Skilager: Sportunterricht und soziales Lernen

4.2.2016, 17:19 Uhr
Skilager: Sportunterricht und soziales Lernen

© Foto: Aumeier

1980 hat der damalige Sportlehrer Franz Ertl den einwöchigen Skikurs eingeführt. Seitdem fahren die Buben und Mädchen anfangs aller achten, seit 20 Jahren aller siebten Klassen jeden Winter gemeinsam nach Waldhäuser/Neuschönau. Mitten im Nationalpark gibt es dort keine Schneekanonen und keine großen Liftanlagen, nur einen Teller-, einen Bügellift und ein Umlaufseil als Hilfe bei den allerersten Gleitversuchen.

Das riecht nicht nach Skizirkus, Kunstschnee und Energieverschwendung. Laut Lehrer Rainer Aumeier, geht es auch gar nicht darum, sondern um Erfahrungen, die die Kinder anders schwerer machen würden: Draußen sein bei Kälte, mit einem Sportgerät, Ausrüstung, Gelände klar- und mit den anderen Schülern auskommen, die Lehrer mal außerhalb des Unterrichts kennenlernen.

Skilager umstritten

Aumeier, der jedes Jahr dabei ist im Skilager, das seit vier Jahren Katrin Marienfeld, eine Lehrerin mit Sportausbildung organisiert und leitet, räumt ein, dass die Wintersport-Tradition nicht nur bei manchen Eltern, sondern auch im Lehrerkollegium umstritten ist und immer wieder verteidigt werden muss.

Statt des aufwändigen und verletzungsgefährlichen Skisports könnte man doch einfach eine Wintersport-Woche durchführen mit verschiedenen Angeboten, heiße es immer mal wieder. Marienfeld und Aumeier verteidigen dagegen aber den Skikurs: Er nötige den jungen Teilnehmern eine Woche lang beständiges Üben an einer Fertigkeit ab. Im Gegensatz zu einer Schnupperwoche, in der verschiedene Sportarten nur angerissen werden, Lernfortschritt nicht möglich ist. Und was z. B. die Erlebnispädagogik jungen Menschen an Erfahrungen verspricht, das halte so ein Skilager locker.

Skilager: Sportunterricht und soziales Lernen

© Foto: Aumeier

Die Schüler der siebten Klassen, die nach den nach der sechsten möglichen Übertritten immer neu formiert werden, können einander kennenlernen, sagt Aumeier. Man übernachtet schließlich in der Jugendherberge in Sechser-Zimmern. Sie lernen auch die Persönlichkeiten ihrer Lehrer jenseits der Unterrichtssituation kennen — und die Lehrer die ihrer Schüler. So Rainer Aumeiers weiteres Argument für den Skikurs. Katrin Marienfeld sieht sogar Gender-Vorteile: Das Skilager gebe Jungs Gelegenheit, sich sportlich auszutoben. Auf der anderen Seite sind die Skisportarten auch etwas für Mädchen.Es gibt, so Katrin Marienfeld, kaum Leistungsunterschiede gegenüber den Jungs.

Kim, der sich der Langlauf-Gruppe angeschlossen hatte, hat es als sehr positiv empfunden, nach Vormittags- und Nachmittags-Sporteinheit abends rechtschaffen müde gewesen zu sein.Nicht zu müde allerdings für das Abendprogramm, das im Mittelschul-Skilager ebenfalls Tradition ist. Tischtennis und Teamspiele, sogar eine romantische Fackel-Wanderung, werden in der Jugendherberge angeboten — auf freiwilliger Basis.

Geht es wie dieses Jahr, als 35 Siebtklässler wahlweise Snowboard, Langlauf- oder Abfahrts-Bretter steuern lernten, die allermeisten völlige Anfänger, dann beschert die Woche echte Erfolgserlebnisse. Alle, so Aumeier, sind am Ende das Rennen mitgefahren und haben die Strecke gemeistert.

Ungefährlich ist Ski- und Snowboardfahren freilich nicht. Auch diesmal, räumen Marienfeld und Aumeier ein, hat es eine Verletzung gegeben. Ein Schüler brach sich die Elle an.

Am Anfang ist der neue Sport „furchtbar“, sagt Rudolf, der im Bayerischen Wald zum ersten Mal auf Skiern gestanden war. Übrigens leiht sich die Schule Bretter, Schuhe und Helme am Ort preiswert von einem Skiverleih, mit dem man viele Jahre schon kooperiert.

Rudolf war praktisch nur gelegen, und hat sich herzlich geplagt vor dem ersten Spaß am Gleiten. Der stellte sich aber ein. Kim, der sich auf den schmalen Brettern versuchte, eine für Anfänger mehr als wackelige Angelegenheit, fand schon die erste Tour in der Loipe „ganz toll“. Die Mittelschüler hatten auch Wetterglück: Es hatte frisch geschneit und die Verhältnisse waren optimal, vor allem für die Anfänger.

Und wer schon etwas kann, wie Denis, der mit seinen Eltern schon Ski gefahren ist, hat auch einen Kick fürs Selbstwertgefühl — wieder gedämpft von einem Sturz im ersten Lauf des Abschlussrennens.

Diese sportlichen und sozialen Lernerfolge, fasst Rainer Aumeiser zusammen, kriegt eine Schule mit so relativ geringem Aufwand an Organisation mit kaum einem anderen Projekt. So sieht der erfahrene Lehrer kaum eine Alternative.

Und dass mit solchen Freizeiten der Nachwuchs für einen alpenzerstörenden Massen-Freizeitsport herangezogen werde, sei nicht richtig. Beim Skifahren bleibe man nur, wenn die ganze Familie sowieso Ski fährt. Es gehe um ganz andere Dinge beim Skilager.

Zum Beispiel auch ums Überleben ohne Handy. Die Smartphones werden nämlich die ganze Woche lang von den Lehrern verwahrt und nur kurz zum Anrufen daheim ausgeliehen.

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