"Vergesst die Schule, schreibt alles, was euch einfällt"

11.5.2017, 18:27 Uhr

© Foto: Maria Däumler

"Zuhause in der Fremde" sind die zwei Lesungen überschrieben die Nefel Cumart am Vormittag bereits vor Schülerinnen und Schülern gehalten hat. Der Schriftsteller, Übersetzer und Journalist mit türkischer Abstammung, der in Bamberg lebt, kann zu diesem Thema viele Geschichten aus eigenem Erleben erzählen. Es geht um Toleranz, Verständnis anderen Kulturen gegenüber und wie man sich Fremden gegenüber verhält. Die Schüler in Mühlhausen kennen das, denn auch hier gehen Flüchtlingskinder zur Schule, wie Schulleiterin Gudrun Boss erzählt. Ihr sei es daher wichtig, "Brücken zu schlagen".

Nefel Cumart beherrscht das mühelos. Mit viel Humor und Einfühlungsvermögen schlägt er die 17 Mädchen und Jungs schnell in seinen Bann, die sich für eine Schreibwerkstatt gemeldet haben. Alle haben ein Blatt Papier und Stifte vor sich liegen. "Rechtschreibung und Interpunktion interessieren heute nicht. Es interessieren nur Phantasie und Kreativität, wir wollen keine Kunstwerke schaffen, sondern nur Freude am Schreiben wecken", sagt Cumart.

MEIN ZUHAUSE — diese zwei Worte in Großbuchstaben sollen die Schüler links an den Rand des Blattes von oben nach unten schreiben und dann hinter jeden Buchstaben zwei Sätze schreiben, die mit Zuhause oder ihrer Familie zusammenhängen. "Es ist egal, wie ihr schreibt. Wichtig ist nur, dass ihr überhaupt schreibt", macht Nefel Cumart den Jugendlichen klar. Und falls ein Buchstabe fehlt, den sie dringend brauchen, dürfen sie ein Zauberwort verwenden: "Eigentlich. Damit kann man viele Sätze bilden."

Zwei Bitten aber hat der Dichter noch: "Bitte schreibt schöne lange Sätze mit vielen Informationen — und seid so, wie ihr seid, seid authentisch." Er erklärt auch, was er damit meint: "Wenn ihr kein Mathe mögt, dann schreibt das. Wenn ihr euch über was geärgert habt, dann schreibt das." Die Mädchen und Jungs schauen ihn fast ungläubig an. "Seid entspannt. Ihr dürft alles schreiben, was ihr wollt. Und ihr dürft so lange brauchen, wie ihr wollt." Solche Vorgaben gibt es wahrscheinlich eher selten in der Schule. Das gefällt den jungen Teilnehmern der Schreibwerkstatt natürlich. Seit über 30 Jahren bietet Nefel Cumart solche Schreibprojekte schon an. "Mir geht es vor allem darum, dass die Kinder ein bisschen Vertrauen in das eigene Können haben", erläutert der 52-Jährige. Die Jugendlichen sollen ihre Freude am Schreiben entdecken und die Schule einfach mal ausblenden.

Dass dies an diesem Vormittag in der Mittelschule sehr gut gelingt, das bestätigt Lehrerin Beate Ehbauer-Dörres, die die achte Klasse unterrichtet und für das Projekt "Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage" zuständig ist, in dessen Rahmen der Dichter nach Mühlhausen eingeladen wurde. "Nefel Cumart macht das ganz toll, seine humorvolle Art kommt gut an", hat die Lehrkraft beobachtet.

Das Projekt sei dank finanzieller Unterstützung der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion und dem Förderverein der Schule zustande gekommen. Dass die Aktion Früchte trägt, wird klar, wenn man sieht, wie eifrig die Schülerinnen und Schüler in der Schreibwerkstatt schreiben.

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