die Verwaltung, beim Landratsamt den Antrag zur Fristverlängerung bis zum 19. November zu stellen.“ Der Vorschlag fiel mit klarer Mehrheit durch. Von irgendwoher klang es wie „Domino-Effekt“. Nur der Bürgerversammlung stimmten alle zu.

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