Unverwechselbare Stimme für Röttenbachs neue Orgel

13.5.2016, 15:16 Uhr
Unverwechselbare Stimme für Röttenbachs neue Orgel

© Fotos: Athina Tsimplostefanaki

Unverwechselbare Stimme für Röttenbachs neue Orgel

Wie oft Alois Schwingshandl die 1362 Pfeifen der neuen Orgel schon in der Hand hatte, lässt sich kaum zählen. Denn bevor diese in St. Mauritius nach und nach im restaurierten, denkmalgeschützten Gehäuse ihren Platz fanden, stand das Instrument bereits einmal komplett montiert in der Orgelbauwerkstatt von Meister Claudius Winterhalter. Dort wurde es gestimmt, die nach komplizierten Berechnungen gefertigten Pfeifen dafür gekürzt. Der Röttenbacher Orgelbauverein war seinerzeit zu Gast im Schwarzwald und überwältigt von der Klangfülle des zur Probe aufgebauten Instruments.

Gestimmt werden muss die Orgel in Röttenbach deshalb nicht mehr. Jede Pfeife trifft bereits den richtigen Ton. Was derzeit im Gotteshaus vor sich geht, ist nicht mehr reines Handwerk, sondern fast Kunst: die Orgel wird intoniert. „Wie das Würzen beim Kochen“ sei das, versucht Intonateur Alois Schwingshandl seine Arbeit zu erklären. Doch diese Beschreibung ist fast zu banal. Der 42-Jährige malt mit Klangfarben, die er zum Leuchten bringen will, auch wenn er dabei fast überall die Unzulänglichkeiten der Umgebung überlisten muss.

Obwohl die Gesamtakustik in St. Mauritius mit seinem 14 Meter hohen Mittelschiff gut ist, sind auch dort etliche Problemzonen vorhanden. Die holzgetäfelte Decke zum Beispiel, hinter der sich ein teilgedämmter Hohlraum befindet. „Diese Dämmung schluckt die Tiefe der Bassfrequenzen“, sagt Schwingshandls Kollege Markus Bieler.

Das darf nicht sein, denn die Wucht des Klangs, die den beeindruckenden Basspfeifen entströmt, soll schließlich die ganze Kirche füllen. Schwingshandl betätigt das Pedal für das tiefe C, der tiefste Ton der Orgel. Die Schwingungen aus der fünf Meter langen Basspfeife, nur 32 Hertz pro Sekunde, fließen fast sichtbar durch den Raum. Der höchste Ton der Orgel liegt dagegen schon außerhalb des Hörvermögens vieler Menschen. Und doch macht er Sinn, wie Schwingshandel demonstriert. Er spielt eine kurze Sequenz ohne Einsatz der nur 8 Millimeter großen Pfeife — und legt dann mit Hilfe des fast unhörbar hohen Tons ein perlendes Glitzern über die gleiche Melodie.

„Nicht ohne Grund wird die Orgel ,Königin der Instrumente‘ genannt“, schwärmt der Intonateur. „Es hat von allen den größten Tonumfang“. Um diesen zu beherrschen, ist mehr nötig als eine Handwerksausbildung. „Ein Intonateur muss Orgelbauer sein, aber auch Organist“, weiß Schwingshandl aus Erfahrung. Gehörbildung gehöre dazu, die könne man trainieren. Ein Teil, gibt er bescheiden zu, sei aber auch Begabung.

Für die Kirchengemeinde St. Mauritius sei es ein Glücksfall gewesen, auf Empfehlung des Bamberger Domorganisten und Orgelsachverständigen Prof. Markus Willinger zur Orgelbaufirma Winterhalter gekommen zu sein, sagt Rolf Clemens, Vorsitzender des Röttenbacher Orgelbauvereins. Dieser wurde 2009 gegründet, um die Pfarrei St. Mauritius Röttenbach bei der Anschaffung einer neuen Orgel zu unterstützen. Spendenbeiträge und Pfeifenpatenschaften, die noch immer möglich sind, haben einen finanziellen Beitrag für das Projekt geleistet.

Clemens ist überzeugt, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Nicht nur der neuen Orgel wegen, sondern auch, weil mit deren Bau die bisherigen Mängel an der Statik der Empore endlich behoben wurden. Nun fasst ein acht Zentimeter dicker Grundrahmen aus Eiche das gesamte Instrument.

Das wiegt immerhin rund sechs Tonnen, vielleicht sogar mehr, schätzt Intonateur Markus Bieler. Und das, obwohl modernes Material längst im Orgelbau Einzug gehalten hat. So sind die Trakturen inzwischen aus Karbon, das im Gegensatz zu den früher verwendeten Holzleisten bei Veränderungen der Luftfeuchtigkeit oder Temperatur nicht arbeitet.

Mit solchen äußeren Einflüssen haben die Intonateure ohnehin genug zu kämpfen. Wegen der Kälte konnten sie ihre Arbeit an der längst fertig aufgebauten Orgel erst kurz vor Ostern beginnen; in wenigen Tagen wird sie abgeschlossen sein. „Bei Temperaturen unter 10 Grad ist das Intonieren kaum möglich“, sagt Schwingshandl und erklärt, dass die Schallgeschwindigkeit bei Kälte abnimmt — die Töne werden tiefer. Sei die Luft dagegen extrem feucht, werde der Schall gut transportiert und erzeuge mehr Nachhall. „In trockenen Kirchenräumen müssen wir dem Klang deshalb mehr Breite geben“, erläutert Schwingshandl.

Dass das gelungen ist, wird das Publikum am 12. Juni nach der Orgelweihe um 17 Uhr durch Erzbischof Ludwig Schick selbst hören, wenn Domorganist Willinger um 19.30 Uhr zum Einweihungskonzert am Spieltisch der neuen Winterhalter-Orgel Platz nimmt. Sind die letzten Töne verklungen, darf der Orgelsachverständige mit der Empfehlung zur Abnahme des Projekts den feierlichen Schlussakkord setzen. Für die Kirchenmusik in St. Mauritius ist es freilich ein ganz neuer Anfang.

Mehr Fotos unter www.nordbayern.de/hoechstadt

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